Das Fussballgeschäft ist schwindelerregend geworden. Spieler kommen und gehen, Trainer wursteln und fliegen. Präsidenten zocken und zittern.
Vereine haben Hunderte von Millionen Schulden und verpfänden ihre Zukunft. Machen aber trotzdem Millionentransfers. Und die Gerüchteküche brodelt mittlerweile 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Die Übersicht zu behalten, ist schwierig. Spielt Paul Pogba noch in Manchester oder ist er wieder zurück bei Juventus oder geht er nach Spanien? Oder besucht er grad seinen Bruder im Gefängnis? Dieser soll ihn erpresst haben. Weil er wohl zu wenig vom Millionenkuchen abbekommt.
Früher gab es den FC Hollywood, und es war ein bajuwarisches Privileg, auch ausserhalb des Oktoberfests für Unterhaltung und Schlagzeilen zu sorgen. Mittlerweile ist die ganze Branche zum FC Hollywood geworden.
Da will Christian Constantin nicht abseitsstehen. Er hat Mario Balotelli, eine der grössten Diven aller Diven, verpflichtet. Das durstige neue Zugpferd ist schon mal mitten in der Nacht durch die Lausanner Ausgehmeile gestolpert, bevor es sich grippegeschwächt eine erste Auszeit gönnt.
Balotelli hat schliesslich auch schon 52 Spielminuten auf dem Buckel. Und die ersten 300'000 Franken auf dem Konto.
Wer nach Konstanz, nach Zuverlässigkeit, nach Loyalität und Klubtreue sucht, der muss immer mehr in die Provinz ausweichen. Dort sind diese Begriffe keine leeren Worthülsen. Dort gibt es auch noch Herzerwärmendes für Fussballromantiker.
Beispielsweise beim FC Thun. Im Berner Oberland hat man vor wenigen Wochen in der Halbzeitpause des Spiels Thun – Lausanne den 89-jährigen Heiri Egger verabschiedet. Egger ist mit 13 Jahren zum FC Thun gekommen. Und hält dem Verein seit 76 Jahren die Treue.
Er war Junior, Spieler, Trainer, führte mit seiner Frau die Vereinsbeiz, hat den Mannschaftsbus gefahren, hat Familienabende und Grümpelturniere organisiert, hat Auf- und Abstiege erlebt, war bei den Thuner Abenteuern in der Champions League dabei.
Er war Materialwart und war mit dem Team auch schon im Trainingslager in Dubai. Als das Lachenstadion bei den Überschwemmungen von 1999 und 2005 unter Wasser stand, ist er mit dem Schlauchboot über den Platz gefahren und hat die Fische beobachtet. Jetzt hat er mit 89 Jahren ganz leise und bescheiden Tschüss gesagt.
Heiri Egger ist in diesem Business reich geworden. Reich an Erfahrungen, an Begegnungen, an Freundschaften. Er ist, bei allem Halligalli und allen Auswüchsen dieses mittlerweile entfesselten Geschäfts, ein Beispiel dafür, wo der Sport und der Fussball seine Seele hat. Es gibt im Fussball nicht nur die Grossmannssucht und dieses entfesselte Monopoly.
Es gibt da draussen immer noch ganz viele Heiri Eggers. Und das ist eine wunderbare Vorstellung.