Nach den schweren Quäl-Vorwürfen von ehemaligen Nati-Athletinnen gegen Cheftrainerin Iliana Dineva im BLICK droht der Rhythmischen Gymnastik weiteres Ungemach: Die Sportart könnte als Spitzensport aus der Schweiz verschwinden. Das zumindest fürchten engagierte Funktionärinnen, die sich für das Wohlergehen der Gymnastinnen einsetzen.
«Es gibt in RG-Kreisen mittlerweile die laut ausgesprochene Vermutung, dass die Ergebnisse der externen Untersuchung, die der STV in Auftrag gegeben hat, dazu genutzt werden könnten, die RG als Spitzensport abzuschaffen», sagt Elisabeth Gehrig-Bossi (Bild), Präsidentin des Regionalen Leistungszentrums (RLZ) Biel.
Der Verdacht: Die STV-Chefs um Zentralpräsident Erwin Grossenbacher, Geschäftsführer Ruedi Hediger und den derzeit suspendierten Spitzensport-Chef Felix Stingelin wollen sich mit der Abschaffung aus der Verantwortung stehlen.
Kulturwandel soll vollzogen werden
Tatsächlich kündigte Grossenbacher in einer STV-Mitteilung «eine Gesamtanalyse der Sportart» an: «Was sind realistische, sportliche Zielsetzungen für die RG?» Bei einem Treffen der STV-Spitze mit den Kantonal- und Regionalturnverbänden Veränderungen sagte er: «Trotz der laufenden Untersuchungen muss es weiter gehen. Der Kulturwandel muss jetzt vollzogen werden. Man kann jetzt nicht einfach abwarten.»
Immerhin: Die Suche nach Nati-Trainerinnen für 2021 läuft. Zudem will der Verband in Biel dereinst eine neue RG-Halle beziehen – eine Absichtserklärung mit der Stadt soll unterzeichnet werden. Klingt das nach RG-Abschaffung?
Kritik am Verband
Gehrig-Bossi bleibt skeptisch. «Wir wollen erst Fakten sehen», sagt sie. «Die Frage ist: Sieht der Verband die RG auch künftig als Spitzen-, oder nur noch als Breitensport?»
Sie kritisiert den Verband weiter. Man sehe sich «mit einer Verbandsführung konfrontiert, die Ethik-Verstösse und damit konkret die Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit von grösstenteils minderjährigen Frauen bislang in unserer Sportart geduldet hat», so Gehrig-Bossi. «Mit der Abschaffung der RG als Spitzensport, einer Idee, mit der wir im Rahmen unserer Ethik-Gespräche mit dem STV konfrontiert wurden, würden sich Fragen der Verantwortlichkeiten auf einen Schlag erledigen.»
Anwälte untersuchen Vorfälle
Das RLZ Biel hatte sich schon im Winter an den STV gewandt, um auf Ethik-Verstösse hinzuweisen. Erst als ein Teil der Vorfälle publik wurde, reagierte der Verband und feuerte Dineva und Assistentin Aneliya Stancheva.
Nun führt die Zürcher Anwaltskanzlei Pachmann eine breit angelegte externe Untersuchung durch. Aktuelle und ehemalige Gymastinnen, Eltern, Trainer und Funktionäre werden in diesen Tagen in einem ersten Schritt per Online-Fragebögen befragt. Bis November soll ein Ergebnis vorliegen.
Bis dahin will sich der STV nicht öffentlich äussern. Man bedaure, dass vom RLZ Biel bereits am Anfang einer «umfangreichen, externen Untersuchung mit mehreren Phasen» einzelne Elemente kommentiert würden, so ein Sprecher. «Die erwähnten Vorwürfe werden Teil der externen Untersuchung sein, welche gerade erst begonnen hat.»