Die «Lachswanderung» hält an. Selbst Schweizer Steuerexperten sind noch immer perplex über die Grösse und Schnelligkeit, mit welcher reiche Norweger seit letzten Herbst vor dem Fiskus in die Schweiz fliehen. «So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt Philipp Zünd von KPMG, dessen Team bis zu zwanzig Norwegerinnen und Norweger betreut. «Das Interesse ist so hoch, dass sich fast wöchentlich neue Interessenten melden», sagt auch Jürg Niederbacher, Partner bei PwC.
Die Steuerexperten beobachten: Aktuell baut sich die zweite grosse Norweger-Welle auf. Wie die «Handelszeitung» bereits im Februar berichtete, entsteht eine regelrechte Sogwirkung. Die Schweiz gilt als «schick» – wer etwas auf sich hält, zieht vom Fjordland in die Alpenrepublik. Und für einige der Zuzüger ist die Schweiz just sogar attraktiver geworden, weil sich die norwegische Steuerverwaltung endlich klar zur modifizierten Pauschalbesteuerung positioniert hat.
Wegen des Doppelbesteuerungsabkommens hätte es auch sein können, dass Norwegen jene, die in der Schweiz unter die Pauschalbesteuerung fallen, zusätzlich hätte besteuern können. Nun ist klar, dass pauschalbesteuerte Norweger in der Schweiz ansässig sind, sofern sämtliche norwegischen Einkünfte in der Schweizer Steuererklärung deklariert werden. Die norwegische Quellensteuer können die pauschalbesteuerten Norweger gemäss dem Doppelbesteuerungsabkommen teilweise zurückfordern.
Unter der Pauschalbesteuerung geht Arbeiten nicht
Vielen Neuzuzügern nutzt das Entgegenkommen jedoch nicht. Denn jetzt kommen nicht mehr vor allem jene, die nur noch ihr Geld für sich arbeiten lassen, sondern wie bereits erwartet auch jüngere Unternehmerinnen und Unternehmer. Viele wollen dafür etwa den Hauptsitz ihres Unternehmens verlegen oder eine Managementgesellschaft in der Schweiz gründen, um von hier aus für die norwegische Holding zu arbeiten. Für eine Abschätzung, welche Branchen das betrifft und wie viele Arbeitsplätze dadurch entstehen könnten, ist es noch zu früh. KPMG und PwC bestätigen jedoch, dass die Anzahl Anfragen zugenommen hat.
Dass die Norwegerinnen und Norweger vor Ort arbeiten wollen, ist ein Interessenskonflikt mit der neu von den norwegischen Steuerbehörden abgesegneten und besonders attraktiven Versteuerung. «Unter der Aufwandbesteuerung dürfen sie nicht arbeiten», sagt KPMG-Steuerexperte Philipp Zünd. Auch Homeoffice ist nicht erlaubt.
Steuerflucht aus Norwegen
Das führt zu einem Trend, welcher der Schweiz gefallen dürfte: Statt von hier aus für norwegische Unternehmen zu arbeiten, suchten sich Führungskräfte hierzulande neue Jobs, Unternehmerinnen und Unternehmer gründeten gleich ganz neue Firmen. Die «Handelszeitung» berichtete im Mai etwa über eine Firmengründung in Luzern. Ein anderer Norweger soll ein kleines Hotel im Wallis erworben haben.
In vielen Fällen sind normale Steuern sogar billiger
Auch Jürg Niederbacher von PwC beobachtet, dass viele, die herkommen, auch hier arbeiten wollen – teilweise für die gleiche Firma wie zu Hause. Jeden Fall müsse man sich individuell anschauen. Ob für Zuzüger die Pauschalbesteuerung oder eine ordentliche Besteuerung mehr Sinn macht, hänge von den Gesamtumständen ab. Besonders aber von der Wahlgemeinde.
«Wenn einer mit 20 Millionen Vermögen nach Wollerau zuzieht, zahlt er dort rund 0,15 Prozent Vermögenssteuer – also 30’000 im Jahr. Dann kann er sogar noch Einkommen haben und liegt trotzdem tiefer als bei der Pauschalbesteuerung», sagt Niederbacher.
Nur in den ganz hohen Vermögensklassen kann es sich für die Zuzüger lohnen, die Arbeit einzustellen und die Pauschalbesteuerung zu wählen. Die Steuerexperten rechnen damit, dass das etwa ab 50 Millionen Franken Vermögen der Fall ist.
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