Für die heisse Balkan-Seele ist Federer zu kalt
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So sehen Serben Djokovic und Roger
Für die heisse Balkan-Seele ist Federer zu kalt

Die Welt prügelt auf Novak Djokovic ein. Der Serbe wird nach der Adria Tour und dem Corona-Desaster heftig kritisiert. Doch wie sehen seine Landsleute? SonntagsBlick lässt die Frage von einer Kollegin der serbischen Zeitung «Blic» beantworten.
Publiziert: 04.07.2020 um 23:28 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2020 um 12:26 Uhr
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Zwei Tennis-Superstars, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Foto: keystone-sda.ch
Jelena Medic*

Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Es ist eine Weisheit, die sich am Sonntag, 21. Juni, bestätigt hat. Der Tag, an dem Grigor Dimitrov eingestand, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. Bei der Adria Tour – auch wenn das nie offiziell bestätigt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt dachten alle: «Novak, der König!» Djokovic wurde wirklich in der ganzen Region gefeiert wegen der Idee, mit seiner Tour durch Serbien, Kroatien Montenegro und Bosnien-Herzegowina das Tennis wieder zum Leben zu erwecken. Doch dieser Tag änderte alles.

Nicht in Serbien. Hier verehrt fast jeder Djokovic als Helden. Und zwar noch immer. Die Leute verehren ihn aus vielen Gründen. Sie sehen ihn als den grossen Champion, der er ist. Aber auch als grossartigen Menschen, der immer helfen will. Dem Land und der Welt. Er ist im Umgang mit dem Volk erstaunlich normal, darum lieben ihn alle.

Aber ausserhalb von Serbien war es nach Dimitrovs Veröffentlichung wie ein Kartenhaus, das zusammenfiel. Von diesem Abend an wurde Djokovic zum Sündenbock für einfach alles. Der Schuldige. Vor allem in Kroatien. Für Aussenstehende ist es schwierig, zu verstehen, aber die Leute vom Balkan neigen zu Verschwörungstheorien. Also dachten sie sich auch jetzt viele aus.

Als wäre es seine Schuld gewesen, dass Dimitrov Kontakt zu dem Virus hatte, ganz egal ob das nun in Belgrad war oder nicht. Und die Angriffe wurden sogar noch heftiger, als sich herausstellte, dass auch Djokovic selber positiv für COVID-19 getestet wurde. Feindliche Kritiker aus der ganzen Welt haben den 17-fachen Grand-Slam-Sieger angegriffen und beschuldigten den besten der Welt.

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22. Mai: Novak Djokovic informiert über seine «Adria Tour». Schon damals versammeln sich die Medien dicht gedrängt vor ihm.
Foto: AFP

Aber nicht in Serbien. Die gewöhnlichen Menschen hier glauben noch immer an das Gute und würden ihrem Helden auch im schwierigsten Moment niemals den Rücken kehren. Man glaubt an ihn und weiss, dass ein Mann allein in diesem Fall nicht die kollektive Schuld tragen kann.

Angriff der Medien hat Djokovic nicht verdient

Novak Djokovic fragt sich selbst am meisten, welche Fehler passiert sind und wer schuld daran ist. Er verfolgt die ganzen Corona-Fälle und die Gedanken rasen durch seinen Kopf. Aber Nole weiss, dass er nicht allein ist, was ihm sehr hilft.

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Es ist klar, was die westliche Welt denkt. Und es ist wahr, dass Novak falsch lag. Das hat er auch eingestanden. Aber einen solchen Angriff der Medien – hauptsächlich aus den USA – hat die Weltnummer 1 nicht verdient. Denn Fehler passieren.

Von Federer haben die Serben keine hohe Meinung

Es mag sein, dass dieser Fehler einem immer unvoreingenommenen und unverfänglichen Federer nicht passiert wäre. Aber Djokovic wollte nur das Beste. Und sowieso: Von Federer haben die Leute in Serbien keine sehr hohe Meinung. Nicht, dass sie ihn hassen. Aber er nervt sie mit seiner Kälte. Für die heisse Balkan-Seele ist Federer schlicht zu kalt.

Letztlich weiss niemand, was eigentlich genau passiert ist. Es war eine Verkettung von verschiedenen Ereignissen, die zu diesem Punkt geführt haben. Doch wie kann aus einer noblen und eigentlich fantastischen Idee ein Projekt gemacht werden, das jeder angreift?

Haben alle Djokovics gute Taten vergessen?

Es scheint, als ob jeder vergessen hätte, wie viel Novak für die Leute in Serbien, Italien und in der ganzen Welt gemacht hat. Niemand spricht mehr über seine Spenden und seine Hilfe. Niemand, ausser seinem Umfeld und dem eigenen Volk, das noch immer als Novaks erster und stärkster Schild vor ihm steht.

Und Djokovic? Der weigert sich, sich in einen Roboter zu verwandeln. Stattdessen versucht er, sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben. Gerecht und fair.

*Jelena Medic (30) arbeitet als Sport-Reporterin für die serbische Zeitung «Blic» (wie SonntagsBlick eine Publikation des Ringier-Verlags). Sie ist dort spezialisiert auf Tennis und Basketball.

Übersetzung: Stefan Meier

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