Es läuft Deutsch-Rap , als Matthias Glarner (38) den Kraftraum betritt. Der Schwingerkönig schüttelt den Kopf. «Es hat seine Gründe, weshalb du beim Schwingen Erfolg hast und nicht als DJ», sagt er zum Eidgenossen Patrick Gobeli (26). «Früher haben wir Alphornklänge abgespielt.» Kilian Wenger (33) entgegnet lachend: «Auf Schallplatten oder wie?»
Die beiden Schwingerkönige Glarner und Wenger verstehen sich bestens. Seit Jahren absolviert Wenger sein Athletiktraining in Wilderswil BE bei S4Sports Pro. Das Fitnesscenter gehört Roli Fuchs. Gemeinsam mit Glarner betreut er zudem Spitzensportler. An diesem Montagmorgen springen die beiden Schwinger über Hürden und stemmen Gewichte. Dazwischen fallen immer wieder Sprüche. Nach knapp 90 Minuten ist das Training vorbei. Kurz darauf erscheint Wenger frisch geduscht zum Interview. Bevor es losgeht, gönnt er sich einen Schluck Kaffee.
Blick: Kilian Wenger, wie oft sind Sie durch die Autoprüfung gerasselt?
Kilian Wenger: Nie! Ich hatte einen guten Experten. (lacht)
Das heisst?
Er merkte schnell einmal, dass ich ein Schwinger bin. So ergab sich ein angenehmes Gesprächsthema. Das hat mir geholfen, weil ich brutal nervös war.
Als Teenager haben Sie mit dem Traktor die Motorsäge des Vaters überfahren. Das spricht nicht für Ihre Fahrkünste.
Ja, leider. Solche Dinge passieren im jugendlichen Übermut. Mein Vater wurde ziemlich wütend. Ich musste mir einiges anhören.
Am 11. Mai 1990 kam Kilian Wenger im Spital von Erlenbach im Simmental auf die Welt. Sein Heimatort ist das Diemtigtal BE. Dort wuchs Wenger mit drei Geschwistern auf. Nach der Schule absolvierte er eine Metzgerlehre. Später kamen eine Zimmermannslehre und die Ausbildung zum LKW-Chauffeur dazu. 2010 wurde Wenger in Frauenfeld Schwingerkönig. Mittlerweile ist er zweifacher Vater. Mit seiner Frau Kathy hat er Tochter Mena Léanne (5) und Sohn Remo Darian (2). Aktuell absolviert der 23-fache Kranzfestsieger eine Ausbildung zum technischen Kaufmann.
Am 11. Mai 1990 kam Kilian Wenger im Spital von Erlenbach im Simmental auf die Welt. Sein Heimatort ist das Diemtigtal BE. Dort wuchs Wenger mit drei Geschwistern auf. Nach der Schule absolvierte er eine Metzgerlehre. Später kamen eine Zimmermannslehre und die Ausbildung zum LKW-Chauffeur dazu. 2010 wurde Wenger in Frauenfeld Schwingerkönig. Mittlerweile ist er zweifacher Vater. Mit seiner Frau Kathy hat er Tochter Mena Léanne (5) und Sohn Remo Darian (2). Aktuell absolviert der 23-fache Kranzfestsieger eine Ausbildung zum technischen Kaufmann.
Sein Ärger war wohl auch finanzieller Natur. Eine Motorsäge ist teuer.
Absolut, wir hatten damals nicht viel Geld. Meine Eltern mussten vier Kinder ernähren – mit einem normalen Einkommen. Da blieb kaum etwas übrig. Das merkten wir.
Wie?
Zum Beispiel bei den Ferien. Am Meer war ich erstmals in der achten Klasse. Das Geld fehlte ...
... auch für Ihre Skikarriere.
Richtig. Ich bin im Diemtigtal neben einem Skilift aufgewachsen. Als Kind fuhr ich regelmässig Rennen. Bis mir meine Eltern erklärten, dass ich damit aufhören muss.
Wie haben Sie reagiert?
Erstaunlich ruhig, und das aus zwei Gründen.
Erzählen Sie.
Zum einen war für mich als Drittklässler ein Nein ein Nein. Punkt. Und zum anderen habe ich damals bereits eher zum Schwingen tendiert. Weil dort die Mitgliederbeiträge günstiger waren als beim Skifahren, stimmte das auch für meine Eltern. Wenn ich so zurückschaue, durfte ich eine wunderschöne Kindheit erleben.
Als Sie 18-jährig waren, haben sich Ihre Eltern getrennt. Wie sind Sie damit umgegangen?
Eigentlich sehr gut. Sicher auch deswegen, weil meine Eltern einen tollen Umgang miteinander fanden.
Hatten Sie als ältestes von vier Kindern plötzlich eine neue Rolle?
Zum Glück nicht. Beide Elternteile kümmerten sich weiterhin liebevoll um uns. Was unglaublich wichtig war auf meinem Weg zum Königstitel zwei Jahre später. Wenn das nicht derart reibungslos abgelaufen wäre, hätte alles anders kommen können. So blieb mein Kopf frei. Ich konnte mich voll auf das Schwingtraining und meine Metzger-Lehre fokussieren.
Kommen wir ins Hier und Jetzt. Gerüchten zufolge wären Sie nach einem erfolgreichen Unspunnen-Schwinget 2023 zurückgetreten. Ihre Frau sass im OK. Alles war vorbereitet, oder?
Nein. Am Abend nach dem Schwingfest wäre ich so oder so nicht zurückgetreten. In den Tagen danach spürte ich, wie das Feuer für diesen Sport weiterhin brennt. Das schlechte Resultat motivierte mich zusätzlich. Ich dachte mir: jetzt erst recht!
Einige Wochen später stand in einem Instagram-Post von Ihnen: «Manchmal geht das Bewusstsein verloren, dass auch Schwinger einfach Menschen sind.»
Leider habe ich das nach dem Unspunnen-Schwinget einmal mehr erlebt. Schauen Sie: Ich stehe seit Jahren unter starker Beobachtung. Die Leute erwarten unheimlich viel. Der König muss immer vorne dabei sein und Feste gewinnen. Passiert das einmal nicht, was menschlich ist, gibt es teilweise heftige Kritik. Gewisse Nachrichten schmerzen sehr. Wenn dann noch Journalisten meinen, sie wissen es besser oder wollen mir den Rücktritt nahelegen, ist eine Grenze überschritten.
Wie lange wollen Sie sich dieser Kritik noch aussetzen?
Stand jetzt werde ich am Jubiläumsschwingfest im September antreten. Hoffentlich macht der Rücken mit. Er ist meine Schwachstelle. Aktuell geht es sehr gut.
Trotzdem verzichten Sie freiwillig auf Kranzfeste. Sie sind nirgends Gast.
Weil ich meinem Körper die nötigen Pausen geben will. Sollte es mir gut gehen, kann ich mich spontan anmelden. Und noch etwas.
Erzählen Sie.
Müsste ich heute aufhören, wäre das okay. Ich durfte unglaubliche Erfolge feiern. Alles Weitere ist Zugabe. Natürlich strebe ich weiterhin den grösstmöglichen Erfolg an, aber nicht mehr um jeden Preis. Spüre ich den Rücken zu stark, bin ich weg.
Und dann?
Mein Ziel ist eine Kaderposition. Im August möchte ich die Ausbildung zum technischen Kaufmann abschliessen. Etwas in Richtung Betriebswirtschaft würde mich reizen.
Zum Schluss: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Schwingsports?
Wir sind auf keinem schlechten Weg. Aber: Die Eidgenössischen Schwingfeste geben mir zu denken. Es wird Zeit, dass sie wieder in einem normalen Rahmen stattfinden. Das Drumherum ist zu gross und erst noch gratis. Die Leute zahlen nichts, um die besten Musiker der Schweiz zu sehen. Das kann eigentlich nicht sein. Vor allem, wenn der Anlass defizitär ist.