Vor dem Slalom-Doppelpack in Levi (Fi) sprechen nur wenige über Michelle Gisin (29). Und es spricht auch wenig für sie. Beides hat seine Logik. Denn: So schlecht wie im letzten Jahr war die Engelbergerin im Slalom seit vielen Jahren nicht mehr, sie schloss die Disziplinenwertung auf Rang 18 ab. Dabei hatte sie im Winter davor noch zwei Podestplätze gefeiert. Was ist passiert?
Klar, da war der Ski-Wechsel von Rossignol zu Salomon. Auch der Skischuh drückte sprichwörtlich – sie hatte Entzündungen an den Füssen. Gisin verlor das Selbstvertrauen und fuhr (ausser im Super-G) für ihre Verhältnisse miserabel – nicht immer, aber viel zu oft.
Entscheidend war aber auch, dass die zweifache Kombi-Olympiasiegerin körperlich nicht auf ihrem gewohnten Niveau agierte. «Es ging mir schlechter, als ich wahrhaben wollte», gibt sie zu. Gisin litt an den Spätfolgen des Pfeifferschen Drüsenfiebers, das sie im Sommer 2021 flachgelegt hatte.
Schock im Sommertraining
«Ich fühlte mich gesund und habe normal trainiert, doch ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich nicht richtig erhole. Und dass ich nicht fitter werde.» Die Entzündungen im Winter seien eine weitere Folge des Pfeifferschen Drüsenfiebers gewesen, ist sie überzeugt.
Gisin erzählt dies erst heute, viele Monate später. Das hat seinen Grund. «Ich habe diesen Sommer gebraucht, um zu merken, was es heisst, wirklich fit zu sein. Im Sommertraining dachte ich: Was ist denn hier los? Das gibt es ja gar nicht, wie gut es mir geht! Ich kann viel mehr machen und sehe die Fortschritte, das ist schon sehr cool.»
Im Kopf eher Abfahrerin
In Lappland bäckt Gisin dennoch kleine Brötchen. Der Rückstand, den sie sich im Slalom eingehandelt hat, ist gross. Vom Podest kann sie derzeit nur träumen. Ob sie jemals wieder dorthin zurückkehrt, steht in den Sternen. Gisin ist nach elf Jahren nicht mehr im Technik-, sondern neu im Speed-Team von Swiss-Ski. «Im Kopf bin ich eher eine Abfahrerin als eine Slalomfahrerin», sagt sie.
Vielleicht löst ja genau dies ihren Slalom-Knoten, zuletzt trainierte sie bei eiskalten Bedingungen im hohen Norden. Sicher ist: Gisin ist wieder die Alte – zumindest körperlich. Die Voraussetzungen für eine Wende zum Guten sind gegeben.