Vor den Zürchern ist niemand mehr sicher! Überall hin schwärmen die Städter aus. Sie ziehen in angrenzende Gemeinden wie Wallisellen, Regensdorf, Rümlang und Opfikon. Aber auch weiter hinaus nach Winterthur, Rheinau und Wetzikon. Kein Wunder. Denn in der Stadt fehlt der Platz.
Die Wohnungsleerstände sind in Zürich jetzt schon historisch tief. Gleichzeitig steigt die Anzahl Wohnungssuchender aufgrund des Beschäftigungswachstums in Zürich dieses Jahr voraussichtlich um 9000 Personen. Das zeigen neue Zahlen der Zürcher Kantonalbank ZKB.
Andrang auf gut erschlossene Gemeinden
In einer Studie hat die Bank erstmals untersucht, wohin die Menschen gehen, die in der Stadt keine Wohnung mehr finden. Das Resultat: Sie ziehen vor allem dort hin, wo die Verbindungen mit dem ÖV in die Stadt gut sind.
Oft sind das umliegende Gemeinden. Aber auch weiter aussen ziehen vermehrt Zürcher ein. Beispielsweise in Frauenfeld und Schaffhausen, weil die Städte gut erschlossen sind. «Auch in den Aargau zieht es Städter vermehrt», sagt Ursina Kubli (43), Leiterin Immobilien Research. Dort sind laut den Daten Wettingen und Baden besonders anziehend.
Über die Kantonsgrenze hinaus
Die akute Wohnungsnot in Zürich hat also über die Kantonsgrenze hinaus Folgen. Heisst das auch, dass ausserhalb von Zürich bald Zürcher Mietverhältnisse herrschen? Das hängt stark davon ab, wie gut die einzelnen Gemeinden die steigende Nachfrage abfedern können. «Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird in einigen Regionen zunehmen», sagt Kubli. Das heisst: Die Mieten werden steigen und es wird schwierig, eine neue Wohnung zu finden.
Besonders hoch ist der Druck beispielsweise in Wallisellen, Rümlang, Opfikon, Rheinau und Kleinandelfingen. Rümlang wächst relativ zur Bevölkerung um rund 1,2 Prozent. Dazu komm noch knapp 1,4 Prozent Interesse aus anderen Gemeinden – also Zuzüger. Die tiefen Leerstände von 2,2 Prozent und die geringe Bautätigkeit führen dazu, dass Rümlang dieses zusätzliche Interesse nicht bedienen kann. Das heisst: Die Angebotsmieten werden steigen.
Kleine Gemeinden wachsen
Auch Kleinandelfingen wächst kräftig. Den Anwohnern fällt auf, dass sich einiges verändert: «Es ist sehr viel gebaut worden in der letzten Zeit. Die Preise fürs Wohnen haben sich verteuert», sagt Brigitte Gehring (58) zu Blick TV. Sie und ihre Tochter führen einen Blumenladen im Dorf.
Doch nicht überall müssen Wohnungssuchende Schlange stehen. Volken beispielsweise wird Zuzüger gut aufnehmen können. Weil die Leerstände dort mit über drei Prozent im Vergleich zum Schweizer Schnitt hoch sind und eine rege Neubautätigkeit herrscht. Dasselbe gilt für Dübendorf, Berg am Irchel und Elsau.
Auch andere Städte sind betroffen
Es sind aber nicht nur Zürcher, die ausschwärmen. Auch in anderen Städten der Schweiz ist dieses Verhalten zu beobachten. «Das ist ein Phänomen der Grossstädte, die sehr beliebt sind», sagt Patrick Schnorf (48), Partner des Beratungsunternehmens Wüest Partner. Neben Zürich sind das Lausanne, Genf, Basel und Bern. Der Bedarf an Wohnungen ist dort allein aufgrund der Anzahl Arbeitsplätze sehr gross. Und kann nicht mehr gedeckt werden.
In all diesen Städten sind jeweils die ersten angrenzenden Gemeinden sehr gefragt. «Solche Agglomerationen wachsen stärker als die Städte selbst, und die Nachfrage nach Wohnungen ist grösser als das Angebot», sagt Schnorf. Dadurch steigen Mieten stärker als im Schweizer Durchschnitt. Bisher nahm der Mietzins in solchen Gemeinden pro Jahr 1,5 Prozent oder mehr zu. In den nächsten zwei Jahren dürfte die Zunahme noch höher ausfallen. «Möglich sind Anstiege um bis zu 4 Prozent», sagt Kubli.
Neuer Wohnraum wird zum Politikum
Die Situation ist ernst und wird sich noch zuspitzen. Es braucht jetzt – mehr denn je – neue Wohnungen, darin sind sich die Experten einig. «Wir müssen nun alle Energie darauf setzen, neuen Wohnraum zu ermöglichen», sagt Kubli. Problem: In der Schweiz ist das nicht so einfach. «Die Anzahl Einsprachen hat ein ungesundes Mass angenommen», sagt Kubli. Das gelte nicht nur für die Städte, sondern auch auf dem Land. Es ist zu einem schweizweiten Problem geworden.
Kubli plädiert dafür, die Möglichkeiten für Rekurse einzuschränken. Beispielsweise, indem man die individuellen Interessen künftig weniger schützt als die der Allgemeinheit. Man müsse sich die Frage stellen: Was ist wichtiger – Wohnraum für alle oder Lärmschutz für einige wenige?
Es braucht immer mehr Wohnraum für die wachsende Schweizer Bevölkerung – und trotzdem werden immer weniger Baugesuche eingereicht. Warum? Als Grund nennt die ZKB in ihrer Immobilien-Studie die baulichen Rahmenbedingungen: Der Wohnungsbau gleicht einem Hürdenlauf.
Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauert es heute im Schnitt 140 Tage. Das ist 67 Prozent länger als noch 2010. Je dichter ein Gebiet besiedelt ist, desto grösser sind die Verzögerungen. Das führt dazu, dass es im Kanton Zürich fast 200 Tage dauert, bis ein Gesuch bewilligt wird. Am längsten muss im Kanton Genf auf eine Bewilligung gewartet werden – 500 Tage.
Aber auch nachdem die Bauherren die Bewilligung im Sack haben, kann noch einiges schiefgehen. «Einsprachen werden nicht umsonst als fünfte Landessprache bezeichnet», sagt Ursina Kubli (43), Leiterin Immobilien Research bei der ZKB. Trotz Baubewilligung wird jede zehnte Wohnung nicht realisiert. Dadurch fehlen dem Mietwohnungsmarkt jährlich 4000 Wohnungen – Tendenz steigend. (kae)
Es braucht immer mehr Wohnraum für die wachsende Schweizer Bevölkerung – und trotzdem werden immer weniger Baugesuche eingereicht. Warum? Als Grund nennt die ZKB in ihrer Immobilien-Studie die baulichen Rahmenbedingungen: Der Wohnungsbau gleicht einem Hürdenlauf.
Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauert es heute im Schnitt 140 Tage. Das ist 67 Prozent länger als noch 2010. Je dichter ein Gebiet besiedelt ist, desto grösser sind die Verzögerungen. Das führt dazu, dass es im Kanton Zürich fast 200 Tage dauert, bis ein Gesuch bewilligt wird. Am längsten muss im Kanton Genf auf eine Bewilligung gewartet werden – 500 Tage.
Aber auch nachdem die Bauherren die Bewilligung im Sack haben, kann noch einiges schiefgehen. «Einsprachen werden nicht umsonst als fünfte Landessprache bezeichnet», sagt Ursina Kubli (43), Leiterin Immobilien Research bei der ZKB. Trotz Baubewilligung wird jede zehnte Wohnung nicht realisiert. Dadurch fehlen dem Mietwohnungsmarkt jährlich 4000 Wohnungen – Tendenz steigend. (kae)