Muriel Furrer (†18)
Protokoll der Tragödie – neue Details zum Tod des Schweizer Rad-Talents

Noch immer kann niemand verstehen, warum Muriel Furrer während der Rad-WM sterben musste. Gemäss Blick-Informationen war die Zürcherin wohl nicht alleine im Wald unterwegs.
Publiziert: 01.10.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2024 um 12:45 Uhr
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Am vergangenen Donnerstag stürzte Muriel Furrer schwer. Am Tag darauf erlag die erst 18-Jährige ihren schweren Verletzungen. Das Protokoll einer Tragödie.
Foto: IMAGO/Photo News

Seit Tagen wird gerätselt, wie es zum tödlichen Unfall des Schweizer Rad-Talents Muriel Furrer (†18) kommen konnte. Die Zürcherin war am Donnerstag während des WM-Rennens der U19-Juniorinnen in einem Waldstück bei Küsnacht ZH von der Strecke abgekommen und danach während längerer Zeit unentdeckt und schwer verletzt liegen geblieben. Einen Tag später teilte der Rad-Weltverband UCI mit, dass Furrer an den Folgen ihres Schädel-Hirn-Traumas gestorben ist.

Am Montagnachmittag gaben die Kantonspolizei Zürich und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich in einer gemeinsamen Mitteilung erste Details bekannt, die sich mit der Blick-Berichterstattung der letzten Tage decken.

«Nach ersten Erkenntnissen stürzte die Fahrerin bei Küsnacht, während einer Abfahrt vom Weiler Schmalzgrueb in einer leichten Linkskurve. Hinweise auf Dritteinwirkung liegen bislang keine vor. Der Sturz wurde nach heutigem Ermittlungsstand nicht beobachtet. Es liegen dazu bisher keine Fernsehbilder oder andere Aufnahmen vor. Zeugen sind keine bekannt», heisst es in der Medienmitteilung.

Helfer sind nach Furrers Sturz an Unfallstelle im Einsatz
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Video zeigt:Helfer sind nach Furrers Sturz an Unfallstelle im Einsatz

Und weiter: «Die bisherigen Ermittlungen zeigen, dass die gestürzte Athletin durch einen Angehörigen der Streckensicherheit bewusstlos abseits der Strecke im Wald entdeckt worden ist. Die unmittelbar aufgebotenen Rettungskräfte trafen kurz darauf am Unfallort ein und übernahmen die Erstversorgung. Der genaue Zeitpunkt des Unfalls ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht restlos geklärt.»

Blick-Recherchen ergeben nun, dass Muriel Furrer wohl um 11.03 oder 11.04 Uhr gestürzt sein muss und dass es sowohl vor ihr als auch hinter ihr andere Fahrerinnen gab. Sie war demnach mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht alleine unterwegs. Ob ihre unmittelbaren Konkurrentinnen aber etwas mitbekommen haben, ist nach wie vor völlig unklar. Auf Nachfrage heisst es bei den Behörden, dass sich bisher keine der Rennfahrerinnen gemeldet habe.

Das Protokoll dieses tragischen 26. September 2024.

10.00 Uhr: In Uster erfolgt der Start zum WM-Rennen der U19-Juniorinnen. 120 Fahrerinnen nehmen die knapp 75 Kilometer bis ins Ziel in Zürich in Angriff, darunter die vier Schweizerinnen Lara Liehner (18), Sirin Städler (am Donnerstag 18), Chiara Mettier (17) und Muriel Furrer (18). Nach einer Runde um den Greifensee geht es auf den sogenannten City Circuit, der zweimal befahren werden muss.

Ca. 10.59 Uhr: Furrer und die Österreicherin Ramona Griesser bewältigen nebeneinander die harte 18-prozentige Steigung zwischen Zumikon und Küsnacht. Noch ist es gut einen Kilometer bis zum Waldstück, in dem der Unfall passierte.

11.03 Uhr: Furrer fährt 400 Meter oberhalb der mutmasslichen Unfallstelle an einem Blick-Leserreporter vorbei. Nichts deutet auf das bevorstehende Drama hin. Die Situation an dieser Stelle sieht gemäss dem Video, das Blick vorliegt und mit Sorgfalt ausgewertet hat, wie folgt aus: Zuerst kommen zwei Fahrerinnen. Eineinhalb Sekunden später erscheint eine Fahrerin, an ihrem Hinterrad Furrer. Mit leichtem Rückstand, aber mit Sichtkontakt zur Schweizerin, folgen dann erst einzeln zwei Fahrerinnen und danach ein Dreier-Grüppchen. Acht Sekunden nach Furrer passiert die Österreicherin Griesser diese Stelle. Nach vier weiteren Fahrerinnen folgen zahlreiche Begleitfahrzeuge.

Ca. 11.04 Uhr: Etwa zwischen 20 und 30 Sekunden, nachdem Furrer den Blick-Leserreporter passiert hat, muss der tragische Unfall in der Linkskurve passiert sein.

11.14 Uhr: Eine Fünferspitzengruppe überquert zum ersten Mal die Ziellinie. Furrer ist eine von zwei Fahrerinnen, die hier die Zwischenzeit nicht auslösen.

11.45 Uhr: Die Spitzengruppe fährt auf ihrer zweiten Runde an der mutmasslichen Unfallstelle vorbei. Es ist nichts von einem Unfall zu sehen.

11.58 Uhr: Die Britin Cat Ferguson erreicht als Erste den Sechseläutenplatz in Zürich und krönt sich zur Weltmeisterin.

12.15 Uhr: Auf dem Zürcher Münsterhof werden die beiden Paracycling-Rennen der Kategorien Männer C4–C5 und Männer C3 gestartet. Ihr WM-Lauf führt ebenfalls über den City Circuit.

12.20 Uhr: Der Blick-Leserreporter entfernt sich von seiner Position. Er hat bis zu diesem Zeitpunkt – 75 Minuten nach dem Unfall – keine Sirenen der Ambulanz oder der Polizei gehört.

12.29 Uhr: Mit der Inderin Harshita Jakhar erreicht die letzte Fahrerin des U19-Juniorinnen-Rennens das Ziel. Neun Fahrerinnen erreichen dieses nicht, darunter Furrer.

12.33 Uhr: Mit diesem Zeitstempel versehen, gibt die UCI das Endergebnis heraus. Furrer und die weiteren Ausgeschiedenen werden wie gewohnt als DNF bezeichnet (Did not finish, nicht im Ziel).

12.45 Uhr: Als die Paracycling-Fahrer an der mutmasslichen Unfallstelle von Furrer vorbeifahren, stehen dort zwei Krankenwagen, ein Polizeiauto, ein Auto von Swiss Cycling und ein weiteres Begleitfahrzeug. Gemäss Blick-Informationen sind die Rettungskräfte noch nicht allzu lange dort. Das passt auch zur Aussage von Rolf Jäger, Mediensprecher der Zürcher Staatsanwaltschaft, gegenüber «Tele Züri» am Montagabend: «Der Sicherheitsdienst hat die Strecke nach dem Rennen abgefahren, man hat nach ihr gesucht und sie dann gefunden.»

12.52 Uhr: In Dübendorf startet ein Rega-Rettungshelikopter in Richtung Unfallstelle.

12.56 Uhr: Unterhalb des Waldes landet dieser Hubschrauber vier Minuten später auf einer Wiese.

13.32 Uhr: Der Helikopter hebt ab und landet drei Minuten später beim Zürcher Unispital.

18.32 Uhr: In einer gemeinsamen Mitteilung geben die UCI, Swiss Cycling und das Zürcher WM-OK bekannt, dass die Zürcherin während des Rennens schwer gestürzt ist. «Sie erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und befindet sich in einem sehr kritischen Zustand.»

Einen Tag später hat Muriel Furrer den Kampf verloren. Sie starb 18-jährig. Am Montag erinnert an der mutmasslichen Unfallstelle nur noch eine Kerze – versteckt im hohen Gras – an die Tragödie, die sich an diesem verhängnisvollen Donnerstag ereignet hat.

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