Natürlich, die Queen ist eine imponierende Persönlichkeit. Die Grossmutter der Welt. Ihr Tod und seine Folgen werden nun als tagelange Doku-Soap inszeniert, die jeden Netflix-Manager vor Neid erblassen lässt. Kein Medium kann sich diesem Bann entziehen.
Wenn der Nachbar stirbt, nehmen die Menschen das mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Wenn zwei 14-Jährige, wie vor wenigen Tagen im Tessin passiert, beim Wandern abstürzen, ein anderer gleichaltriger Knabe zu Hilfe eilt und auch abstürzt, ist das eine Tragödie. Junge Menschen, die das ganze Leben vor sich haben. Oder gehabt hätten.
Aber auch das nimmt man mehr oder weniger gelassen zur Kenntnis. Aber wenn eine 96-jährige Engländerin nach erfülltem Leben friedlich eingeschlafen ist, dann dreht die Welt am Rad. Und am Rande des Wahnsinns.
Muss ich da auch Tränen vergiessen, Schwarz tragen, Blumen in den Wind streuen und mir von der Krankenkasse eine Traumatherapie absegnen lassen? Nein, man kann auch den Kopf schütteln.
Offenbar sind die Menschen auch im Jahr 2022 noch bemerkenswert obrigkeitsgläubig. Brauchen Ikonen für ihre Sehnsüchte, wollen an der Hand durchs Leben geführt werden und jemandem am Rockzipfel hängen. Sie geben ihr letztes Hemd dafür.
Staatsoberhäupter aus aller Welt pilgern jetzt nach London. Als gäbe es kein wichtigeres Traktandum auf dieser Erde. Allein die Sicherheitskosten für die Beerdigung verschlingen Dutzende von Millionen.
Dabei wird in diesen Tagen alles ausgeblendet. Denn an der englischen Krone kleben auch Blut und Elend. Das Vermögen ist dem Volk und den ehemaligen Kolonien gestohlen. Da unterscheiden sich die Königshäuser nicht von der Kirche. Aber das will derzeit niemand hören. Schwülstige Inszenierungen zuhauf stehen auf dem Programm.
Die Monarchie scheint im Aufwind. Das hilft vielleicht auch Charles, um erfolgreich durch seine Amtszeit zu segeln. Die Ohren dazu hat er.
Charles, der mit seinen schlüpfrigen Botschaften an seine damalige Geliebte Camilla eigentlich der Erfinder des Telefonsex ist, trägt nun die Krone. Vielleicht aber ist der Tod der noblen Queen auch eine Zäsur. Und Charles wird ohnmächtig zusehen müssen, wie sich immer mehr Länder vom Commonwealth abwenden und die Monarchie vielleicht doch noch ins Wanken gerät.
Die verklärte und verstörende Heldenverehrung gibt es auch im Sport. Im Fussball vor allem. In Neapel wurde der koksende Diego Maradona verehrt, als wäre er als Leibhaftiger dem Vesuv entstiegen, um die Stadt zu retten. Deutschland hat keinen König. Dafür Kaiser Franz.
Am Ende bleibt, dass die Schweiz das einzige Land ist, das eine kostengünstige Monarchie hat. Wir haben einen Schwingerkönig. Der pendelt nicht auf Kosten der Steuerzahler zwischen Schloss Balmoral und dem Buckingham-Palast.
Der bewirtschaftet einen Hof im Entlebuch. Darum lieber Joel der Erste. Statt Charles der Dritte.
