Familie und Freunde nehmen Abschied von Muriel Furrer (†18)
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Ergreifende Trauerfeier:Familie und Freunde nehmen Abschied von Muriel Furrer (†18)

Sie stellen klare Forderungen
Eltern von Radtalent Muriel Furrer (†18) brechen ihr Schweigen

Die Eltern des verstorbenen Radtalents Muriel Furrer äussern sich erstmals zum tragischen Verlust ihrer Tochter. Sie fordern nach dem Drama an der WM in Zürich verbesserte Tracking-Systeme bei Radrennen, um anderen Eltern denselben Schmerz zu ersparen.
Publiziert: 09:21 Uhr
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Aktualisiert: 09:51 Uhr
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Muriel Furrer wurde nur 18 Jahre alt: Am 8. November fand in Uster eine öffentliche Trauerfeier statt.
Foto: keystone-sda.ch
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Der nach wie vor schwer fassbare Tod von Radtalent Muriel Furrer (†18) an der WM in Zürich bewegt die Sport-Welt nach wie vor. Jetzt widmet auch The Athletic, die internationale Sport-Plattform der renommierten US-Zeitung «New York Times», der tragisch verunglückten Zürcherin eine grosse Reportage.

Ein Reporter aus England reiste dafür im November für einige Tage in die Schweiz. Gegenüber dem Journalisten von The Athletic brechen nun auch die Eltern von Furrer erstmals ihr Schweigen. Christine und Reto öffnen dafür sogar ihre Haustür in Egg ZH und geben auch Einblick in das Kinderzimmer ihrer Tochter Muriel, sie war das jüngste von drei Kindern. Mit einem Silberstift geschrieben, steht «2032 Brisbane Olympics» an der Wand. Die Olympischen Spiele als langfristiges Ziel, als grosser Traum für die Zukunft.

Einen solchen Schmerz sollen Rad-Eltern nie mehr erleben müssen

Doch jetzt müssen die Furrers das Unfassbare verarbeiten. Vater Reto sagt, es sei umso schwerer, weil der Unfall so nahe von daheim passiert sei. «Sie kannte hier jeden Meter und jede Kurve», sagt er über die verhängnisvolle Abfahrt nach Küsnacht ZH, wo Furrer bei nassen Bedingungen in einer Linkskurve stürzte und erst nach rund 90 Minuten mit schweren Kopfverletzungen aufgefunden wurde. Furrer starb einen Tag danach im Spital.

Die schmale Strasse sei Muriel auf dem Weg zu ihrem Lieblings-Trainingsgebiet auf dem Uetliberg unzählige Male runtergesaust. Mutter Christine ergänzt: «Deshalb ist es einfach unglaublich, dass es so herausgekommen ist.»

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«Ich hoffe wirklich, dass es zu Änderungen kommt. Sie können zwar Muriel nicht mehr zurückbringen. Aber wir müssen sicherstellen, dass das nicht mehr passieren kann»
Muriel Furrers Vater Reto
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Der riesige Schmerz der Eltern lässt sich nur erahnen. Was sie im Spital durchmachen mussten. Die Mutter erzählt, dass sie am schwarzen Donnerstag schon mit dem Schlimmsten rechnen mussten, weil die Not-OP keine Besserung brachte. Doch Muriel habe entgegen den ärztlichen Prognosen noch bis zum nächsten Nachmittag weitergekämpft.

Es ist nun Christine und Reto Furrers eindringlicher Wunsch, dass wenigstens in Zukunft nie mehr Eltern von Rennfahrerinnen oder Rennfahrern dieselben Höllenqualen durchstehen müssen. «Ich hoffe wirklich, dass es zu Änderungen kommt», sagt der Vater. «Sie können zwar Muriel nicht mehr zurückbringen. Aber wir müssen sicherstellen, dass das nicht mehr passieren kann.»

Die Furrers stellen die klare Forderung, dass in Zukunft taugliche Tracking-Systeme genutzt werden. Es sei schwer zu begreifen, dass es bei einem WM-Rennen nicht möglich sein soll, die Fahrerinnen und Fahrer zu tracken – wenn die Eltern doch dank dem Velocomputer jederzeit sehen konnten, wo ihre Tochter war, wenn sie alleine trainierte.

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«Als mich Muriels Vater anrief, sagte ich ihm: Wir suchen sie gerade... Irgendwann war das Rennen vorbei und wir wussten immer noch nicht, wo Muriel war»
Kathrin Stirnemann, Trainerin der U19-Frauen
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Vater Reto: «Für mich persönlich dauerte es zu lange, bis sie gefunden wurde. Dreissig Minuten nach dem Sturz war ich schon sicher, dass etwas Schlimmes passiert war. Wenn man einen Tracker hat, muss man ihn auch nutzen. Sie hatten im Rennen einen Peilsender. Nicht den besten, aber sie hatte einen.» Aber die Tracker im Juniorinnen-Rennen wurden lediglich für die TV-Informationen genutzt und nicht als ständige Kontrolle der Rennleitung oder der Nationalverbände, wer sich wo im Feld befindet.

Die Eltern waren nach dem Start des Rennens in Uster nach Zürich gefahren und hatten sich am spektakulären Bergaufstück an der Zürichbergstrasse positioniert. «Doch Muriel kam nicht vorbei», sagt die Mutter. Da Furrer auch viele Mountainbike-Rennen fuhr, ergänzt der Vater: «Im Mountainbike kommt eher mal ein Sturz oder ein Plattfuss vor, doch bei einem Strassenrennen ist es nicht üblich. Also wurde ich etwas nervös.»

Der Vater sagt, dass er Kathrin Stirnemann anrief, die als Trainerin der U19-Frauen im Auto von Swiss Cycling das Rennen begleitete. Auch der Schweizer Verband schwieg bisher zum Furrer-Drama. Nun redet Stirnemann bei The Athletic: «Als mich Muriels Vater anrief, sagte ich ihm: Wir suchen sie gerade. Wir haben herumtelefoniert und bei der Verpflegungszone und bei unserem Arzt im Ziel nachgefragt. Irgendwann war das Rennen vorbei und wir wussten immer noch nicht, wo Muriel war.»

Der Vater rief eineinhalb Stunden nach dem Crash auf Furrers Handy an

Die Eltern waren zu diesem Zeitpunkt im Zielgelände am Sechseläutenplatz angekommen, doch beim Swiss-Cycling-Teambus gabs immer noch keine Informationen. «Wir warteten und warteten. Als auch alle ihre Teamkolleginnen im Ziel waren, waren alle sehr verängstigt», sagt Christine Furrer.

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«Sie hat sehr gerne Waffeln, Muffins und Kekse gebacken. Dann hat es im Haus immer wundervoll gerochen. Das ist etwas, was ich vermisse»
Muriel Furrers Mutter Christine
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Der Sturz passierte um circa 11 Uhr. Um 12.36 Uhr versuchte Vater Reto sogar noch einen Anruf auf Muriels Handy. Vergeblich. Erst danach habe ein Offizieller vom Weltverband UCI die Info überbracht, Furrers Tracker habe einen Standort im Wald oberhalb Küsnacht übermittelt. Danach begann die Rettung, die für das grosse Radtalent zu spät kam.

Helfer sind nach Furrers Sturz an Unfallstelle im Einsatz
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Video zeigt:Helfer sind nach Furrers Sturz an Unfallstelle im Einsatz

In der Garage des Familienhauses steht neben diversen, noch immer fahrbereiten Velos auch das Sign-Board ihres letzten Rennens. Also das riesige Plakat, auf dem sich vor dem Start alle Fahrerinnen für das Rennen einschreiben. Die Organisatoren des lokalen OKs in Uster, wo das fatale Juniorinnen-Rennen begann, haben das Plakat der Familie überreicht.

Doch es sind auch die unsichtbaren Dinge, die gerade jetzt in der Adventszeit schmerzen. Mutter Christine: «Sie hat sehr gerne Waffeln, Muffins und Kekse gebacken. Dann hat es im Haus immer wundervoll gerochen. Das ist etwas, was ich vermisse.»

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