Schweizer Pionier Guido Rudolphi (56) über das Potenzial der digitalen Währung
«Bitcoin ist grösser als das Internet»

Der Schweizer Internet-Forensiker Guido Rudolphi (56) beschäftigt sich mit der digitalen Währung Bitcoin, seit sie existiert. Sie bringe eine gewaltige Revolution mit sich – noch viel grösser als die Erfindung des Internets.
Publiziert: 19.12.2017 um 11:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 02:55 Uhr
Internet-Forensiker Guido Rudolphi (56) am Paradeplatz. Er sagt voraus, dass es dank Bitcoin bald keine Banken mehr braucht.
Foto: Beat Michel
Beat Michel

BLICK.CH: Die ganze Welt versucht auf den Bitcoin-Boom aufzuspringen. Sie sind von Anfang an dabei, sind Sie jetzt Milliardär?
Guido Rudolphi:
Nein. Ich habe Bitcoins nie als Investment angesehen. Ich wäre sicher Multimillionär, wenn ich die Bitcoins behalten hätte, die ich bisher gekauft und gemint habe. Das System lebt aber davon, dass Transaktionen stattfinden, nicht dass man die Währung hortet.

Das ist aber der aktuelle Trend? Der Kurs steigt und steigt...
Wir nennen das «fear of missed opportunities». Die Angst, eine gute Gelegenheit zu verpassen. Das ist kein guter Ratgeber. Wenn der Kurs wieder mal ein paar 100 Prozent schwankt, sagen wir nur: «So what.» Das gehört halt dazu. Bitcoins können viel wichtigere Sachen, als nur teurer zu werden. Es kommt ein noch grösserer Entwicklungssprung auf uns zu, als uns das Internet beschert hat.

Was kann denn Bitcoin, was so aussergewöhnlich ist?
Alles, was Bargeld kann, aber auch alles, was die Banken können. Nur, dass halt niemand mehr dazwischenfunken kann. Es braucht keine Vertrauensstelle mehr zwischen dem Bezahler und dem Empfänger. Damit braucht es auch keine Banken mehr.

Das geht vielleicht beim Bezahlen. Was ist mit meiner Hypothek?
Kein Problem. Über Blockchain kann man grundsätzlich einen «Smart Contract» abschliessen. Mit Zins und allem drum-und-dran. Das Geld kommt dann vielleicht nicht nur von einer Partei, sondern man erhält hunderttausend mal zwei Franken, oder eine Million mal einen Rappen. Das Geld für den Notar kann man sich in der Zukunft auch gleich sparen. Alles ist in der Blockchain gespeichert und offen nachvollziehbar.

Also transparent? Bei den Bitcoins ist doch alles geheim und anonym, nicht mal für die Polizei nachvollziehbar?
Das ist ein grosser populärer Irrtum. Ein Krimineller verwendet nur dann Bitcoins, wenn er entweder sehr dumm ist oder ein Genie. Er muss genau wissen, wie er die Spuren verwischt. Sonst haben wir ihn. Es ist in der Transaktion immer jemand identifizierbar. Es ist eine Frage des Aufwands. Nur Bargeld ist anonym.

Ihre Bitcoin-Mine in Linthal (GL) haben Sie nach einem Streit um den Strompreis geschlossen. Machen Sie in der Schweiz was Neues auf?
Ich bin jetzt an einer Mine beteiligt, weit weit weg von der Schweiz. Ich habe dort einen sensationellen Strompreis ausgehandelt. In der Schweiz fallen hingegen selbst dann hohe Gebühren an, wenn man ein Kraftwerk besitzt und den Strom nur für sich nutzt. Das heisst dann trotzdem Netzwerkgebühren.

Wieso ist der Strompreis so wichtig?
In der Mine verdient man Geld, indem man Transaktionen verifiziert. Dazu müssen die Computer sehr komplexe Rechenaufgaben lösen. Wer die Lösung als Erster präsentiert, kriegt den Zuschlag. Es ist ein Wettrennen. Dazu braucht man enorme Rechenleistungen. Desto mehr Computer laufen, umso mehr Strom verbrauche ich. Und umso besser stehen meine Chancen, Bitcoins zu schürfen.

Die Computer rechnen also wild vor sich hin. Was machen Sie?
Bitcoins schürfen ist langweilig, das stimmt. Ich arbeite an einem noch geheimen Projekt. Digitale Währungen sind nur ein Teil davon. Es soll für alle einen hohen Nutzwert bringen. Es können dann unter anderem alle Konsumenten ohne Problem mit digitalen Währungen arbeiten. Zudem arbeite ich weiter als Computer- und Internet-Forensiker.

Also Zahlungen zurückverfolgen?
Auch. Aber vor allem Spurensicherung im Internet. Es geht zum Teil um Milliardenbeträge, die verschwunden sind. Aber auch das Wiederherstellen von Bitcoins aus einer defekten Festplatte.

Heute sind Sie Experte auf dem Gebiet. Wann kamen Sie das erste Mal in Kontakt mit Bitcoins?
Das war etwa ein eineinhalb Jahre, nachdem das achtseitige Whitepaper unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto im November 2008 veröffentlicht wurde. Ich habe wenig verstanden. Ich habe tagelang darüber gebrütet. Mir war dann schnell klar, da sind Genies am Werk. Ich las Hunderte von Seiten. Immer wieder kam ein Begriff, den ich nicht verstand und ich nachschlagen musste. Umso mehr man davon weiss, desto weniger versteht man.

Sind Sie gleich eingestiegen?
Ich hatte gute Ideen. Nur Investoren und Banken machten nicht mit. Es war zum Verzweifeln. Ich wusste, es ist grösser als die Erfindung des Internets. Und die Banker schüttelten nur den Kopf. Es war analog zu den Anfängen des Internets. Sie kamen mit den gleichen Argumenten. Es sei nur eine Blase, sagten die graumelierten Männer. Sie verstanden überhaupt nichts vom Gebiet und sagten trotzdem Nein. Das sei nur für Kriminelle. In der Schweiz war so viel Brainpower vorhanden. Die sind grösstenteils alle ins Ausland gegangen. In den USA wurden sie mit Angeboten überhäuft und haben Grosses geleistet.

Was sind das für Leute, die Bitcoins schürfen? Alles Nerds?
Die gibt es auch. Aber sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Banker, Naturwissenschaftler, Ökonomen, Börsianer. Die Motivation hat sich verschoben. Früher waren es eher Idealisten, eine etwas anarchische Szene. Das Ziel war, ein unabhängiges digitales Zahlungssystem zu entwickeln und betreiben. Heute wollen die meisten Neueinsteiger hauptsächlich Geld verdienen.

Miner Guido Rudolphi (56)

Den Zürcher fasziniert das Internet, seit es existiert. So wurde er zuerst als Hacker bekannt, später wechselte er auf die Seite der Internet-Forensiker. Für Polizei, Versicherungen und Banken stöbert er verschwundene Vermögen auf, sichert Spuren im Internet. Für die Medien ist er ein gefragter Experte in Sachen Internet-Sicherheit. Seit 2009 beschäftigt er sich mit Bitcoins. Er hat schon mehrere Bitcoin-Minen betrieben.

Den Zürcher fasziniert das Internet, seit es existiert. So wurde er zuerst als Hacker bekannt, später wechselte er auf die Seite der Internet-Forensiker. Für Polizei, Versicherungen und Banken stöbert er verschwundene Vermögen auf, sichert Spuren im Internet. Für die Medien ist er ein gefragter Experte in Sachen Internet-Sicherheit. Seit 2009 beschäftigt er sich mit Bitcoins. Er hat schon mehrere Bitcoin-Minen betrieben.

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