WM-Hoffnung Holdener über Wohnungsbau, Sexismus und einen speziellen Spitznamen
«Früher fand ich meine Muskeln nicht so toll»

Dreimal Gold, dreimal Silber: Wendy Holdener (31) hamstert WM-Medaillen wie andere Pins. Vor ihrem Saalbach-Marathon nahm sie sich Zeit, um auch über private Dinge zu reden.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Aktualisiert: vor 8 Minuten
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Wendy Holdener startet zu ihrer achten WM. Vorher nimmt sich die Schwyzerin Zeit für ein Interview in Zürich.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Auf einen Blick

  • Wendy Holdener startet in ihre sechste WM und hofft auf Medaillen
  • Holdener spricht über Medaillenfeiern, ihre Partnerschaft und die neue Wohnung
  • Sie will mindestens bis zur Heim-WM 2027 weiterfahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Garmisch (De), Schladming (Ö), Beaver Creek (USA), St. Moritz GR, Are (Sd), Cortina (It), Courchevel/Méribel und nun Saalbach (Ö): Wendy Holdener startet schon in ihre achte Weltmeisterschaft. Mit 17 fing sie an, immer war sie dabei und hamsterte je drei Gold- und drei Silbermedaillen. Damit ist Holdener eine der erfolgreichsten Schweizerinnen der Ski-Geschichte. Heute 31-jährig hat die Schwyzerin aus Unteriberg SZ aber noch nicht genug. «Ich würde gerne etwas Glänzendes aus Saalbach mitnehmen», sagt sie.

Blick: Wendy Holdener, wie blicken Sie auf die WM?
Wendy Holdener: Ich freue mich. Es läuft gut, die Form stimmt, und ich mag Grossanlässe.

Sie haben schon sechs WM-Medaillen gewonnen. Welche Feier war die beste?
St. Moritz war super, etwas ganz Spezielles. Da waren so viele meiner liebsten Menschen dabei. In Are gingen wir auch in den Ausgang. Aber eigentlich gab es die besten Partys immer erst später, bei den Weltcupfinals – erst dann ist der Winter vorbei, erst dann kann man loslassen.

Was muss in Saalbach passieren, damit Sie glücklich nach Hause reisen?
Schwierige Frage.

Sie möchten sicher Ihre Medaillensammlung aufstocken.
Sicher wäre es schön. Aber wenn ich etwas ankündige und es dann keinen Podestplatz gibt, heisst es, alles war schlecht. Doch das müsste nicht zwingend der Fall sein. Klar habe ich den Wunsch, eine Medaille zu holen. Aber ich möchte zuerst einmal eine gute Einstellung haben und geil Ski fahren. Wenn beides stimmt, kann ich etwas holen. Sonst nicht.

Was würden Sie in Ihrem Gold-Stübli im Restaurant Sternen lieber ausstellen: die Slalom-Kristallkugel oder die Slalom-Goldmedaille?
Beides wäre cool.

Und was hätten Sie lieber?
Beides (lacht).

Wir treffen Holdener wenige Tage vor dem WM-Startschuss mitten in Zürich. «Eigentlich wollte ich gar keine Interviews mehr geben. Doch weil ihr immer gefragt habt, und ich das Interesse sehr schätze, mache ich eine Ausnahme», sagt sie und nippt an ihrem Cappuccino. In Saalbach dürfte Holdener bei vier Wettkämpfen antreten: Teamevent (4. Februar), Team-Kombi (11. Februar), Riesenslalom (13. Februar) und Slalom (15. Februar). Keine andere Schweizerin wird ein solches Mammut-Programm abspulen.

Vor zwei Jahren in Méribel (Fr) waren Sie kurz davor, Slalom-Gold zu holen. Dann schieden Sie aus. Trotzdem haben Sie im bittersten Moment Ihrer Karriere, mit Tränen in den Augen, Auskunft gegeben.
Ihr Journalisten habt das geschätzt. Und auch von Swiss-Ski bekam ich Lob, das wurde mir hoch angerechnet.

Sie hätten auch kommentarlos verschwinden können, oder?
Ja, aber irgendwann hätte ich mich sowieso stellen müssen. Also dachte ich: Augen zu und durch. Ich wollte es hinter mich bringen und bin happy, dass ich es so gemacht habe.

Wie lange hatten Sie an der riesigen, verpassten Chance zu beissen?
Ich war müde und fiel in ein kleines Loch – aber das ist nach einer WM normal.

Die Anspannung wich?
Das ist bei mir nach Grossanlässen immer so, egal ob es gut oder schlecht läuft. In den Tagen danach wissen meine Liebsten, dass ich nicht immer strahle, sondern auch Zeit für mich brauche.

Erstmals bei einem Grossanlass kann Holdener nicht auf ihren Bruder Kevin zählen, er erlag vor einem Jahr seinem Krebsleiden. Am Montag, einem Tag vor der WM, wäre er 35 Jahre alt geworden. «Ich werde an seinem Geburtstag einige Kurven für ihn in den Schnee ziehen», kündigte Holdener gegenüber Blick an – genau das tat sie dann auch. Mehr wollte und will sie über ihren Bruder nicht reden – auch in den kommenden zwei Wochen nicht. «Die WM wird sowieso schon genug emotional», so Holdener.

Man sieht Sie am Start zuweilen etwas murmeln. Was ist es?
«Entschlossen!» Solche Dinge. Es ist meine Herangehensweise – das mache ich immer so.

Sehr viele Fahrerinnen haben bis kurz vor dem Start Stöpsel in den Ohren. Sie tun das nie. Warum?
Da bin ich tatsächlich eine Ausnahme. Im Team Hospitality brauche ich manchmal Musik, um abzuschalten. Aber unmittelbar vor einem Lauf setze ich mich lieber mit meinen Gedanken auseinander.

Einige pushen sich mit Musik, andere bekämpfen die Nervosität.
Ich will wissen, was um mich herum läuft. Ich habe nie mit Musik angefangen – vielleicht reizt es mich darum auch nicht. Und ich finde, es hat in all den Jahren nicht schlecht funktioniert (schmunzelt).

Seit knapp drei Jahren ist Wendy Holdener mit Remy liiert. Er hat sie stets unterstützt und war in schönen wie auch in schwierigen Momenten stets an ihrer Seite. Er versteckt sich nicht, steht aber ungern im Mittelpunkt. Holdener ist sehr dankbar für seine Unterstützung.

Was gibt Ihnen Remy während einer solchen WM?
Ich weiss, ich bin nicht allein. Jemand, der mir sehr nahe steht, hilft – egal, was passiert. Das tönt simpel, ist aber sehr schön.

Sprechen Sie eigentlich übers Skifahren?
Manchmal. Er fragt zum Beispiel ab und zu, ob ich nervös bin. Es kommt dabei vor, dass ich ihm mit «Ja» antworte, aber auch sage, dass ich nicht darüber reden will, weil das Rennen noch lange nicht ansteht.

Das würde Sie noch nervöser machen?
Es würde Energie kosten, weil ich noch mehr daran denken und noch nervöser werden würde.

Remy wirkt wie ein ruhender Pol. Täuscht das?
Nein, das ist schon so. Remy mag mich – egal ob ich gut fahre oder nicht. Dieses Wissen hilft mir sehr.

Sie werden bald eine gemeinsame Wohnung in Unteriberg beziehen, die Ihre Familie geplant hat und bauen liess.
Ich freue mich sehr. Meine Eltern ziehen im März ein und wir irgendwann, sobald wir Zeit haben, auch. Die Wohnung in Biel, wo Remy seinen Lebensmittelpunkt hat, behält er aber. Wenn ich viel weg bin, kann er dort bei seinem Umfeld sein.

Was ist das Schönste am neuen Heim?
Wir durften vieles mitgestalten und sind sehr glücklich. Es wird traumhaft werden. Und die Aussicht ist auch genial, man sieht das ganze Ybrig-Tal.

Weil sie im Dezember 2023 einen Bruch im Fussgelenk erlitt, verpasste Holdener den Rest des Winters und damit auch das Weltcupfinale in Saalbach. Ein Nachteil für die WM? «Ich glaube nicht. Die Piste ist neu für mich. Aber in Méribel war die Strecke bei der WM auch nicht genau gleich wie vorher», sagt sie. Kommt dazu, dass Holdener bereits sowohl den Team-Event als auch die Team-Kombi bestreiten wird – sie hat also genügend Möglichkeiten, den Hang vor dem Riesenslalom und Slalom kennenzulernen.

SRF-Experte und Ex-Slalom-Ass Didier Plaschy hat einmal gesagt: «Wendy ist die fitteste von allen.» Sind Sie stolz darauf?
Ja, wenn jemand das meint, nehme ich das sehr gerne an.

Waren Sie immer körperlich so gut?
Wenn meine Freundinnen mit mir Velo fahren gehen, sieht man nicht, dass ich sehr fit bin. In der Ausdauer rage ich nicht heraus. Dafür bin ich sehr gut in den Kraftwerten – beides zusammen geht fast nicht. Zum Glück habe ich immer die Fähigkeit gehabt, mich nach Wettkämpfen schnell zu erholen. Das gab mir immer eine gute Balance.

Sie haben einst erklärt, stolz auf Ihre Muskeln zu sein.
Zu Beginn meiner Karriere fand ich sie nicht so toll. Aber man lernt, welche Kleider passen und welche nicht (schmunzelt).

Bei einem Shooting mit der «Schweizer Illustrierten» vor elf Jahren haben Sie Ihren Waschbrettbauch gezeigt. Damals titelte Blick.ch: «Heiss, heisser, Holdener! Sexy Wendy zeigt ihr Sixpack.»
Ok (lacht).

Aus heutiger Sicht eine Schlagzeile, die man so nie mehr schreiben würde. Wie denken Sie darüber?
Es war eine andere Zeit, gell? Wir hatten viele sportliche Shootings früher, wo man mehr Haut als heute gezeigt hat. Das hat sich schon verändert – vielleicht wollen einige Firmen dies auch gar nicht mehr.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Medien?
Sie gehören irgendwie dazu, sie sind Teil unseres Jobs und unseres Lebens. Es ist auch schön, wenn ihr positiv über uns schreibt. Das ist ein gutes Zeichen für uns. Ich bin immer sehr froh und fair gegenüber jenen, die es gut machen.

Seit dem letzten Sommer wird Holdener von Jörg Roten, dem ehemaligen Coach von Norwegens Ski-Ass Henrik Kristoffersen (30), gecoacht. Die Zusammenarbeit klappt gut. Vor dem Slalom in Gurgl (Ö) im November trainierte Holdener gar mit den Norwegern – Roten hatte seine Kontakte spielen lassen. «Da habe ich schon versucht, ihnen etwas abzuschauen», sagt Holdener. Die Einheit habe ihr viel gebracht und sei sehr spannend gewesen.

Ihre langjährige Teamkollegin Michelle Gisin hat mir im Herbst erzählt, dass Sie den Spitznamen Holdöner haben. Wie kommts?
Vor etwa zehn Jahren wurde ich langsam aber sicher bekannt. Damals brauchte ich einen neuen Namen für mein privates Facebook-Profil. Damals habe ich gesagt, dass ich den besten Vorschlag nehme. Nach einem Training in der Diavolezza waren wir im Restaurant und plötzlich sagte ein Servicemann: «Wendy, hol Döner!»

Der Name war entstanden.
Für Facebook ist er perfekt. Aber im täglichen Leben nennt mich kaum jemand so – da bin ich schon auch froh darüber (schmunzelt).

Im Gegensatz zu anderen Fahrerinnen hat Holdener angekündigt, nicht nur bis Olympia 2026, sondern auch bis zur Heim-WM 2027 weiterfahren zu wollen. «Falls ich gesund bin», ergänzt sie. Dann wäre sie, die 2010 im Weltcup debütierte, 17 Jahre lang im Weltcup unterwegs gewesen.

2027 werden sie 33 Jahre alt sein. Lindsey Vonn hält aber auch mit 40 noch vorne mit. Ist so etwas keine Option?
Irgendwann will ich schon ein anderes Leben haben (schmunzelt). Aber etwas kommt im Vergleich mit Vonn dazu …

Was?
Sie ist eine Speed-Spezialistin. Für den Körper ist der Slalom mit zwei Läufen ganz klar strenger als eine Abfahrt. Darum wäre es aus meiner Sicht kaum möglich, mit 40 im Slalom noch Weltklasse zu sein.

Ein Comeback wie jenes von Vonn würden Sie ausschliessen?
Ich würde nach meinem Rücktritt ein ganz anderes Leben führen und hätte vielleicht eine eigene Familie. Ich denke also eher nicht, dass ich danach noch zurückkehren würde.

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