Im Dopingverdachtsfall Mathias Flückiger spielt Mathias Flückiger (35) keine grosse Rolle mehr. In seinem Fall gehts nicht mehr wirklich darum, ob der Mountainbike-Star vielleicht mal gedopt hat oder, wie mittlerweile wahrscheinlicher, nicht gedopt hat. Der Fall Flückiger ist zu einem unwürdigen Gezanke zwischen zwei Institutionen geworden, die sich eigentlich für einen gerechten und ethisch sauberen Sport ergänzen sollen: die Dopingjäger der Stiftung Swiss Sports Integrity (SSI) und die Disziplinarkammer von Swiss Olympic. Die SSI untersucht Fälle, die Disziplinarrichter beurteilen sie und entscheiden über das Strafmass.
Doch bei Flückiger war es von Anfang an ein Murks. Als die SSI in seiner Urinprobe Zeranol fand, reichte die Menge nicht, um als Dopingfall zu gelten, es wurde als «atypisches Ergebnis» taxiert. Im August 2022 wurde Flückiger provisorisch gesperrt. Der Berner legte Rekurs ein, worauf die Disziplinarkammer im Dezember 2022 die Sperre aufhob.
Dopingjäger hadern mit dem Urteil
Seither schwelt der Zoff. Doch das neueste Kapitel ist beispiellos in der Geschichte des Schweizer Sports. Denn die Dopingkämpfer gehen jetzt frontal auf die Disziplinarkammer los. Die SSI ist derart empört über den Freispruch von Flückiger durch die Disziplinarkammer, dass sie – unüblich – den Entscheid selber publiziert und – noch unüblicher – noch vor Erhalt der Urteilsbegründung an einer eilig einberufenen Medienkonferenz kommentiert.
SSI-Direktor Ernst König am Freitagabend: «Wir wollen damit Transparenz schaffen. Uns wurde am Nachmittag in einem Dispositiv mitgeteilt, dass der Freispruch erfolge, weil die Dopingprobe von Herrn Flückiger nicht verwertbar sei.» Alleine der Fakt, dass sich die ganze Argumentation um die Gültigkeit der Probe drehe, stellen die SSI-Vertreter als für sie unfassbar dar. König: «Es ist für uns in keinster Art und Weise nachzuvollziehen. Wir sind absolut überzeugt, dass die Probe alle Anforderungen erfüllt und verwertbar ist.»
Wurden Richtlinien nicht eingehalten?
Besser als dieser Freitag lässt sich kaum darstellen, wie verworren der Flückiger-Fall ist. Am Tag, an dem der Freispruch bekannt wird, eskaliert alles erst recht zur Schlammschlacht. Neben König redet mit Marco Steiner auch ein Anwalt, den die SSI für diesen Fall beigezogen hat. Zudem kommt Martial Saugy zu Wort, ein unabhängiger Experte und früherer Laborchef.
Sie alle betonen: Der Ablauf bei der Urinprobe selber im Juni 2022 nach der SM in Leysin VD sowie die Lagerung und Handhabung im Labor sei korrekt abgelaufen.
Weil die SSI die genaue Urteilsbegründung noch gar nicht kennt, vermuten König und Co., dass nicht die Abläufe bei der Analyse im Labor bemängelt werden, sondern sogenannte kontrollablauftechnische Vorgänge. Sprich, dass Richtlinien bei der Entnahme nicht eingehalten wurden.
Fall umfasst mittlerweile ein Mega-Dossier von über 3000 Seiten
In diesem Punkt wird die Schlammschlacht sogar schmutzig. Denn die SSI schiesst auch direkt gegen den Bike-Profi. Anwalt Steiner: «Flückiger hat jeden einzelnen Punkt infrage gestellt. Sogar, dass er mit seiner Urinprobe etwa zehn Meter gehen musste, wo ihn andere Menschen sehen konnten. Das wurde von ihm als Persönlichkeitsverletzung bezeichnet. Doch so etwas kann doch niemals zu einem Problem mit der Verwertbarkeit der Probe führen!»
Daneben kriegt die Disziplinarkommission ihr Fett weg. Der Vorwurf: Die letzten sieben Monate sei der Fall liegengelassen worden. Doch dann sei es plötzlich zu schnell gegangen. Am 16. Mai erhielt die SSI die Verfügung mit einem 3152-seitigen Dossier, das man bis zur Anhörung am 22. Mai unmöglich hätte angemessen durchackern können. König: «Unser Anspruch auf rechtliches Gehör wurde in eklatanter Weise verletzt.» Allerdings gesteht Anwalt Steiner auf Nachfrage ein, dass längst nicht alle der über 3000 Seiten neu für die SSI waren.
Am 5. Juni 2022 nach der SM in Leysin VD werden bei Mathias Flückiger in einer Dopingprobe 0,3 Nanogramm pro Milliliter der anabolen Substanz Zeranol nachgewiesen. Weil der Befund aber unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter liegt, gilt er zunächst nicht automatisch als positiv. Er wird als sogenannt atypisch gewertet, woraufhin Swiss Sport Integrity (SSI, vormals Antidoping Schweiz) weitere Abklärungen veranlasste.
Am 18. August zieht SSI Flückiger dann aber als provisorisch gesperrt aus dem Verkehr. Es ist nun fälschlicherweise von einer positiven Probe die Rede. Vier Monate später hebt die Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic die Sperre wieder auf – sie folgt damit der Darstellung der Flückiger-Seite. Diese wirft SSI Verfahrensfehler vor. Ein atypischer Befund wird nicht öffentlich gemacht. Und die Beweislast liegt nicht beim Athlet, sondern bei SSI.
Der Fall bleibt über Monate hängig, die Anwälte haben viel zu tun. Dann spricht die DK im Mai 2024 Flückiger definitiv frei. Seine Probe gilt als nicht verwertbar. SSI und die Welt-Dopingagentur Wada verzichten auf einen Weiterzug.
Am 5. Juni 2022 nach der SM in Leysin VD werden bei Mathias Flückiger in einer Dopingprobe 0,3 Nanogramm pro Milliliter der anabolen Substanz Zeranol nachgewiesen. Weil der Befund aber unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter liegt, gilt er zunächst nicht automatisch als positiv. Er wird als sogenannt atypisch gewertet, woraufhin Swiss Sport Integrity (SSI, vormals Antidoping Schweiz) weitere Abklärungen veranlasste.
Am 18. August zieht SSI Flückiger dann aber als provisorisch gesperrt aus dem Verkehr. Es ist nun fälschlicherweise von einer positiven Probe die Rede. Vier Monate später hebt die Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic die Sperre wieder auf – sie folgt damit der Darstellung der Flückiger-Seite. Diese wirft SSI Verfahrensfehler vor. Ein atypischer Befund wird nicht öffentlich gemacht. Und die Beweislast liegt nicht beim Athlet, sondern bei SSI.
Der Fall bleibt über Monate hängig, die Anwälte haben viel zu tun. Dann spricht die DK im Mai 2024 Flückiger definitiv frei. Seine Probe gilt als nicht verwertbar. SSI und die Welt-Dopingagentur Wada verzichten auf einen Weiterzug.
Für Flückiger gehts jetzt um Olympia
Wie weiter? Die Dopingjäger kündigen an, dass sie oder auch der Radweltverband UCI oder die Weltdopingagentur WADA den Fall ans internationale Sportgericht TAS in Lausanne weiterziehen könnten. Steiner ist überzeugt: «Das TAS würde diesen Entscheid sicher umstossen.»
Flückiger selber mag sich in diesen Stunden nicht damit beschäftigen. Er weilt in Tschechien, wo das für die Olympia-Selektion entscheidende Weltcuprennen stattfindet. Reden über seinen umstrittenen Freispruch wird er frühestens nach Nove Mesto.