Die WM-Goldmedaille in der Abfahrt veränderte Jasmine Flurys Leben. Sie tauchte in eine neue, ihr bislang unbekannte Welt ein. Die 30-Jährige erhielt unzählige Anfragen – von Fans, Gemeinde, Kanton und Bund, Medien und Sponsoren. «Ich bin immer noch die Gleiche. Es stimmt aber schon, ich werde häufiger angesprochen, wenn ich einkaufen gehe. Es ist schön, die Wertschätzung und das Interesse der anderen zu spüren», sagt sie.
Erstmals war sie mit dem Titel Weltmeisterin in der Schweiz unterwegs, als Bündnerin hatte sie in St. Moritz gar ein doppeltes Heimspiel. Die Plätze 17 (Super-G) und 18 (Abfahrt) waren nicht das, was sie sich erhofft hatte erwartet. «Stimmt, ich habe es noch nicht hingekriegt», sagt sie. Die Erklärung liegt auf der Hand: Flury litt unter den Folgen einer Erkältung.
«I bin uf t'Schnorra gfloga»
Auf die Unterstützung eines prominenten Fans darf Flury so oder so stets zählen. Sein Name: Andres Ambühl (40). «Ich habe schon als Kind Skirennen geschaut. Und wenn ein Athlet oder eine Athletin aus dem gleichen Ort kommt wie Jasmine, ist das doppelt lässig», sagt der 315-fache Eishockey-Rekord-Nationalspieler. Ambühl wuchs im Davoser Sertigtal auf, Flury in Davos Monstein. «Man kennt sich, Davos ist ja nicht so gross», sagt er.
Ambühl war auch dabei, als Weltmeisterin Flury im letzten Februar zuhause, vor dem Spiel gegen Servette, im Stadion geehrt wurde und den Puck einwarf. «Als ich wegfuhr, erwischte ich mit der Kufe den Teppich», erzählt er. Die Folge: «I bin uf t’Schnorra gfloga», erzählt er lachend. Flury meint: «Büeli ist eine HCD-Legende – auf und neben dem Eis.»
Nur die Spiele gegen Lugano waren verboten
Wir treffen Flury und Ambühl einige Wochen vor dem Start in den Ski-Winter im Zentrum von Davos. Genauer: Im Eisstadion, der Heimstätte des HCD. Dieser Ort ist nicht nur für den Davoser Captain besonders. Flury: «Hier stand ich als Jugendliche mit meiner guten Freundin Melanie in der Kurve. Wir hüpften, klatschten, sangen die Lieder der Fans. Die Stimmung war elektrisierend.»
Die beiden Monsteinerinnen nahmen die gut halbstündige Busfahrt gerne in Kauf, um «ihren» HCD zu unterstützen. «Die Schnelligkeit und Intensität beim Eishockey haben mich immer fasziniert, es gibt einfach nur 60 Minuten Vollgas. Der Sport ist extrem schön. Und schnell. Nur an die Spiele gegen Lugano durften wir nicht hin – das verboten uns unsere Eltern, weil es bei diesem Duell auch neben dem Eis ziemlich abging.»
Ambühl sah Flurys Gold-Fahrt in der Kabine
Für das Fotoshooting mit SonntagsBlick posiert Flury nicht nur auf den ihr bekannten Tribünen, sondern auch auf dem Eis. Dort wartet Ambühl nach dem Training, um mit ihr zu plaudern – aber auch, um einige Pucks hin und herzuspielen. «Dass Jasmine in Méribel Weltmeisterin wurde, fand ich auch darum besonders hübsch, weil sie nicht alle auf dem Zettel hatten. Leider konnte ich mir das Rennen nicht live ansehen, aber ich habe mir die Fahrt sofort nach dem Training auf dem Handy angeschaut.»
Der Sertigtaler ist beeindruckt, wie gut Flury nicht nur mit den Ski an den Füssen, sondern auch mit dem Eishockey-Stock in den Händen umgehen kann. Sie erklärt: «In der Primarschule von Monstein spritzten wir mit dem Schlauch Wasser auf den Pausenplatz, das dann zu Eis wurde.» Schicht für Schicht sei das Hockey-Feld dicker geworden. «Dazu haben wir Banden aus Schnee und alten Schaltafeln gebaut. Es gab sogar eine Beleuchtung, damit wir auch bei Dunkelheit noch käpslen konnten. Das sind wunderschöne Erinnerungen.»
Nach 20 Jahren zurück auf den Ski
Und wie sieht es bei Ambühl aus? Ist er ähnlich geschickt auf den Ski wie Flury auf Kufen? Immerhin sind seine Kinder jetzt dreieinhalb und eineinhalb und würden sich freuen, wenn der Papa bald auch mit auf die Piste käme. «Ich stand 20 Jahre nicht mehr auf den Ski, diesen Winter will ich es aber versuchen», sagt er. In seinem Vertrag stehe nirgends, dass dies nicht erlaubt sei. Ambühl betont jedoch: «Ich werde es nicht tun, wenn wir am nächsten Tag Match haben. Und ich werde auch nicht auf den höchsten Berg gehen. Es geht darum, schlau zu sein und das Risiko zu dosieren.»
Nach einigen Torschuss-Tipps für Flury verabschiedet sich Ambühl, er geht unter die Dusche. Auf der Tribüne schaut sich die Weltmeisterin das Stadion, das auch wegen seiner Holzkonstruktion als eines der schönsten der Schweiz gilt, ganz genau an. Wegen ihres Berufs schafft es Flury nicht mehr so oft hierher wie früher. Beim Spengler Cup will sie aber mindestens einmal herkommen. «Die Stimmung ist unglaublich. Manchmal denke ich, dass ich auch gerne als Athletin in einer Teamsportart unterwegs wäre – im Skisport bin ich zwar mit Kolleginnen auf Tour, letztlich fährt aber jede für sich.»
«Hilfst du mir mit neuerem Material aus, Jasmine?»
Wir verlassen das Eisstadion, als uns Ambühl nochmals über den Weg läuft. Plant er wie Flury, mindestens bis an die Olympischen Spiele 2026 weiterzumachen? «Wenn ich gesund bleibe, wäre das sicher ein Ziel.» Er wäre dann 42 Jahre alt.
Ambühl: «Und irgendwann freue ich mich darauf, im Winter regelmässig auf den Ski zu stehen. Hilfst du mir mit neuerem Material aus, Jasmine?» Sie entgegnet, ohne zu zögern: «Klar, das mache ich jederzeit gerne!»