«Alpen-Exodus» der Superreichen
Immer mehr Kronen-Milliardäre flüchten in die Schweiz

Insgesamt 47 der 400 reichsten Norweger haben ihren Wohnsitz in der Schweiz. Deren Vermögen beläuft sich auf über 33 Milliarden Franken.
Publiziert: 01.10.2023 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2023 um 15:54 Uhr
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Zug, Lugano TI, Andermatt UR, Hergiswil NW (Bild) – das sind die bevorzugten Schweizer Niederlassungsorte der reichen Norweger.
Foto: Pixabay
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

In regierungsnahen Kreisen in Norwegen verkommt der Begriff «Schweiz» dieser Tage zu einem Fluchwort. Kein Wunder: Seit zwei Jahren flüchten die reichsten Norweger im grossen Stil aus dem Land, um der dortigen Steuerpolitik zu entkommen. Und die allermeisten davon zieht es in die Schweiz.

Die jüngste Liste der 400 reichsten Norweger, publiziert vom Wirtschaftsblatt «Finansavisen», sorgt zumindest aus norwegischer Sicht für beunruhigende Lektüre. 75 der 400 Reichsten haben ihren Wohnsitz im Ausland, davon 6 aus den Top 10. Vor Jahresfrist waren es erst 41 im Ausland, und 4 aus den Top 10. Inzwischen wohnt also jeder fünfte schwerreiche Norweger im Ausland.

Von diesen 75 ausserhalb des Landes ansässigen reichsten Norwegern wohnen 47 in der Schweiz, also fast zwei Drittel. Anders formuliert: Jeder neunte superreiche Norweger wohnt in der Schweiz. Das zweitbeliebteste Auswandererland für die Reichen ist Grossbritannien mit gerade mal 12 superreichen Norwegern.

Milliardensegen für die Schweiz

Vom Vermögen, das die Nordländer aus dem Land schaffen, geht fast die Hälfte in die Schweiz: 375 Milliarden Kronen, umgerechnet 33 Milliarden Franken, sind die 47 «Steuerflüchtigen» wert. Wobei das längst nicht alle sind. In den vergangenen zwei Jahren sind rund 400 Personen aus Norwegen in die Schweiz gezogen, die meisten davon darf man als «vermögend» bezeichnen.

Insgesamt 20 der 400 norwegischen Kronen-Milliardäre sind auch in Franken gemessen Milliardäre. 10 von ihnen wohnen in der Schweiz:

  • Odd Reitan* (Detailhandel, Immobilien, Finanzen)
  • Kjell Inge Røkke (Marinetechnologie)
  • Torstein Hagen* (Reederei)
  • Stein Erik Hagen (Nahrungsmittel, Industrie, Finanzen, Medien)
  • Ivar Erik Tollefsen* (Immobilien)
  • Bjørn Rune Gjelsten* (Immobilien, Industrie, Sport)
  • Svein Støle (Finanzen)
  • Lars Wenaas* (Textilien, Hotellerie, Schifffahrt)
  • Arne Alexander Wilhelmsen (Reederei)
  • Bent Christian Wilhelmsen (Reederei)

Jene mit *-Markierung wohnen genau genommen nicht in der Schweiz, haben aber ihren in die Schweiz gezogenen Erben den allergrössten Anteil ihres Vermögens bereits übertragen. Beispielsweise wohnen Viktoria und Kristoffer Reitan, die Enkel von Odd Reitan, in Genf. Nina Tollefsen, Tochter von Ivar Erik Tollefsen, zog jüngst nach Lugano TI um. Ingrid Gjelsten, Tochter von Bjørn Rune Gjelsten, wohnt in Hergiswil NW.

Es sind aber nicht alle erst seit den Steuerverschärfungen in die Schweiz gezogen: Torstein Hagen etwa zog bereits 1985 in die Schweiz. Seine Reederei Viking Cruises ist in Basel beheimatet.

Kampf um die Norweger

Manche Schweizer Orte haben das Potenzial erkannt, das in den auswanderungswilligen Norwegern steckt. Andermatt Swiss Alps beispielsweise vermarktet seine luxuriösen Liegenschaften vor Ort in Norwegen. Andere scheinen einfach Glück zu haben: So wohnen gleich mehrere vermögende Norwegerinnen und Norweger in Hergiswil NW. Wintersportass Bjørn Dæhlie, der 2022 nach Zug übersiedelte, wohnt inzwischen ebenfalls in Hergiswil. Diana Hartz, Leiterin Wirtschaftsförderung in der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Nidwalden, versichert gegenüber Blick: «In Norwegen war die Wirtschaftsförderung in den vergangenen Jahren nicht aktiv vor Ort.» Die Akquisition im Ausland erfolge «in einem sehr überschaubaren Ausmass» durch aktive Standortmarketing-Projekte im Ausland, hauptsächlich aber durch das Bearbeiten von direkt erfolgten Anfragen.

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Es scheint, als ob sich in gewissen Schweizer Regionen «Grüppchen» vermögender norwegischer Expats bilden. Diese sind untereinander bestens vernetzt und betreiben indirektes Standortmarketing. Eine aktive Akquisition lohnt sich dennoch für potenzielle Schweizer Reichen-Wohnorte.

Aktuell befürchten vermögende Norweger nämlich weitere Verschärfungen des Steuerrechts und zeigen hohe Bereitschaft zum Wegzug. Wie lange Norwegen dem Exodus von Vermögen und wirtschaftlichem Know-how noch zusieht, steht auf einem anderen Blatt. Manche Ausgewanderte haben bereits signalisiert, dass sie bei einer Lockerung des Steuerregimes durchaus gewillt wären, in die Heimat zurückzukehren.

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