Bern, Luzern, Zermatt
So federn Schweizer Hotspots den Massentourismus erfolgreich ab

Je mehr Touristen, desto besser, würde man meinen: Tourismusorte leben von den Gästen. Doch wird ein Ort zum Hotspot, droht den Einheimischen auch Frust. Schweizer Destinationen haben Rezepte dagegen entwickelt.
Publiziert: 19.04.2023 um 08:45 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2023 um 08:59 Uhr
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Städte wie Venedig ...
Foto: AFP
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Touristinnen und Touristen sind hochwillkommen, schaffen sie doch Arbeitsplätze, bringen Wohlstand und beleben ganze Talschaften oder Städte. Kommen aber zu viele Gäste, schlägt die Stimmung bei Teilen der Lokalbevölkerung um. Verstopfte Strassen, eine Verknappung des Wohnraums und Umweltzerstörung sind nur einige der Probleme, die Touristenmassen für Regionen mit sich bringen können.

Das kennt man aus Städten wie Venedig (Italien), Dubrovnik (Kroatien) oder Barcelona (Spanien), in Ansätzen aber auch in der Schweiz. Besonders in Luzern und Interlaken BE sorgten die Touristenmassen jahrelang für Unmut. Aufgrund der laufenden Erholung des Tourismus nehmen solche Diskussionen in der Bevölkerung wieder Fahrt auf.

Berner und Luzerner wehren sich

Viele Luzernerinnen und Luzerner störten sich bis zum Ausbruch der Pandemie an den vielen Bussen mit Tagestouristen und Kurzaufenthaltern, welche die Altstadt verstopften – und zu einem wachsenden Angebot an Ferienwohnungen führten. Deshalb stimmten sie im März dafür, dass Wohnungen maximal noch 90 Tage im Jahr für Kurzzeitaufenthalte vermietet werden dürfen. In Bern entschied die Stadtbevölkerung letztes Jahr, dass in Altstadthäusern nicht mehr alle Wohnungen gewerbsmässig als Ferienwohnung angeboten werden dürfen.

Die beiden Städte verzichten seit dem letzten Jahr auf Werbung in den Fernmärkten, wo die Mehrheit der Reisegruppen herkommt. Das kommt aber in Teilen der Hotellerie gar nicht gut an. Dieser fehlt das Verständnis, dass man nach den schwierigen Corona-Jahren nun auf gewisse Gästegruppen verzichten möchte. «Viele Ausflugsbahnen und Hotels haben ihre Kapazitäten auf grosse Gästezahlen ausgerichtet. Wer viel in neue Infrastrukturen investiert hat, kann die Produktgestaltung nicht innerhalb kurzer Zeit komplett verändern», sagt Monika Bandi Tanner (40), Co-Leiterin Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern.

Ganz untätig bleibt die Hotellerie aber nicht: Viele Betriebe bieten ihre Zimmer nur noch ab einer Mindestaufenthaltsdauer an. Das kann für ein wenig Beruhigung sorgen.

Städte haben Problematik unterschätzt

Die Regierungen mehrerer Schweizer Städte haben das Ausmass der Zweitwohnungsproblematik lange Zeit unterschätzt: Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Raumplanung zeigen, dass Genf einen Zweitwohnungsanteil von 19,5 Prozent aufweist. In St. Gallen sind es 15,5 Prozent. Und in Luzern, Basel, Lausanne VD und Lugano TI, Biel BE und Bern zwischen 11,4 und 14,6 Prozent.

In der Stadt Zürich, wo die Wohnungsnot am akutesten ist, sind es knapp 10 Prozent. Das Geschäft mit Business-Apartments und Ferienwohnungen floriert. Wie in den internationalen Tourismus-Hotspots können auch hiesige Eigentümerinnen und Eigentümer auf diese Weise ihre Renditen optimieren. Von Verhältnissen wie in Venedig ist man aber nach wie vor weit entfernt. Dort haben die Airbnb-Angebote das alte Zentrum stark entvölkert.

Ein Problem, das die Bewohner in alpinen Tourismusregionen wie dem Engadin GR oder in Destinationen wie Zermatt VS ebenfalls kennen: Erstwohnungen fehlen an allen Ecken und Enden. Wohnungen, die vor 2012 erstellt wurden, können gemäss Zweitwohnungsgesetz nach wie vor in Ferienwohnungen umgebaut werden. Das ist für die Besitzer meist deutlich lukrativer. Die Gemeinde versucht, mit der Förderung von Erstwohnungen Gegensteuer zu geben.

Chance und Gefahr für Tourismusorte

Auch in Zermatt ist die steigende Zahl von Tagestouristen immer wieder ein emotionales Thema. Asiatische Gäste, welche den Ort für ein Matterhorn-Selfie ansteuern, bringen vor allem der Ausflugsbahn auf den Gornergrat oder den Souvenirläden und einigen Gruppenunterkünften Einnahmen. Viele Hotels und Restaurants profitieren von anderen Gästegruppen hingegen deutlich stärker.

Für Monika Bandi Tanner ist der Mix entscheidend: «Die Fernmärkte mit ihrem Gruppengeschäft ermöglichen der Destination, einen Ganzjahresbetrieb anzustreben. Sie helfen also, das touristische Potenzial auszuschöpfen. Zu viele Gäste können den Tourismus jedoch gefährden.» Die Touristen-Hotspots seien selber in der Verantwortung, welche Gästezahlen und -verhalten für die Menschen, den Ort und die Umwelt verträglich seien. Wichtig aber sei, so Bandi Tanner, dass diese Diskussionen geführt werden.

Die Zermatt Bergbahnen versuchen einen Balanceakt: Im Sommer eröffnen sie mit dem Alpine Crossing eine neue Ausflugsbahn und Verbindung nach Italien, die viele Tagesgäste anlocken soll. Gleichzeitig fördert sie mit ihren Angeboten längere Gästeaufenthalte.


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