Machte der Schweizer Radverband Fehler?
Flückiger attackiert nach Dopingfreispruch Swiss Cycling

Mountainbiker Mathias Flückiger wurde zwar endgültig vom Dopingverdacht freigesprochen, doch für ihn ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Er fordert die Rückerstattung seiner Kosten von über 160'000 Franken. Und will ein Sorry von Swiss Cycling – doch das bleibt aus.
Publiziert: 22.10.2024 um 17:03 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2024 um 09:57 Uhr
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Der 18. August 2022 hat das Leben des Mountainbike-Profis Mathias Flückiger für immer verändert.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Mathias Flückiger wurde endgültig vom Dopingvorwurf freigesprochen
  • Swiss Cycling habe grossen Schaden durch falsche Dopingmeldung verursacht
  • Der Schweizer Radverband wehrt sich gegen die Vorwürfe
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Der Doping-Verdachtsfall um Mathias Flückiger (36) bleibt mysteriös. Einige Fragen sind auch nach dem endgültigen Freispruch des Mountainbike-Profis ungeklärt. Zum Beispiel, warum der Schweizer Radsportverband Swiss Cycling am 18. August 2022 öffentlich von einer «positiven Dopingprobe» sprach, obwohl es sich nur um einen «atypischen Befund» handelte.

Für Flückiger ein unerklärlicher Fehler. «Das hätte nicht passieren dürfen», sagt er am Montag, drei Tage, nachdem sein Fall definitiv abgeschlossen wurde. Er ergänzt: «Sie haben damit einen riesigen Schaden verursacht.» Praktisch alle Medien übernahmen damals die Formulierung von Swiss Cycling. Die da war: Flückiger habe eine positive Probe abgegeben.

Swiss Cycling wehrt sich

Jetzt attackiert er den Verband. Doch Swiss Cycling wehrt sich und sagt auf Blick-Anfrage, damals in München nichts falsch gemacht zu haben. Man sei gar keine Partei im ganzen Fall. Die Verwirrung zwischen positiver Dopingprobe und atypischem Befund sei schon zuvor bei den Dopingjägern von Swiss Sports Integrity passiert.

Zur auffälligen Urinprobe kam es anlässlich der Schweizer Meisterschaften im Juni 2022. Bei Flückiger wurde die anabole Substanz Zeranol nachgewiesen. Da der Wert mit 0,3 Nanogramm pro Milliliter deutlich unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter lag, handelte es sich um einen atypischen Befund. Und nicht um eine positive Dopingprobe. «Der Verband hat praktisch ohne Wissen kommuniziert. Das geht nicht.» Flückiger wurde einen Tag vor dem EM-Rennen in München auf Geheiss von Swiss Sports Integrity provisorisch gesperrt.

Flückiger wünschte sich mehr Zeit

Bis heute versteht der Berner nicht, warum der Verband den vermeintlichen Dopingfall nicht noch ein paar Tage für sich behielt. «Man hätte sagen können, dass es mir nicht gut geht und ich deshalb nicht fahren kann. Das hätte ja gestimmt.» Was allen Beteiligten die Chance gegeben hätte, sich den Fall genauer anzusehen.

Hier widerspricht Swiss Cycling vehement und teilt mit: «Wir hatten als Verband keine andere Wahl, als die provisorische Sperre umzusetzen.» Zuletzt zeigte allerdings der Fall von Tennis-Star Jannik Sinner anderes. Der Italiener wurde gleich zweimal gesperrt – es wurde aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich bekannt und Sinner bekam Zeit, um Argumente zur (vorerst erfolgreichen) Verteidigung zu sammeln.

Angeblich soll dieses Szenario auch mit Flückiger besprochen worden sein. Dieser sagt aber: «Ich war da nicht mehr zurechnungsfähig.» So tief sass der Schock. Gemäss Flückiger haben sich mehrere Personen aus seinem und aus dem Umfeld des Verbandes für eine zurückhaltende Kommunikation starkgemacht.

Wer hat welche E-Mail bekommen?

Diese fanden kein Gehör. Wenige Stunden nach der Schocknachricht gab Swiss-Cycling-Geschäftsführer Thomas Peter gegenüber SRF Auskunft. «Wir wurden von Swiss Sports Integrity über einen positiven Dopingtest von Mathias Flückiger informiert», erklärte er. Blick hat das Mail gesehen, dass die SSI mutmasslich an den Verband und an den Athleten geschickt hat. Darin ist von einem «atypischen Befund» die Rede. Im Betreff der Nachricht stand jedoch: «positive Dopingprobe».

Ob es deshalb zu den Falsch-Aussagen kam? Swiss Cycling betont, in der SSI-Mail, die der Verband erhalten habe, sei auch inhaltlich vom positiven Test die Rede gewesen. Diese Informationen habe man dann publik gemacht. Wer tatsächlich welche Mail mit welchem Inhalt erhielt, bleibt also offen.

Flückiger will mehr Geld

Die provisorische Sperre von Flückiger wurde im Dezember 2022 von der Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic aufgehoben. Eine Sperre war nicht rechtens, weil es dazu eine positive A-Probe benötigt hätte. Zudem konnte Flückiger Argumente für seine Unschuld präsentieren – unter anderem zwei negative Dopingkontrollen kurz vor und nach dem Zeranol-Befund sowie eine negative Haarprobe, die er auf eigene Initiative durchgeführt hatte.

Im Mai 2024 folgt der Freispruch durch die DK. Flückigers Dopingprobe und Analyseresultat wurde als nicht verwertbar deklariert. Bis heute wartet Flückiger vergebens auf eine Entschuldigung von Swiss Cycling und auch der SSI. «Sie haben die Grösse nicht, einen Fehler einzugestehen.» Dann zieht er ein vernichtendes Fazit: «Es wirkt auf mich so, als seien einige Verbandsleute ihrem Amt nicht gewachsen.»

Auf diesen happigen Vorwurf geht der Verband gegenüber Blick nicht konkret ein. Swiss Cycling verweist auf sein Statement von letzter Woche, der Tenor: «Swiss Cycling freut sich für Flückiger und fordert den Schweizer Sport auf, die aufgetretenen Defizite im Dopingkampf zu beheben.» Die Freude ist sehr einseitig.

Trotz des Freispruchs ist die Sache für Flückiger noch nicht abgeschlossen. «Ich will, dass meine Rechnungen gezahlt werden.» Von der SSI erhält er neben den Verfahrenskosten von 3000 Franken eine Entschädigung von 43'380 Franken – zu wenig für den Mountainbike-Profi.

Was ihn der Kampf für seine Unschuld kostete, ist noch nicht final beziffert. Die Summe aller Ausgaben liegt aber sicher über 160'000 Franken – ohne Flückigers Lohnausfall. Dieses Geld will er zurück. Hinter den entgangenen Prämien und Sponsoringeinnahmen ist er nicht her. «Irgendwann will ich diesen Fall abschliessen.» In Vergessenheit geraten soll er aber nicht. «Ich erhoffe mir, dass es aufgerollt wird und man daraus etwas lernt.»

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