Olympia-Check im Schiessen
Goldener Auftritt, aber eine bevorstehende Zäsur

Im Olympia-Check zieht Blick bei abgeschlossenen Disziplinen Bilanz. Sie fällt im Schiessen hervorragend aus. Chiara Leone holt Gold, Audrey Gogniat Bronze. Aber es gibt auch Schattenseiten.
Publiziert: 04.08.2024 um 16:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2024 um 07:25 Uhr
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Glanzvoller Empfang in Biel: Am Samstag ist die Schweizer Delegation zurück, mit Chiara Leone (l.) und Audrey Gogniat tragen gleich zwei Schützinnen Medaillen um den Hals.
Foto: keystone-sda.ch
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Die Bilanz

Zwei Medaillen vom Schiessen – das ist nach der ersten Woche ein Drittel der Schweizer Medaillenausbeute. Ganz stark. Der Schiesssport ist zum zuverlässigsten Medaillenlieferanten geworden. Wie oft vor grossen Erfolgen brauchte es zuerst einen Tiefpunkt. In London 2012 passte nichts zusammen. Mit der dann aufgegleisten Reformation schafften die Schützen den nötigen Sprung vom Amateursport zum Spitzensport. In Magglingen, respektive Biel, wurde vom Verband ein nationales Leistungszentrum errichtet. Die aussichtsreichsten Talente trainieren seither in einem professionellen Umfeld gegen- und miteinander. So wurde der Quantensprung an die Weltspitze möglich, und gleichzeitig eine Breite geschaffen, die selbst viel grössere Landesverbände wie Deutschland nicht bieten können.

Das Highlight

Es ist das grosse Schweizer Highlight insgesamt an den bisherigen Paris-Tagen: Chiara Leone schiesst sich am Freitag zum Olympiasieg. Die Aargauerin gewinnt die Königsdisziplin 50 Meter Dreistellung. Wie Leone im Final die Nerven behält und den letzten Schuss ins Zentrum knallt, ist eine Augenweide. Leone ist damit direkte Nachfolgerin von Landsfrau Nina Christen. Dass die kleine Schweiz an Sommerspielen dieselbe Kategorie zweimal in Folge gewinnt, aber mit zwei verschiedenen Athletinnen, ist ein beispielloser Erfolg.

Die Enttäuschung

Fahnenträgerin Nina Christen kommt in Frankreich nicht auf Touren. In Tokio mit zwei Medaillen die grosse Figur, verpasst sie auf dem Schiessstand von Châteauroux zweimal den Final. In der Quali mit dem Luftgewehr hat sie ein Problem mit ihrer Hüfte, das saugt ihr viel Energie ab. In der Kleinkaliber-Quali hadert sie mit den extrem schwierigen Bedingungen und bilanziert ihren Auftritt schonungslos: «Das reichte einfach nicht.» Offen bleibt, wie belastend es für Christen war, nicht ihren Gewehrtrainer Torben Grimmel an der Seite gehabt zu haben. Ihr persönlicher Trainer bekam keine der beiden Akkreditierungen für Trainer, Swiss Shooting entschied sich in der Gewehrsparte für Enrico Friedemann, mit dem sich Christen einst überwarf.

Die Überraschung

Als am Montag im 10-Meter-Luftgewehr statt Nina Christen die Jurasserin Audrey Gogniat im Final steht, rechnen nur Optimisten mit einer Medaille. Doch die 21-Jährige schlägt zu, holt mit Bronze die erste Schweizer Medaille an diesen Spielen. Wie später in der Woche Leone zeigt auch sie, wie enorm gut das Schweizer Team auf den hohen Druck der Krimi-Situationen zum Schluss des Wettkampfs vorbereitet ist.

Die Geschlechterfrage

Der Schützensport ist weiblich – alle fünf Olympia-Medaillen seit 2016 holten Frauen. Vier verschiedene notabene. Das ist grossartig – doch es stellt sich die Frage, warum nicht ebenso viele starke Männer an die Weltspitze kommen. Leistungssportchef Daniel Burger sagt, es liege an der Auswahl: «Es gibt einfach mehr Frauen, die den nötigen Biss mitbringen.» Doch die Anstrengungen laufen, um auch bei den Männern künftig mitziehen zu können.

Die Zukunft

Die einschneidendste Zäsur folgt im Oktober. Daniel Burger hört nach zehn Jahren als Leiter Spitzensport und Nachwuchsförderung auf, er arbeitet künftig für einen deutschen Sportwaffenhersteller. Er hatte den Abgang schon vor den Spielen in Paris angekündigt. Mit Burger verliert Swiss Shooting den Architekten von fünf Olympia-Medaillen, den Drahtzieher hinter dem ganzen Aufstieg der Schweiz zu einer breit abgestützten Schützen-Nation, den Mastermind hinter der extrem erfolgreichen Nachwuchsförderung. Noch ist keine Nachfolgerin oder Nachfolger bestimmt, das Erbe ist enorm. Da wird schon fast Nebensache, ob Tokio-Überfliegerin Nina Christen bis Los Angeles 2028 weitermacht oder nicht. Denn mit Leone, Gogniat, den Jäggi-Schwestern und weiteren kommt viel frisches Blut nach.

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