33 Weltcuprennen, zweimal den Gesamtweltcup, viermal WM- und einmal Olympia-Gold – das alles hat Bode Miller (46) während seiner Ski-Karriere gewonnen. Nicht nur wegen seines wilden Fahrstils galt der Amerikaner als schriller Vogel. Er feierte Partys und wohnte in einem Wohnmobil statt im Hotel.
«Man musste durch mein Skifahren sehen, wer ich war», sagt Miller in einem Interview mit der «NZZ». «Ich fuhr nicht wie die anderen. Das war nicht beabsichtigt, ich war einfach sehr ausdrucksstark auf meinen Ski.»
«Etwas im System ist kaputt»
Erst mit 37 Jahren hat Miller die Ski an den Nagel gehängt. «Wenn es mir keinen Spass gemacht hätte, hätte ich früher aufgehört, denn es gibt genug andere Dinge in meinem Leben», meint er rückblickend. Auch andere Athleten hätte er gerne länger im Weltcup gesehen. Etwa Lucas Braathen. Kurz vor dem Saisonstart erklärte der Norweger Knall auf Fall seinen Rücktritt – mit 23 Jahren.
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Miller findets traurig, dass jemand mit so viel Talent und Fähigkeiten sich so jung verabschiedet. Für ihn ist klar, «dass etwas im System kaputt ist». Regeln und Mangel an Freiheiten würden so viel einschränken. «Was man tut, wie man trainiert, wie man sich verhält, wie man Ski fährt, welches Skimodell man wählt, wie man aussieht – alles ist reguliert.»
Kein Sieg in Kitzbühel, kein Problem
Deswegen ist Miller immer mal aus dem System ausgebrochen. «Ich sprach so, wie ich mich fühlte, ich fuhr so, wie ich mich fühlte, und ich trainierte so, wie ich mich fühlte», erklärt er. Das Wohnmobil war aber nicht Ausdruck davon. Dieser hatte logistische Gründe, um nicht ständig in Hotels ein- und wieder auschecken zu müssen.
Trotz vieler Erfolge hatte Miller «kein Problem damit, nicht so viele Rennen zu gewinnen oder mir von Leuten sagen zu lassen, dass ich besser sein könnte, wenn ich nur wollte». Er wird noch immer darauf angesprochen, dass er in Kitzbühel (Ö) weder Abfahrt noch Slalom gewonnen hat. Das sei, weil er «die meiste Zeit auf Partys war». Diese Erfahrungen seien für sein Leben wichtig gewesen. «Ich habe gerne Rennen gewonnen, aber das war nicht das ganze Leben.»
Tod des Bruders war schockierend
Sein Leben heute ist die Familie. Mit seiner Frau Morgan Beck (36) hat er sechs Kinder, aus einer früheren Beziehung stammen zwei weitere. Und dann wäre da noch Emmy. Das Mädchen, das 2018 mit 19 Monaten brutal aus dem Leben gerissen wurde. Es ertrank im Pool. «Es ist jetzt noch sehr schwer für mich», sagt Miller. Und zieht den Vergleich mit seinem Bruder. 2006 erlitt dieser eine Hirnverletzung und verstarb 2013. Sein Leben sei damals egoistisch gewesen, «ich war einfach weg».
Als der Bruder starb, sei das schockierend gewesen. «Der Tod ist einfach so, dagegen kann man nicht ankämpfen», so Miller. Der Schmerz über den Verlust seines Bruders hielt nicht so lange an wie bei seiner kleinen Emmy. «Wir hatten eine genetische Verbindung, ich war gewöhnt, mit ihr verbunden zu sein», sagt er dem «Tages-Anzeiger». «Wird diese Verbindung dann einfach gekappt, kann diese Wunde nie heilen. Sie bleibt.» Man gewöhne sich daran, egal wie schmerzhaft, traurig oder beschissen es sei. Aber: «Es bleibt für mich das Schlimmste.» (bir)