Im November 2023 gab Ex-Radprofi Jan Ullrich (50) nach langem Schweigen erstmals öffentlich zu, während seiner Karriere gedopt zu haben. Rund ein halbes Jahr nach seinem Geständnis spricht der Deutsche im ZDF-Sportstudio erneut über seine Doping-Vergangenheit. «Letztendlich habe ich betrogen, ja», bekennt Ulrich. «Es war nicht richtig, was wir gemacht haben», fügt er sogleich hinzu.
Seine ersten Profijahre im Radsport sei er damals «völlig naiv» angegangen. Sein Team Telekom habe ihm aber auch «plausibel erklärt», dass flächendeckendes Doping im Profi-Radsport normal sei. «Ab da denkt man natürlich nach, ab da will man natürlich die gleichen Waffen. Man will nicht mit dem Messer zur Schiesserei kommen, das ist einfach so. Du willst ja auch dein Talent weiterhin zeigen. Ich dachte dann, das gehört zum Profisein dazu und hab das dann mitgemacht», erklärt Ullrich sein Dilemma im deutschen Fernsehen.
Suspendierung wegen Eigenblutdopings
Doping zu verweigern, sei ihm damals nicht in den Sinn gekommen. «Das wäre wahrscheinlich mit dem Karriereende gleichbedeutend gewesen», so Ullrich. Denn in seiner Zeit habe er niemanden erlebt, der Doping abgelehnt hätte.
Kurz vor Beginn der Tour de France 2006 wurde der ehemalige deutsche Radprofi wegen Eigenblutdopings von seinem damaligen Team T-Mobile ausgeschlossen. «An dem Tag war ich in Schockstarre. Man glaubt ja selber, man macht nichts Verbotenes», so Ullrich. Intern habe man Bescheid gewusst, weshalb der 50-Jährige die Suspendierung von seinem eigenen Team nicht nachvollziehen konnte und sich wie ein «ausgesetztes Familienmitglied» gefühlt habe.
Dopingvorwürfe führten zu Alkohol- und Drogensucht
Weil Doping im Radsport stark verbreitet war und viele Fahrer ebenfalls gedopt hatten, habe sich Ullrich auch nie schuldig gefühlt und jahrelang kein Geständnis abgelegt. Daher stamme auch sein berühmter Satz «Ich habe niemanden betrogen», den Ullrich nun im Sportstudio revidierte.
Die weiteren Dopingvorwürfe hätten ihn in den folgenden Jahren stark belastet. Nach seinem Karriereende 2007 geriet Ullrich deshalb in eine schwere Alkohol- und Drogensucht. Die Anschuldigungen hätten ihn «mürbe gemacht» und «aufgefressen». Auch private Probleme kamen hinzu. Die Ehe mit seiner Frau Sarah scheiterte. Er habe keinen Plan gehabt für das Leben und alles verloren, auch seine Familie. «Das war das, was an meiner Seele gefressen hat», erklärt der zweifache Familienvater. Hilfe holte sich Ullrich schliesslich in einer Entzugsklinik.
«Weltverband hat selbst geschwiegen»
In der heutigen Zeit sei das Problem mit Doping nicht mehr so gross, sagt der Tour-de-France-Gewinner von 1997. Eine Flut an Dopingfällen, wie es sie zu seiner aktiven Zeit gegeben hat, könne sich der Radsport nicht noch mal leisten. Die aktuelle Generation hätte zudem aus den Fehlern der älteren Generation in der Vergangenheit gelernt. «Ich glaube, dass es heute nicht mehr möglich ist, flächendeckend zu dopen», meint Ullrich.
Der Radsport habe sich auch verändert. Der Weltverband UCI sei grösser geworden und habe mehr finanzielle Mittel zur Verfügung. Durch aerodynamischere Fahrräder, eine professionellere Ernährung und eine strengere Überwachung des Trainings könnten die Fahrer heute recht einfach schnelle Zeiten erreichen.
Die Dopingszene während seiner aktiven Zeit könne Ullrich nur aus seiner Sicht beschreiben. «Der Weltverband hat damals gewusst, was los war – aber er hat selbst geschwiegen». Genauso wie sich der Radprofi selbst 17 Jahre lang in Schweigen gehüllt hatte.