Ein Happening kündigt sich an, kein künstlerisches, vielmehr ein triathletisches. Im Daytona International Speedway, wo sonst die Nascar-Boliden mit 300 km/h donnerkurven, herrscht am Sonntag gar seltsame Ruh. Nicht heulende Motoren und 100'000 kreischende Fans erfüllen die Luft im gigantischen Oval, sondern Schwimmer, die durchs Wasser peitschen, Rennfahrer auf sirrenden Aerovelos und hechelnde Dauerläufer.
«PTO Championship» nennt sich das Spektakel, das im Triathlon neue Massstäbe setzt. PTO steht für Professional Triathletes Organisation, eine Vereinigung der besten Profis, finanziert von zwei US-Investmentfirmen. Ihr Ziel: mehr Wertschätzung, mehr Resonanz und Kohle für die Pros, wie die Szenestars im Jargon heissen. Erstmals trat die PTO kurz nach ihrer Gründung 2019 spektakulär in Erscheinung, als sie beim Versuch scheiterte, die Marke Ironman zu kaufen.
Nun organisiert sie einen Wettkampf der Superlative, eingebettet in ein rigides Corona-Schutzkonzept. Sportler und Helfer werden am Flughafen Daytona abgeholt, getestet und in zwei Hotels beim abgeriegelten Speedway gebracht, wo sie eine Woche leben.
Am Sonntag starten 120 auserwählte Triathletinnen und Triathleten über 2 km Schwimmen, 80 km Radfahren und 18 km Laufen, unter ihnen Nicola Spirig, Andrea Salvisberg, Ruedi Wild und Philipp Koutny aus der Schweiz. Von den Topcracks fehlen nur die Hawaii-Sieger Daniela Ryf, Jan Frodeno und Patrick Lange. Erstmals trifft die Kurz- und Langdistanz-Elite aufeinander. Kurzum: Daytona ist das Rennen des Jahres – und das bestbesetzte der Triathlon-Geschichte.
Heiss wie Frittenfett
Das liegt auch am Preisgeld, das selbst den Mythos Hawaii in den Schatten stellt. Sagenhafte 1,2 Mio. Dollar sind ausgelobt, für Triathleten eine astronomische Summe. Siegerin und Sieger kassieren 100'000 Dollar, selbst die Letztplatzierten 2500 Dollar.
Für solche Peanuts spannt Roger Federer mal ’ne Saite, Triathleten aber erscheinen sie wie eine Bonanza, zumal im Seuchenjahr, das den Triathlonsport beinahe groundete. Ex-Hawaii-Sieger Sebastian Kienle (De) sagt stellvertretend für viele, er sei «heiss wie Frittenfett» – auf Wettkampf, die Besten und die Kohle, mit der «man die Saison machen kann».
Nicola Spirig spielt das attraktive Preisgeld herunter, für sie dient das Rennen «als Motivation, um qualitativ gut im Hinblick auf Olympia zu trainieren». Die Wahrheit liegt wohl dazwischen, in den Worten des Kanadiers Lionel Sanders: «Wer nur wegen des Geldes antritt, wird zerstört werden.»
Einig sind sich die Pros über die Location. «Perfekt für unseren Sport», lautet der Tenor, im Motorsport-Tempel herrsche «eine grossartige Ambiance». Von einer «Revolution» spricht Philipp Koutny und schwärmt von «neuen Ansätzen und der spektakulären Strecke». Die Championship verspricht in der Tat ein Happening zu werden – ein knackiger Drei-Stunden-Quickie statt kaum endende Einsamkeit wie auf Hawaii.
Drama, Baby, Drama!
Geschwommen wird im Lake Lloyd, im Inneren des 115 Hektar grossen Speedways. Auf der ultraflachen, aber windigen Radstrecke (20 Runden à 4 Kilometer) und beim Laufen (vier Runden à 4,5 Kilometer) wird tempogebolzt, bis der Asphalt glüht. Man erwartet Rekordzeiten, gnadenlose Duelle und Drama, Baby, Drama! Manch eine(r) wird falsch rundenzählen, die 20-Meter-Draftregel missachten, die Verpflegung versemmeln und angesichts der omnipräsenten Konkurrenz overpowern – und untergehen.
Wer gewinnt den «Thrilla von Daytona»? Das Männerrennen gleicht einer Wundertüte. Bei den Frauen zählt Spirig zu den Mitfavoritinnen, obwohl sie selbst tiefstapelt: «Ich habe lieber hügelige Strecken, aber ich gebe mein Bestes und schaue, was rauskommt.» Na denn, Good luck bei der Jagd auf die Millionen-Bonanza!
PTO Championship in Daytona/Florida. Livestream am Sonntag auf Ard.de ab 16 Uhr MEZ (Frauen) und 20 Uhr (Männer).