Wer das Phänomen Franjo von Allmen von Grund auf erforschen will, sollte im Bistro der Brüggmatte-Bäckerei einkehren. Die Inhaber André und Emanuel «Mänu» Kammer sind die Onkel von FvA. Zu Ehren ihres berühmten Neffen produzieren die Brüder von Franjos Mutter neben dem Boltig-Lebkuchen auch den «Nöggu»-Riegel.
«Weil er als kleiner Bub meistens zwei Nuggis im Mund hatte, hat Franjo bei uns in der Region auch heute noch den Übernamen Nöggu», erklärt Onkel «Mänu», der als Leiter der Jugendorganisation (JO) des Skiclubs Boltigen gemeinsam mit Anton Lötscher grossen Anteil daran hatte, dass aus dem kleinen «Nöggu» ein Weltklasse-Athlet geworden ist.
«Ich habe Franjo zu JO-Zeiten immer mit einem Gummiball verglichen», erzählt Lötscher. «Er hatte von klein auf ein extrem schnelles Schwüngli und war unglaublich beweglich. Wenn das Trockentraining auf dem Programm stand, hat Franjo die Turnhalle nie normal betreten, stattdessen hat er mehrere Überschläge gemacht.»
Trainer mit umstrittener Massnahme
Um das Talent dieses aussergewöhnlichen Jünglings besser fördern zu können, haben die beiden Trainer eine Massnahme getroffen, die in Boltigen nicht unumstritten war. «Auf unserem Hausberg im Jaunpass-Gebiet gab es damals noch keine Schneekanonen. Aber in dieser Zeit wurden 90 Prozent der JO-Rennen auf Kunstschnee ausgetragen. Folgedessen wollten wir unseren Nachwuchs in der Wettkampfvorbereitung auch an diese Unterlage gewöhnen. Deshalb haben wir nicht nur auf dem Jaunpass, sondern auch an der Lenk trainiert, was bei einigen Leuten nicht so gut angekommen ist. Rückblickend betrachtet war es aber die einzig richtige Entscheidung, die wir getroffen haben», sind Lötscher und Kammer überzeugt.
«Mit Hansruedi ‹Hase› Rieder hatten wir an der Lenk einen Mann, der wirklich alles dafür getan hat, damit wir mit Franjo und den anderen Kindern optimal trainieren konnten.»
Besondere Erinnerungen verknüpfen Lötscher und Kammer auch mit dem Skigebiet in Zinal VS. Kammer liefert die Details dazu: «Dort waren 2021 die Schweizer Meisterschaften, in denen Franjo meines Erachtens seinen Durchbruch geschafft hat, als er als 19-jähriger Zimmermann-Stift auf den fünften Rang gefahren ist. Damit konnte damals wirklich niemand rechnen. Selbst dem Reporter, der dieses Rennen im Blick TV kommentierte, hat es damals regelrecht die Sprache verschlagen. Ab diesem Tag hatte Franjo die Gewissheit, dass er es als Skirennfahrer tatsächlich weit bringen kann.»
Von Allmen hat Shot kreiert
Die von Cédric Rufener und Simon Haldi betriebene Lothar Bar ist das Stammlokal von Franjo von Allmen. In diesem gemütlichen Beizli wird auch der nach dem neuen Lauberhorn-Sieger benannte Franatiker-Schnaps ausgeschenkt. «Irgendwann habe ich im Internet Skischuhgläser entdeckt. Kurz darauf habe ich Franjo gebeten, dass er für uns einen Shot kreiert», erzählt Rufener.
Der Ski-Star hat diesen aussergewöhnlichen Auftrag zwar zügig ausgeführt, das Ergebnis ist aber nicht nach dem Geschmack vom Bar-Betreiber ausgefallen. «Dieser Drink war ehrlich gesagt kaum geniessbar. Aber weil unsere Stammgäste gewusst haben, dass es sich um eine Originalmixtur von Franjo handelt, wurde der unappetitliche Cocktail trotzdem sehr häufig getrunken», hält Cédric lachend fest. Und als FvA in einem TV-Interview von seinem hochprozentigen Getränk erzählte, ist in der Lothar Bar der Ausnahmezustand ausgebrochen.
Rufener: «Wir haben unzählige Bestellungen erhalten. Aber weil uns klar war, dass Franjos Eigenkreation nicht massentauglich ist, haben wir einen Kumpel, der in Thun eine Destillerie betreibt, beauftragt, den Schnaps zu verfeinern. Auf diese Weise ist ein sehr fruchtiger Likör entstanden, den wir heute unter dem Namen Franatiker sehr gut verkaufen.» 1000 Flaschen von diesem Franatiker wurden bis jetzt verkauft, die nächsten 1000 werden derzeit produziert. Zum Wohl!
Thema Skirennsport in der «Znüni»-Pause
In der Zimmerei Schletti ist der Skirennsport in der «Znüni»-Pause das alles beherrschende Thema. Einige Teammitglieder stammen aus dem Nachbardorf St. Stephan und gehören dem Fanklub ihres «local heros» Lars Rösti an. Noch stärker ist bei Schlettis Handwerkern der Bezug zu Franjo von Allmen, der hier seine Ausbildung zum Zimmermann absolvierte.
Von Allmen war aber nicht der erste Skirennfahrer, der in diesem Betrieb die Lehre gemacht hat. «In den 90er-Jahren durften wir das Chalet von Mike von Grünigen bauen, Jahre später hat sein Sohn Noel mit Erfolg bei uns die Stifti gemacht», verrät Stefan Schletti.
Im Sommer 2017 hat von Allmen seine Ausbildung begonnen. Schletti erinnert sich an einen hitzigen Dialog, den er in dieser Zeit wegen seines aussergewöhnlichen Stifts geführt hat: «Für Franjo war es von Anfang an klar, dass er die Ausbildung in der regulären Zeit von vier Jahren durchziehen will. Eines Tages hat aber ein Mann von Swiss Olympic mein Büro betreten. Er wollte, dass Franjos Lehre auf fünf Jahre ausgedehnt wird. Weil ich bereits mit Noel von Grünigen die Erfahrung gemacht habe, dass es möglich ist, in der normalen Zeit Sport und Ausbildung unter einen Hut zu bringen, habe ich Franjos Vorhaben beim Swiss-Olympic-Vertreter verteidigt.»
Das entpuppte sich letztendlich als richtig: «Obwohl Franjo während der Ski-Saison praktisch nie im Betrieb und nur unregelmässig in der Berufsschule war, hat er nach vier Jahren mit einer knappen 5 abgeschlossen.» Schletti betont, dass es in dieser Zeit nur einmal eine richtig kritische Situation gab: «Irgendwann hat mich ein Fachlehrer angerufen, um mir mitzuteilen, dass Franjo kurz vor der Zeugnisvergabe noch keine Schulnoten vorweisen könne. Er musste deshalb an einem Tag drei Mathematik-Prüfungen schreiben. Aber Franjo hat selbst das souverän gemeistert.» Und bei der klassischen Zimmermannsarbeit habe von Allmen sowieso immer Topleistungen abgeliefert. «Franjo ist ein begnadeter Handwerker, den ich, während seiner Arbeit kein einziges Mal schlecht gelaunt erlebt habe. Er ist ganz einfach ein super Typ!»
Erinnerungen an einen Skitag
Am Fusse vom Jaunpass steht das Elternhaus von Kevin Wälti, dem besten Jugendfreund von Franjo von Allmen. «Wir gingen gemeinsam zur Schule, haben zusammen bei EDO Simme Fussball gespielt und sind miteinander in der JO Ski gefahren. Später war ich dann auch Franjos Oberstift in der Zimmermann-Lehre», erläutert Kevin, der derzeit die Ausbildung zum Bauleiter absolviert.
Kevins Papa Martin ist ein Skitag mit den beiden Buben an der Lenk in besonderer Erinnerung geblieben: «Ich habe von der Gondel aus Spuren in einem besonders steilen Tiefschneehang gesehen. Als ich gefragt habe, welche Spinner da wohl hinuntergefahren sind, haben mir Kevin und Franjo gestanden, dass sie diese Spuren hinterlassen haben!»
Wälti Senior ist in diesem Moment schier ausgeflippt: «Ich habe den Burschen klargemacht, dass kein normaler Mensch über diesen Hang mit einer ungefähr sechs Meter hohen Schneewechte fahren würde, weil hier in meiner Kindheit regelmässig Lawinen abgegangen sind. Doch das hat Franjo nicht wirklich interessiert. Stattdessen machte er mir klar, dass er unbedingt über diese Wechte fahren müsse, um Vor- und Rückwärtssaltos zu trainieren.»
Auf Hinterrädern Richtung Jaunpass
Aussergewöhnlich waren auch die Trainingsmethoden von Franjo und Kevin auf dem Fahrrad. «Wir sind oft nebeneinander auf den Hinterrädern in Richtung Jaunpass gefahren. Aufgegeben haben wir immer erst dann, wenn bei einem von uns beiden kein Blut mehr durch die Finger lief …»
Das Verhältnis zwischen von Allmen und den Wältis ist nach wie vor sehr eng. «Als ich im letzten Sommer das Dach meiner Alphütte reparieren musste, hat mich Franjo tatkräftig unterstützt. Als ich ihn dafür entlöhnen wollte, hat er abgelehnt. Franjo ist ein herzensguter Kerl», schwärmt Martin Wälti.