Wer sich in Kreuzlingen TG, Rafz ZH oder Basel eine neue Küche einbauen lässt, ist mit einem deutschen Betrieb finanziell besser bedient. Das Einsparpotenzial ist enorm. Bis zu einem Drittel aller Aufträge geht in Grenzregionen an ausländische Anbieter.
Um die Schweizer Handwerksbetriebe vor dieser ausländischen Konkurrenz zu schützen, gelten in der Schweiz die sogenannten flankierenden Massnahmen.
Sie schreiben unter anderem vor, dass der deutsche Handwerksbetrieb seine Angestellten nicht zu Dumpinglöhnen nach Kreuzlingen entsenden darf. Sie müssen für ihren Auftrag hierzulande genauso viel verdienen wie ein vergleichbarer Schweizer Arbeiter.
Allein auf weiter Flur
Diese flankierenden Massnahmen stellt die liberale Denkfabrik Avenir Suisse in ihrer aktuellen Studie zum Lohnschutz nun infrage. Die Argumentation: Kurzaufenthalter – etwa der deutsche Küchenmonteur – leisten weniger als ein Prozent des Schweizer Arbeitsvolumens.
Gesamtwirtschaftlich falle das kaum ins Gewicht. Entsprechend klein sei die Gefahr, dass die Löhne in der Schweiz ohne flankierende Massnahmen tatsächlich unter Druck kämen.
Mit der Forderung nach einem Ende der flankierenden Massnahmen steht Avenir Suisse allein auf weiter Flur. Längst nicht nur die linken Gewerkschaften beharren auf den Flankierenden. «Eine Abschaffung steht überhaupt nicht zur Diskussion», sagt etwa Hans-Ulrich Bigler (64), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV).
An der Urne zum Scheitern verurteilt
Roland Müller (59), Direktor des Arbeitgeberverbands, legt nach: «Jedes Jahr werden Verstösse gegen die flankierenden Massnahmen aufgedeckt und Bussen verteilt.» Das zeige, dass der Lohnschutz notwendig sei.
Die Befürchtung: Eine Abschaffung der flankierenden Massnahmen würde Lohndumping und Schwarzarbeit Tür und Tor öffnen. Auch der Bundesrat hat die flankierenden Massnahmen wiederholt als «rote Linie» bezeichnet – und unter anderem für sie gar das Rahmenabkommen mit der EU geopfert.
Avenir Suisse blende mit der Forderung nach einem Ende der Flankierenden den politischen Kontext aus, heisst es aus Wirtschaftskreisen. Damit es in der Schweiz überhaupt Mehrheiten für die Zusammenarbeit mit der EU gibt, sind Massnahmen zum Lohnschutz unumgänglich. Alles andere wäre an der Urne zum Scheitern verurteilt.