Auf einen Blick
- Muriel Furrer lag rund 1,5 Stunden unentdeckt im Unterholz
- Swiss Cycling schweigt trotz drängender Fragen zur Tragödie
- Insider spricht über den Rennablauf der Nationen
Bisher drehte sich bei den offenen Fragen rund um den tragischen Tod von Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer (†18) vieles darum, ob die Strecke zu gefährlich war, warum sie unbeobachtet gestürzt ist und wie es sein kann, dass sie danach mitten in einem WM-Rennen rund eineinhalb Stunden unentdeckt im Unterholz liegengeblieben sein musste.
Während sich die Untersuchungsbehörden und die Zürcher WM-Organisatoren öffentlich geäussert haben, ist es um den dritten Akteur seit Tagen still. Swiss Cycling schweigt, mit Ausnahme von zwei Fernsehauftritten von Boss Thomas Peter und U19-Co-Trainerin Kathrin Stirnemann während der WM bei SRF.
Die Kernfrage: Wie ist es möglich, dass der Schweizer Radverband mit lediglich vier Fahrerinnen am Start offenbar sehr lange nicht bemerkt, dass eine aus dem Quartett gar nicht mehr am Rennen teilnimmt? Dass man sich nicht sofort Sorgen macht, erscheint plausibel. Furrer hätte auch durch einen weniger schlimmen Sturz oder einen Defekt viel Zeit verlieren können. Doch dass vermutlich dennoch erst nach Rennende, rund eine Stunde nach dem mutmasslichen Sturzzeitpunkt, die Suche nach Furrer beginnt, erscheint rätselhaft.
Swiss Cycling beantwortet keine Fragen
Blick konfrontiert Swiss Cycling deshalb mit einem Katalog der zehn drängendsten Fragen. Antworten darauf gibt es keine. Mit dem Hinweis auf die laufende Untersuchung teilt Swiss Cycling lediglich mit, dass zum momentanen Zeitpunkt keine Fragen beantwortet werden können. Selbst diejenige nicht, ob Furrer eigentlich als Leaderin oder Helferin im Rennen eingeplant war.
Blick unterhält sich stattdessen mit einem Ex-Profi, der als Trainer eines anderen Landesverbands im Juniorinnen-Rennen an der WM in einem der Begleitautos sass. Seine Nation war wie die Schweiz mit mehreren Fahrerinnen am Start. Als Inhaber der entsprechenden Lizenz sass er selber am Steuer, mit im Auto waren ein Verbandsarzt und ein Mechaniker. «Es ist so, dass man sich mit dem Auto im Normalfall hinter der sportlich aussichtsreichsten Fahrerin positioniert», sagt der Trainer, der anonym bleiben will.
Die entscheidende Frage, auch im Hinblick auf das ungeklärte Furrer-Drama: Wie hält das Auto Kontakt zu den anderen Fahrerinnen, selbst wenn diese vom Auto überholt werden und zurückfallen? Der Insider hält zunächst fest: Funk gibt es ausser im Zeitfahren nie auf Juniorinnen-Stufe. Weder an der WM noch sonst wann im Jahr.
Verpflegungsstellen als wichtige Informationsorte
«Wir haben vor dem Rennen die Strecke analysiert und uns dann einen Plan fürs Rennen zurechtgelegt», sagt der Mann, «damit wir unsere Ziele umsetzen können, bin ich schon interessiert, möglichst immer zu wissen, wo sich gerade alle befinden.» Für die Fahrerinnen ausserhalb seiner Sichtweite im Begleitfahrzeug sind die Infos aus dem «Radio Tour» hilfreich, ein Infokanal der Rennleitung, auf dem wichtige Ereignisse wie Fluchtgruppen und Stürze in die Autos gemeldet werden.
Und intern gibts Infos von den Verpflegungsstellen. Davon gab es auf dem City Circuit an der WM zwei. Das System bei diesem Verband funktioniert so, dass die Personen dem Trainer melden, wenn eine Fahrerin nicht auftaucht. «Oder ich rufe mal an, sie sollen bei der Durchfahrt einer Fahrerin eine Info übers Rennen zurufen.»
Teams haben keinen Live-Zugriff auf Trackings
Hätte also bei Swiss Cycling auf diese Weise auch früher bemerkt werden können, dass Furrer fehlt? Der Verband schweigt auch zur Frage nach den Verpflegungsstellen. Furrer fehlte neben der ersten Zielpassage auch bei drei Verpflegungsdurchfahrten. Der Insider sagt aber auch: Wenn das Rennen hektisch und unübersichtlich wird, sei es nicht unüblich, dass eine Fahrerin eine Zeit lang aus den Augen gerät.
Was ist mit dem Tracking? Wie bekannt, dienen die GPS-Daten der Velos vor allem dem TV, die Teams haben keinen Live-Zugriff. Es gäbe theoretisch die Möglichkeit eines teaminternen Live-Trackings, doch dafür müssten alle Velocomputer der Fahrerinnen vom selben Hersteller stammen.