BLICK: Wendy Holdener, wie gross war ihr höchster Gewinn in einem Casino?
Wendy Holdener: Nicht viel, vielleicht 50 oder 100 Franken. Meine Strategie ist so: Wenn ich im Plus bin, stelle ich den Einsatz, den ich gegeben habe, immer zur Seite. Mit dem Rest spiele ich, solange ich will.
Oder …
Bis das Geld dann ganz verloren habe (schmunzelt). Dann hatte ich Spass, ohne zu gewinnen, aber auch ohne zu verlieren. Es geht mir nicht ums Geld.
Als BLICK Sie im Casino von St. Moritz fotografierte, war dieses noch offen. Wie war es?
Cool! Schon im Sommer war ich in diesem Casino und hatte einen nun erneut einen lustigen Abend. Es war also ein Déjà-vu-Erlebnis.
Es lief auch diesmal gut am Blackjack-Tisch.
Was heisst gut? Ich hatte den Lauf meines Lebens! Man sieht auf den Bildern meinen Jubel. Allerdings hätte ich nicht so viel riskiert, wenn der Einsatz echt gewesen wäre.
Sind sie eine Spielernatur?
Ich erinnere mich, wie ich schon als Kind mit meinem Mami am Meer Skip-Bo spielte. Yatzi, Mühle, Eile mit Weile – wir machten alles. Und mein Grösi zeigte mir, wie Canasta geht.
Ihre Grossmutter?
Sie ist eine begnadete Jasserin, machte mit bei Turnieren. Und als Poker vor einigen Jahren aufkam, lernte sie auch dieses Spiel – mit 70 Jahren! Ich nahm sie auch schon an Frauenabende mit ins Casino.
Sind Sie ein Spieltalent?
Ich denke jedenfalls taktisch. Wir jassen innerhalb des Teams oft. Ich zähle dabei die Karten und überlege mir, welche Situation sich ergeben könnten.
Auf den Ski sind Sie sehr ehrgeizig. Wie ist es mit Karten in der Hand?
Wenn ich mit jemandem ein Team bilde und er oder sie einen dummen Fehler macht, verwerfe ich schon mal die Hände (schmunzelt). Aber wenn jemand besser war, habe ich damit keine Mühe – ich bin keine schlechte Verliererin.
Vor vier Jahren machten Sie mit einer Freundin einen Road Trip durch die USA. Wie war es in Las Vegas?
Fast wie im Film «Hangover»! Wir trafen einige Schweizer, gingen Abendessen, tanzen und ins Casino. Einige tranken zu viel und fantasierten davon, ein Haus zu kaufen – dabei hatten sie noch gar nicht viel gewonnen. Es war ein toller Abend. Als meine Freundin und ich im Hotel ankamen, ging die Sonne bereits wieder auf.
Was ist Glück für Sie?
Aufzustehen und das zu tun, was ich gerne mache. Familien und Freunde zu haben, auf die man immer zurückgreifen kann. Und ich liebe es, mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Wie viel Prozent macht Glück und Pech beim Skifahren aus?
Wenn wenige Hundertstel über einen Sieg oder einen Podestplatz entscheiden, kann man schon von Glück oder Pech reden.
Sind Sie ein Glückspilz?
Definitiv! Ich hoffe, dass sich jeder so fühlt, wenn er das Positive in seinem Leben sieht. Klar, auch Glückspilze haben traurige Momente und einen Rucksack, den sie tragen müssen. Aber es geht alles einfacher, wenn man optimistisch bleibt – das versuche ich jedenfalls.
Was hat Corona mit Ihnen gemacht?
Für mich ist der Skisport immer noch gleich wichtig wie früher – ich mache alles, um schnell zu sein. Aber man merkt schon nochmals, dass es im Leben mehr gibt als Sport. Zum Glück blieben meine Angehörigen und ich von der Krankheit verschont…
Aber?
Auch ich musste mich einschränken, konnte meine Liebsten nicht mehr so oft sehen. Das war schwierig, denn daraus ziehe ich viel Energie. Ich vermisse es beispielsweise, Kolleginnen und Kollegen auch mal einfach zu umarmen.
Seit 2017 haben Sie bei Grossanlässen vier Gold-, zwei Silber- und eine Bronzemedaille gewonnen. Wäre es ein grosses Unglück, wenn Sie in Cortina leer ausgehen würden?
Ich hoffe, dass ich wieder Medaillen gewinnen werde. Sollte es nicht so sein, wäre das aber kein Unglück – das ist ein zu starkes Wort. Skifahren ist und bleibt ein wunderbarer Sport – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
In Cortina könnten Sie zum dritten Mal Kombi-Gold holen. Spricht etwas dagegen?
Nur etwa sieben oder acht Konkurrentinnen (schmunzelt). Dass wir diesmal einen Super-G und keine Abfahrt fahren, kommt mir sicher entgegen. Ich bin bereit und freue mich auf das Rennen!