Auf einen Blick
- Chantal Bournissen, ehemalige Ski-Weltmeisterin, blickt auf ihre Karriere zurück
- Bournissen gewann 1991 in Saalbach WM-Gold in der Kombination
- Mit 39 Jahren begann sie erneut zu studieren und ist heute Professorin
Dieses Lächeln. Fröhlich, natürlich, ansteckend. Es ist auch heute, knapp 30 Jahre nach ihrem Rücktritt, noch dasselbe. «Warum sollte ich nicht glücklich sein? Die Sonne scheint, ich bin gesund, liebe meinen Beruf als Professorin und habe drei wunderbare Töchter», sagt Chantal Bournissen.
Wir treffen die 57-jährige Walliserin wenige Wochen vor der dem Höhepunkt der Skisaison, der WM in Saalbach (Ö). «Wollen wir gleich hier etwas essen gehen?», fragt sie. Ein Tisch im Buffet de la Gare beim Bahnhof Siders VS ist noch frei, Bournissen bestellt Tatar und Pommes. «Ich habe einige Anfragen für Interviews erhalten. Und alle abgelehnt. Weisst du, ich lebe im Hier und Jetzt. Meine Skikarriere ist doch längst vorbei», sagt sie.
Aber eben: Da ist ja noch das Thema Saalbach. Vor 34 Jahren wurde Bournissen, der «das hübscheste Lächeln im Skizirkus» attestiert wurde, hier Weltmeisterin. Nicht in der Abfahrt, wo sie eigentlich im Winter 1990/91 die klar Beste war und auch den Disziplinenweltcup gewann, sondern in der Kombination. «Mein Traum war der Olympiasieg. In der Abfahrt, klar. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert – also bin ich auch mit Kombi-Gold an der WM ganz zufrieden», sagt sie.
Die Kombi-Rechnung? Etwas für Mathematiker
Bournissens Erinnerungen an jenen 25. Januar sind nicht mehr frisch. «Du weisst mehr als ich», sagt sie lachend. Kein Wunder: Die Kombination war damals, vor über zwei Jahrzehnten, eine komplizierte Angelegenheit. Sie wurde im Punktesystem ausgetragen. Zuerst bestritt Bournissen am 25. Januar die Kombi-Abfahrt. Sechs Tage später folgten zwei Kombi-Slalomläufe.
Mindestens so speziell war die Auswertung der Rangliste: Für jeden Lauf wurde das Verhältnis aus Zeitrückstand und Bestzeit mit einer Konstante multipliziert. Danach wurden die Ergebnisse der Läufe addiert. Bournissen gewann mit 26,45 Punkten vor der Österreicherin Ingrid Stöckl (33,76 Punkte) und Vreni Schneider (42,13 Punkte). «Ich war im Super-G und der Abfahrt leer ausgegangen und zählte nicht zu den Favoritinnen. Aber ich hatte nichts zu verlieren», so Bournissen.
Die Walliserin aus dem Val d’Hérens nutzte ihre Chance und bewies auch mit den Slalom-Ski, die die 1,71 m grosse Bournissen um 24 Zentimeter überragten, ihr Können. «Als ich zu Hause in Evolène ankam, gab es einen riesigen Empfang. Aber ein Star? Nein, das war ich auch danach nie. Und ganz ehrlich: Die Abfahrtskugel, die ich am Ende des Winters gewann, hat für mich eine grössere Bedeutung.»
Mit 39 Jahren drückte Bournissen die Schulbank
Dennoch möchte Bournissen die Saalbach-Erlebnisse nicht missen. «Die Goldmedaille ist in meinem Wohnzimmer aufgehängt», erzählt sie. Nach ihrem Rücktritt 1995 – sie war 28 Jahre alt – schloss sie das Kapitel Skisport dennoch für immer. Warum?
«Ich war körperlich fit und hätte vielleicht noch ein paar Ergebnisse erzielen können, aber das Feuer in mir brannte nicht mehr.» Bournissen, deren Vater Camille einst ein berühmter Bergsteiger war, fiel aber in kein Loch.
Im Gegenteil: Schon während ihrer Skikarriere hatte sie sich fortgebildet – das führte sie schon bald wieder, nachdem sie drei Töchter zur Welt gebracht und grossgezogen hatte, fort. «Auch mit 39 Jahren drückte ich noch die Schulbank. Das machte mir Spass.» Heute wohnt Bournissen in Vex VS und ist Professorin in Siders an der Hochschule und Höheren Fachschule für Soziale Arbeit.
«Bonjour, Chantal!»
Zurück zur Aktualität. Charmant posiert Bournissen zum Abschluss des Treffens vor dem Restaurant mit einem Bild ihres Gold-Coups bei der WM 1991. «Die Leute wundern sich, wenn sie uns hier sehen – mich kennt doch keiner mehr», sagt sie.
Tatsächlich? Kurz darauf laufen zwei ältere Frauen vorbei und rufen: «Bonjour, Chantal!» Sie erwidert die Grüsse und schüttelt den Kopf. «Einige ältere Semester wissen wohl doch noch, wer ich bin.»
Bleibt die Frage: Wie wird sie die WM in Saalbach verfolgen? «Eigentlich wollte ich hinfahren, aber das ist nicht möglich, weil ich keine Zeit finde. Dennoch werde ich am TV alles ganz genau schauen.» Und vielleicht auch in Erinnerungen schwelgen.