Auf einen Blick
Blick: Schweiz gegen Österreich, das ist ein ewiges Skiduell. Wie nehmen Sie vor der WM diese Rivalität wahr?
Gisin: Ein bisschen Patriotismus gibt es schon. Als ihr 2019 die ersten drei Plätze der Abfahrtswertung belegt habt, haben wir uns schon gesagt: Das kann es nicht sein. Dies ist nicht persönlich gemeint – es ist vielmehr ein Ansporn.
Venier: Trotzdem gratulieren wir uns immer gegenseitig. Jene, die vorne liegt, hat sich dies auch verdient – egal ob sie Österreicherin oder Schweizerin ist.
Gisin: Wir hassen uns! Sieht man das nicht? (beide lachen)
Venier: Wenn ich oben am Start stehe, will ich schneller als alle anderen sein – nicht nur als die Schweizerinnen.
Ist es bei einer WM nicht wichtig, welche Nation am Ende im Medaillenspiegel die Nummer eins ist?
Venier: Für den Verband hat es mehr Bedeutung als für uns.
Gisin: Für mich wäre es das Schönste, wenn ich etwas für einen solchen Erfolg beitragen könnte.
Wann haben Sie sich das erste Mal getroffen?
Gisin: Keine Ahnung, das ist lange her. Und irgendwann haben wir herausgefunden, dass wir beide vom Sternzeichen Schütze sind.
Venier: Und von der Art auch ziemlich ähnlich.
Was sagt man Schützen nach?
Gisin: Dass sie extrovertiert sind, Plaudertaschen halt.
Venier: Und ein grosses Herz haben. Ich glaube schon, dass dies alles auf uns zutrifft.
Stephanie, Sie sind zwei Wochen jünger als Michelle. Was schätzen Sie an ihr?
Venier: Ich habe schon sehr früh bei einer Fahrt mit dem Skilift gemerkt, dass ich Michelle alles sagen kann. Sie ist so offen und nett. Wir wurden sofort Freundinnen.
Worüber reden Sie?
Gisin: Da geht es um Privates, aber auch um die lieben Sorgen im Skizirkus. Alles, was dazugehört.
Ihre Partner Luca de Aliprandini und Christian Walder sind auch Ski-Profis. Michelle, wie ist es, Luca am TV zuzuschauen?
Gisin: Sehr aufwühlend. Aber nicht mehr so schlimm wie früher, als er noch Super-G fuhr. Das war für mich ein Albtraum. Meine Geschwister Dominique und Marc haben schliesslich eine heftige Verletzungsgeschichte im Skisport. Sie hat mich geprägt und führte auch dazu, dass ich Angst um Luca hatte. Beim Riesenslalom hat er aber das Risiko im Griff, also geht das ganz gut.
Venier: Wenn Christian fährt, bin ich viel aufgeregter, als wenn ich selbst am Start stehe. Ich bin nicht froh, dass er derzeit verletzt ist, es kostet mich aber weniger Nerven.
Würde es überhaupt klappen, einen Partner zu haben, der nicht im Skizirkus ist?
Venier: Ich finde es schon sehr angenehm, dass es so ist, wie es ist. Der Partner versteht dich, wenn es dir mal nicht gut geht. Und er akzeptiert es, dass ich so oft und lang unterwegs bin.
Gisin: Es hilft extrem. Wenn ich mir vorstelle, dass ich keine Ahnung vom Skisport hätte: Da würde ich mich schon fragen, was mein Freund den ganzen Nachmittag vor einem Rennen eigentlich tut. So ist mir aber bewusst, dass ich mich gar nicht melden muss, weil er sowieso keine Zeit hat.
Venier: Im Sommer finde ich es extrem motivierend, Konditionstrainings mit Christian zu machen. Weil er besser ist und ich dann komplett an mein Limit gehe, um Ähnliches zu schaffen wie er. Wir pushen uns gegenseitig.
Gisin: Definitiv. Dazu kommt das Mentale, bei dem wir uns austauschen können. Letztlich haben wir als Sportler die gleichen Freuden, aber eben auch Sorgen und Ängste, mit denen wir uns auseinandersetzen.
In Saalbach ist das Schweizer Stübli, wo die Medaillen gefeiert werden, im gleichen Haus wie das «Home of Snow» der Österreicher.
Venier: Das ist super. Egal bei welcher WM früher: Ich bin immer bei den Schweizern ein und aus gegangen. Es gab dort stets tolle Partys.
Was ist das Schönste an Österreich, Michelle?
Gisin: Jetzt darf ich nichts Falsches sagen … (lacht). Extrem cool an Österreich finde ich die Gastfreundschaft – egal wo man ist.
Venier: Die Unterschiede zwischen den Ländern sind nicht so gross.
Gisin: Die Fans sind bei uns zurückhaltender – zum Beispiel in St. Moritz. Dafür geht in Crans-Montana die Post ab, so wie fast überall in Österreich.
Stephanie, ich habe erfahren, dass Sie einen Sauberkeitstick haben. Korrekt?
Venier: Nicht nur zu Hause. Auch im Hotel muss bei mir, bevor ich schlafen gehe, alles perfekt aufgeräumt sein. Das gibt mir eine grosse innere Ruhe.
Gisin: Bei mir ist es genau gleich. Ich habe einen Putzfimmel. Wenn nicht alles sauber und am richtigen Ort ist, habe ich das Gefühl, mein Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Luca ist übrigens auch ein Tüpflischiisser.
Sie werden wegen ihrer Modeaffinität auch «Tante Gucci» genannt, Stephanie. Stört Sie das?
Venier: Nein. Ich lege sehr grossen Wert auf mein Äusseres. Ich ziehe mich gerne schön an und style mich auf. Christian hat mir aber auch schon gesagt: «Ungeschminkt gefällst du mir besser!» (lacht)
Gisin: Mir ist fast am wichtigsten, wie ich beim Freeriden aussehe. Da muss die Kleidung zwar cool sein, aber nicht zu sehr. Auf den Ski bin ich in Sachen Outfits am heikelsten – wobei mir Qualität und Nachhaltigkeit besonders am Herzen liegen.
Venier: Einverstanden. Und ich ziehe nicht zwingend das an, was gerade in Mode ist. Sondern das, was mir gefällt und zu mir passt.
Wie lange wollen Sie noch fahren?
Venier: Ich schaue von Winter zu Winter. Aber meine Freundinnen haben alle jetzt schon Kinder und Familie – und wir sind seit 15 Jahren im Skisport unterwegs. Das passt, aber irgendwann will ich mal daheim sein und sesshaft werden.
Sie haben mal gesagt, dass nach Olympia 2026 Schluss sein dürfte, Michelle.
Gisin: Entscheidend ist, gesund zu sein und Spass zu haben. Mir ist es wichtig, dass ich selbst entscheiden kann, wann ich aufhöre. Ich möchte nicht, dass mir jemand sagt: Michelle, du bist zu wenig gut, wir können dich nicht mehr aufbieten.
Was würde Ihnen eine Goldmedaille in Saalbach bedeuten?
Venier: Es gäbe sicher eine mega Fete!
Gisin: Für mich wäre bereits eine Medaille unglaublich, denn ich zähle nicht zu den Anwärterinnen darauf. So oder so wird es unglaublich cool. Schon beim Weltcupfinale im letzten Winter war das Publikum superfair, jeder wurde gefeiert – so wie in Adelboden. Ich freue mich riesig.
Venier: Vielleicht stehen wir beide am Ende ja gemeinsam auf dem Podest? Das wäre der Hammer.