Im Tennis tobt eine Schlammschlacht sondergleichen. Im Zentrum stehen der neue ATP-Boss Andrea Gaudenzi und der Spieler Vasek Pospisil. Der Kanadier ist einer der Mitbegründer von Novak Djokovics Spierlerorganisation PTPA. Er ist einer, der Missstände anprangert und sich zum Wohl der Spieler einsetzt, wo er nur kann.
Doch diese Woche auf dem Court in Miami explodiert er regelrecht. Pospisil zertrümmert bei seiner Niederlage gegen Mackenzie McDonald sein Racket, serviert im Frust von unten und wird von Schiedsrichter Arnaud Gabas bestraft. Dann bricht alles aus dem 30-Jährigen raus: «Eineinhalb Stunden lang hat mich der Vorsitzende der ATP gestern in einem Spielermeeting angeschrien, weil ich versucht habe, die Spieler zu vereinen. Eineinhalb Stunden lang. Der Vorsitzende der ATP. Holt ihn hier raus, dieses verdammte Arschloch. Warum unterstütze ich das?»
«Verklage die gesamte Organisation»
Die Schimpftirade geht aber noch weiter. Als der Referee Pospisil ermahnt, die Differenzen mit dem ATP-Boss doch abseits des Courts zu klären, erwidert dieser nur: «Wenn Sie mich disqualifizieren möchten, verklage ich gerne die gesamte Organisation.»
Der Eklat geht schon Tags zuvor los. Gaudenzi, der auf Pospisil und die PTPA sehr schlecht zu sprechen ist, soll den Kanadier in einem Meeting vor anderen Spielern regelrecht zur Schnecke gemacht haben, wie diverse Medien berichten.
Pospisil nach Attacke durch Gaudenzi in Tränen ausgelöst
Der Tennis-Boss habe demnach die Weltnummer 67 als «ungebildet» und «ignorant» bezeichnet. Die Konfrontation der beiden Streithähne soll so heftig gewesen sein, dass Pospisil danach in Tränen aufgelöst war.
Die politische Stimmung im Tennis gleicht einem Pulverfass. Immer mehr Spieler richten sich dabei gegen die ATP. Die deutsche Weltnummer 7 Alexander Zverev attackierte die Tour zum Beispiel in der «Bild». Die ATP würde finanzielle Interessen über die Meinung der Spieler stellen. Das Ranking-System, das wegen der Corona-Pandemie angepasst wurde, sei zudem ein Desaster. Der Amerikaner John Isner (ATP 28) bemängelte zudem Intransparenz, etwa bei Entscheidungen über reduzierte Preisgelder.
Viele Spieler treten für Pospisil ein
Isner ist auch einer jener Spieler, die Pospisil nun beistehen. Unter dem Hashtag #playersvoice meldet sich einer nach dem anderen auf Twitter. «Er hat unzählige Stunden für seine Kollegen auf der ATP Tour gekämpft» schreibt Isner. Und der Kanadier Milos Raonic (ATP 19) meint: «Die Stimmen der Spieler müssen gehört, respektiert und anerkannt werden. Versucht nicht, sie zum Schweigen zu bringen, sondern arbeitet mit ihnen zusammen.»
Schliesslich springt Pospisil auch sein Kollege Novak Djokovic zur Seite. «Vasek ist ein sehr guter Freund von mir und ich verstehe ihn von ganzem Herzen», schreibt die Weltnummer 1 auf Twitter. Er sei eine Person von ausserordentlicher Integrität und kümmere sich um das Wohlergehen seiner Kollegen. «Ich hoffe, jeder erkennt, wie wichtig es ist, vereint zu sein.»
Kanadier entschuldigt sich
Auch Pospisil hat sich nach seinem Ausraster längst gemeldet. «Ich habe das Spiel, das ich liebe, nicht respektiert, und das tut mir wirklich leid», schreibt er bei Twitter. Er habe sich während des Treffens zwischen Spielern und ATP-Führungskräften «zutiefst entnervt gefühlt und den Tribut unterschätzt, den diese Emotionen gefordert haben, bis ich heute auf den Platz getreten bin.»
Versöhnliche Töne. Dass die Schlammschlacht damit beendet ist, ist aber nicht anzunehmen. Zu tief scheinen derzeit die Gräben zwischen der ATP und einer Vielzahl von Spielern.