Darum gehts
- Lukas Britschgi: Ungewöhnlicher Weg zum Eiskunstlauf-Europameister
- Britschgi bevorzugt normales Umfeld statt früher Sportschule
- Ab Donnerstag gehts an der WM auch um den Olympia-Quotenplatz
Eigentlich erfüllt Lukas Britschgi (27) das Klischee völlig. Es war seine Mutter Gabi, die den Schaffhauser zum Eiskunstlaufen brachte. Aber eine klassische «Eislauf-Mum», die den Sohn zum Spitzensportler drillt? Nein, da endet das Klischee ganz schnell. Mama Britschgi nahm zwar Klein Lukas und dessen Bruder mit auf die Eisbahn in Frauenfeld TG, wo sie selber Eistanz-Unterricht gab. Doch der Schaffhauser wurde nie von der Mutter trainiert, er macht seinen eigenen, ungewöhnlichen Weg an die internationale Spitze.
Britschgis Rezept, das ihn nun als Europameister an der WM in Boston (USA) starten lässt? Auf keinen Fall sich mit Haut und Haar dem Sport verschreiben. Er sagt: «Es gibt viele Athleten, die schon früh eine Sportschule besuchen und das ganze Leben danach ausrichten. Das hätte mir nicht gutgetan. Das Beste, was mir passieren konnte, ist mein ganz normales Umfeld.»
Eigentlich wäre Britschgi auch gerne Mannschaftssportler geworden
Blick trifft Britschgi vor der Abreise an die WM am Rhein in seiner Schaffhauser Heimat. Obwohl seine Trainingsbasis im deutschen Oberstdorf liegt und er viel Zeit dort verbringt, ist er mit Schaffhausen stark verbunden geblieben. Seine Eltern leben da, sein Kollegenkreis ist nach wie vor hier. «Meine besten Kollegen haben alle keinen Plan vom Eislaufen», sagt er schmunzelnd. «Natürlich verfolgen sie meine Wettkämpfe. Aber sie verfolgen genauso anderen Sport wie etwa die Spielvi.»
Das ist die Spielvereinigung Schaffhausen, der lokale Fussballklub aus der 1. Liga. Britschgi sagt sogar mit Blick auf die fussballspielenden Kollegen: «Manchmal vermisse ich es, wegen des sozialen Aspekts, kein Mannschaftssportler geworden zu sein.»
Aber eben: Das Talent auf dem Eis war bei Britschgi schon immer vorhanden. Er trainiert auch schon während seiner Jugend ambitioniert, doch daneben läuft sein Leben ganz normal weiter. Auch Ausgang mit den Kollegen gehört dazu. «Alles, was man halt so macht», sagt der Spätzünder. Erst mit 20 Jahren wechselt er nach Oberstdorf, wo er nebenher Betriebswirtschaft studiert und nun vor dem Bachelor-Abschluss steht.
Jetzt gehts an der WM in Boston um den Olympia-Startplatz
Zuvor machte der erste Schweizer Europameister seit 78 Jahren die Fachmittelschule in Schaffhausen. Dazu gehörte auch ein Praktikum. «Ich wollte eines im Gesundheitsbereich machen, aber nicht in der Pflege», schildert Britschgi. Es verschlägt ihn als 19-Jährigen während 40 Wochen an die psychiatrische Klinik in Schaffhausen. «Das war eines der lehrreichsten Jahre meines Lebens», sagt er, «ich habe Schönes und weniger Schönes erlebt. Es war sehr wertvoll für mich, ausserhalb des Sports diesen Einblick zu bekommen.»
Der ungewöhnliche Weg von Britschgi an die Weltspitze gipfelte 2022 in seiner ersten Olympia-Teilnahme und nun 2025 im Gold-Coup an der EM in Tallinn. Dieses Wochenende (Kurzprogramm Donnerstag, Kür in der Nacht auf Sonntag, live Eurosport) fährt er in Boston um den Schweizer Olympia-Quotenplatz für Mailand 2026. Ein höheres Ziel setzt sich Britschgi nicht – auch weil er kurz nach dem EM-Titel bei einem Trainingssturz am Art on Ice eine Schnittwunde am Gesäss erlitt, die sich infizierte und zu einer Not-OP führte. «Die Vorbereitungszeit war dadurch knapp. Für die Top Ten wie letztes Jahr wirds eine sehr gute Leistung brauchen.»
Mailand ist das grosse Ziel. Und dann ist da noch die Heim-WM 2027 in Lausanne, die sich Britschgi gut als möglichen Karriereabschluss vorstellen kann.