Es tönt verrückt, ist aber wahr: Als Lara Gut-Behrami (32) am vergangenen Sonntag in Mont-Tremblant (Ka) zum Sturm aufs oberste Podest blies, stand Cheftrainer Beat Tschuor nicht am Hang. Er hatte Besseres zu tun. Was? Er war am Check-in des Flughafens in Montreal und organisierte bereits den Rückflug von Team und Material. Das hat seine Logik. Denn: Das Rückreise-Programm ist so eng getaktet, dass Verzögerungen nicht drin liegen.
Gut-Behrami verpasste ihren dritten Saisonsieg, wurde aber Zweite. Das ist deshalb nicht optimal, weil sie bei allen TV-Stationen gefragt ist und die Zeit bis zum Abflug drängte. Die Tessinerin stieg irgendwann ins Auto, drei Stunden sass sie im Flugzeug. Weitere acht Stunden später, am Montagmorgen, landete sie in Zürich. Zeit, um sich zu erholen, bleibt ihr nicht. Bereits am Mittwoch um 11 Uhr steigt das erste Abfahrtstraining in St. Moritz GR. Am Donnerstag folgt das nächste Training, gefolgt von der Speed-Triplette von Freitag bis Sonntag. Ein Monsterprogramm!
Verletzungsgefahr ist grösser
«Das Reisen setzt mir zu. Und es wird im Alter nicht einfacher», sagte Gut-Behrami schon vergangenes Jahr im Engadin GR. Doch auch für andere Fahrerinnen ist der Stress heikel. «Normalerweise braucht man für die Zeitanpassung mindestens einen Tag pro Stunde Zeitverschiebung», sagt Patrick Noack, Health Performance Officer bei Swiss Olympic. Gut-Behrami bräuchte also eine Woche, um den Jetlag zu überwinden.
Noack: «Man kann aber auch vorsorgen und schon vor Ort früher oder später ins Bett gehen. Oder nach der Ankunft Melatonin schlucken – dieses Medikament kann helfen.»
Der Sportmediziner sagt, dass die Auswirkungen des Jetlags sehr individuell seien, sagt aber klar: «Wenn ich weiss, dass ich stark reagiere, würde ich im ersten Training nicht mit Vollgas, sondern mit angezogener Handbremse fahren. Optimal ist das dichte Programm aus Sicht der Verletzungsprävention nicht.»
Business-Klasse hilft
Der Jetlag sei dabei nur ein Problem, erklärt Slalom-Altmeister Didier Plaschy (50). «Die Schwierigkeit im Flug ist, die optimale Position zu haben, um muskulär nicht in ein Defizit zu fallen. Wenn alle Business-Klasse fliegen können, ist das perfekt – Economy nicht.»
Tatsächlich flogen Gut-Behrami und Michelle Gisin (30) mit mehr Beinfreiheit als ihre Teamkolleginnen. Dennoch findet Plaschy: «Das Programm ist happig und nicht ideal. Immerhin geht es hier um einen Schnellkraftsport, der in Kälte und manchmal bei schlechter Sicht ausgeübt wird.» Letztlich sei es der Kompromiss, den alle eingehen würden, um vor Weihnachten noch möglichst viele Rennen durchzudrücken.
50 bis 70 Zentimeter Neuschnee
Fakt ist: In St. Moritz freut man sich darüber, drei Rennen zu haben. «Aber in den Saisonplan der FIS mischen wir uns nicht ein», sagt OK-Chef Robin Miozzari.
Bleibt die mehr denn je heisse Frage: Wie wird das Wetter? Miozzari: «Die Prognose ist wechselhaft, aber wir sind optimistisch. Die insgesamt 50 bis 70 Zentimeter Neuschnee konnten von der Rennpiste entfernt werden. Zusätzlich wurden einige Teilstücke mit dem Maschinenbalken gewässert.»