So sieht es in der Aargauer Geistersiedlung heute aus
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Besuch im Pfalzpark in Staufen:So sieht es in der Aargauer Geistersiedlung heute aus

Plötzlich voller Leben!
Geistersiedlungen sind jetzt heiss begehrt

Einst herrschte hier gähnende Leere. Jetzt steht selbst in ehemaligen Geistersiedlungen der Kantone Aargau und Bern keine Wohnung mehr leer. Die Wohnungsnot in den Städten treibt die Leute aufs Land.
Publiziert: 10.03.2023 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2023 um 09:17 Uhr
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Kinder spielen vor dem vollen Veloständer. In der ehemaligen Geistersiedlung Dreilinden in Langenthal BE ist Leben eingekehrt.
Foto: Philippe Rossier

Kindervelos stehen vor dem Eingang. Die Parkplätze sind alle besetzt. Schon auf den ersten Blick wird klar: In der Wohnsiedlung Neugrüen in Mellingen AG ist Leben eingekehrt. Auch in der Siedlung Dreilinden in Langenthal BE sind die Veloständer voll. Kinderstimmen hallen zwischen den ehemals stillen Betonblöcken.

Das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren berichtete Blick von der Geistersiedlung Neugrüen. In der Überbauung stand Ende 2016, fast drei Jahre nach der Fertigstellung, ein knappes Drittel der 147 Mietwohnungen und -häuser leer. In der Überbauung Dreilinden in Langenthal waren 2017 gerade mal 9 von 38 Wohnungen vermietet – über ein Jahr nach der Fertigstellung.

Mellingen und Langenthal gehören zu den Schweizer Gemeinden mit überdurchschnittlich hohen Leerständen. Noch 2019 waren in Mellingen 7,13 Prozent aller Wohnungen leer. Der Schweizer Durchschnitt lag damals bei 1,66 Prozent. 2022 sind die Leerstände in Mellingen auf 2,74 Prozent gesunken.

Geistersiedlungen sind Geschichte

Das spiegelt sich in der ehemaligen Geistersiedlung Neugrüen wider. Die Wohnungen sind voll. Ernst Brunner (83) zog direkt nach Fertigstellung der Überbauung ein. «Damals hatten wir eine grosse Auswahl an Wohnungen zur Verfügung und haben uns für das hinterste Haus im Parterre entschieden», sagt er zu Blick. Brunner ist glücklich hier. «Wir haben 30 Jahre in der Stadt Zürich gewohnt – aber hier gefällt es mir besser, weil es sich mit dem Hund besser leben lässt», sagt er. Es sei eine ruhige Lage. «Am lautesten ist es, wenn der Kinderhort einen Spaziergang macht, aber das ist ja herzig», so Brunner. Auch viele Familien seien hier eingezogen, der Spielplatz sei oft voll.

Leon Baldinger (26) führt ein Mountainbike-Geschäft in der Siedlung. Er ist froh, dass in Neugrüen Leben eingekehrt ist. Seit September 2020 mietet er hier einen Gewerberaum. «Schon damals war es sehr gut vermietet – aber jetzt sind, glaube ich, fast alle Wohnungen besetzt», sagt Baldinger. Die Lage sei optimal, weil man gut erreichbar ist. «Wir haben Kunden aus Zug, Zürich, Luzern, Basel und dem ganzen Aargau.»

Die Neubauten zogen Menschen an

Auch in Staufen AG wurde noch vor wenigen Jahren eine neue Wohnsiedlung nach der anderen aus dem Boden gestampft. Die Leerwohnungsziffer hatte sich zwischen 2012 und 2017 auf 3,7 Prozent verfünffacht. Von 2015 bis 2017 wurden dort 313 Baubewilligungen erteilt. Der Hauptgrund dafür war im Esterli-Flöösch-Quartier zu finden.

Blick war Ende 2017 in der Aargauer Gemeinde, als die Neubauten fertiggestellt waren – und monatelang fast leer standen. Ein Blick in die Überbauung Pfalzpark zeigte eine menschenleere Siedlung: Gerade mal 13 der 51 Wohnungen waren in der Geistersiedlung vermietet. Die Bilder, die Blick damals publizierte, sahen aus wie Visualisierungen des Bauprojekts: dunkle Fenster, dahinter gähnende Leere. Keine Menschen. Nicht einmal Pflanzen auf den Fenstersimsen oder Möbel auf den Balkonen. Nichts, das auf Bewohner hingewiesen hätte.

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Heute sieht alles anders aus. Die ehemalige Geistersiedlung ist zu neuem Leben erwacht. Blick TV trifft auf eine Anwohnerin, die mit ihrer Familie in einer 5,5-Zimmer-Wohnung der Siedlung wohnt. «Wir wohnen sehr gerne hier», sagt die Frau, die anonym bleiben möchte. Die Gegend sei ruhig und super für die Kinder. «Sie können hier ruhig auf dem Spielplatz spielen, den ich von der Wohnung aus stets im Blick habe», so die Mutter. Sie wolle nicht mehr weg von hier. Die Leerstandsziffer ist in Staufen inzwischen auf 1,78 Prozent gesunken.

Heute sind die Siedlungen voll

Die Immobilienverwaltung Wincasa bestätigt gegenüber Blick, dass im Neugrüen in Mellingen aktuell alle Wohnungen besetzt sind. «Derzeit gibt es keine leerstehenden Wohnungen in der Überbauung», sagt Wincasa-Sprecher Janos Kick. Die Eigentümer der Siedlung Pfalzpark wollen auf Anfrage nicht Stellung nehmen. Doch ein Blick auf die Immobilienportale zeigt: Zurzeit sind keine Mietobjekte an dieser Adresse ausgeschrieben.

Wurden institutionelle Anleger, die vor wenigen Jahren abseits der Städte Wohnblöcke in die Höhe zogen, noch belächelt, so dürfte heute klar sein: Die Rechnung ist für sie aufgegangen. Die Wohnungsnot in den Städten treibt die Leute aufs Land. Der Platz wird eng, selbst in Geistersiedlungen. Zwar herrscht im Aargau noch keine Wohnungsnot. Doch selbst ehemalige Geistersiedlungen sind heute gut belegt.

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