Auf einen Blick
Vier Tage lang haben die Holländer demonstriert, wie Begeisterung für die Leichtathletik aussehen kann. Ohne den ohrenbetäubenden Lärm von 5000 in Orange gekleideten Fans in der modernen Halle in Apeldoorn hätte das Ausrichterland wohl nicht sieben Goldmedaillen geholt – und die ersten Verfolger (Italien, Norwegen) nur drei.
Eine winzige Hundertstelsekunde hat gefehlt – und die Schweiz wäre die erste Verfolgerin der Niederlande geworden. Wenn Mujinga Kambundji (32) im abschliessenden 60-Meter-Sprint Gold nicht knapp verpasst hätte. Es wurde in einer Weltklassezeit von 7,02 Sekunden Silber. Und für die Schweiz ist es nach dem Medaillenregen die erfolgreichste Hallen-EM der Geschichte.
Mujinga Kambundji: Diese EM gehört Ditaji
Soeben hat die Schweizer Sprint-Königin Mujinga Kambundji ihre zehnte Medaille an internationalen Titelkämpfen geholt. Doch sie kann gut einen Schritt zurücktreten und ihre zehn Jahre jüngere Schwester Ditaji Kambundji (22) ins Rampenlicht stellen. Bleibt Apeldoorn für sie für immer speziell? «Von dieser Meisterschaft werden wir alle Didi in Erinnerung behalten», sagt die grosse Schwester stolz über die Hürden-Heldin, die den Medaillenregen am Freitagabend fast in Weltrekordzeit eröffnete.
Beim ersten Zmittag von Ditaji als Europameisterin am Samstag war Mujinga das Gegenüber. Und beim Gold-Lauf war sie vor dem TV ihr grösster Fan. Zusammen mit William Reais (25) und Jason Joseph (26) fieberte sie im Hotelzimmer mit. Was für ein Fangrüppchen. «Drei Leute, die Didi mega wichtig sind und sie gut kennen», sagt Mujinga. Sie trainieren auch zusammen.
Ein Tag zusammen ganz oben
«Ich glaube, sie hatten es recht lustig», strahlt Ditaji Kambundji im Europameisterinnen-Interview mit Blick, angesprochen auf ihr Fantrüppchen im Hotelzimmer. «Sie haben sich alle sehr fest gefreut für mich. Das ist das, was zählt.» Nicht nur die zwei Fans im Hotel. Vater Safuka, Mutter Ruth und Tante Edith Nafzger sitzen stolz im Stadion, wollen sich aber eher im Hintergrund halten.
Und plötzlich ist auch die kleine Schwester nahe am Weltrekord, 0,02 Sekunden fehlen. Mujinga Kambundji liegt im 60-Meter-Sprint mit ihrer Zeit von 2022 in Belgrad vier Hundertstel darüber. «Es ist unglaublich schön, gleichzeitig auf Topniveau zu sein und das zusammen teilen zu können.» Nicht mehr nehmen lassen können sie sich: Für einen Tag waren Ditaji und Muijnga Kambundji trotz zehn Jahren Altersunterschied gemeinsam Europameisterinnen.
Ehammer: «Junge schwätzen so, wie ich früher»
Eine bestimmte Szene bleibt für die Schweizer Leichtathletik in Erinnerung: Es ist kurz vor 21 Uhr am Samstagabend, als Simon Ehammer (25) seinen Siebenkampf als Zweiter beendet. Auf der Ehrenrunde trifft er auf Angelica Moser (27), die sich im Stabhochsprung auf Gold-Kurs befindet. Die beiden umarmen sich. Wenige Meter davon entfernt setzt Annik Kälin (24) kurz darauf zu einem Satz im Weitsprung an, holt Silber.
Drei Schweizer Stars parallel in Entscheidungswettkämpfen im Einsatz. Darauf angesprochen, sagt Ehammer: «Das gibt eine schöne Dynamik. Nicht nur für uns Aktive, sondern auch für die Jungen. Wenn ich sie reden höre, das ist so, wie ich früher geschwätzt habe. Da dachte jeder: Woah – die denken gross. Und jetzt gibts einen solchen Schweizer Abend.»
Zwei Dramen spielen sich ab
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Hürdensprinter Jason Joseph (26) geht als Titelverteidiger ins Rennen – und bleibt im Halbfinal hängen. Im Interview zeigt er sich von einer völlig neuen Seite – ganz gefasst statt angefressen. Trotzdem: Die Hallen-WM in China steht danach zur Diskussion. «Die Frage ist nun, ob es mehr Sinn macht, zwei Wochen mehr zu trainieren für die Outdoor-Saison.»
Das zweite Drama erlebt das grösste Talent: Audrey Werro (20) qualifiziert sich über 800 Meter souverän für den Final, hat sogar Chancen auf Gold. Bezahlt dann aber im harten Final Lehrgeld, wird immer wieder angerempelt und stürzt. Nach Vorlauf und Halbfinal ist aber klar: Lernt die Freiburgerin taktisch dazu, steht ihr die 800-Meter-Welt offen.
Bestmarke von 1984 übertroffen
Den grössten Medaillenregen gab es in der 53-jährigen Hallen-EM-Geschichte 1984 in Göteborg (Sd). Peter Wirz (1500 m) holte Gold. Markus Ryffel (3000 m) und Werner Günthör (Kugel) Silber. Sandra Gasser (1500 m) und Roland Dalhäuser (Hochsprung) Bronze.
Zweimal Gold, dreimal Silber. «Rein von der Medaillenfarbe ist es besser», sagt Philipp Bandi (47), Leistungssportchef beim Verband im WM-Bilanz-Gespräch mit Blick. «Wenn man schaut, was es für Leistungen sind, dann sieht man: Von den fünf Medaillen war es viermal zumindest die Egalisierung eines Schweizer Rekords. Darunter auch ein Europarekord.» Dieser stammt von Ditaji Kambundjis Fast-Weltrekord-Lauf.
«Man darf nicht vergessen: Ditaji Kambundji ist über 60 Meter Hürden die Nummer zwei aller Zeiten der Welt. Simon Ehammer im Siebenkampf die Nummer fünf. Das ist ein unglaubliches Niveau. Die internationale Leistungsentwicklung ist über die letzten Jahre da – die Schweizerinnen und Schweizer können hier aber mithalten. So kann man sagen: Wenn man es über die Jahre anschaut, ist es historisch und eine Steigerung gegenüber Istanbul von vor zwei Jahren.»
Spitze ja – aber ist das Schweizer Team auch in der Breite so stark wie nie zuvor? Bandi: «Die definitive Auswertung steht noch an. Aber auffällig ist zum Beispiel, dass über die Mittelstrecken von sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern fünf weitergekommen sind, drei in den Final. Eine starke Bilanz.» Auch abseits der Medaillen der Stars. 21-köpfig war das Aufgebot diesmal. Damit etwas kleiner als zuletzt – aber stärker.
Zweimal Gold, dreimal Silber. «Rein von der Medaillenfarbe ist es besser», sagt Philipp Bandi (47), Leistungssportchef beim Verband im WM-Bilanz-Gespräch mit Blick. «Wenn man schaut, was es für Leistungen sind, dann sieht man: Von den fünf Medaillen war es viermal zumindest die Egalisierung eines Schweizer Rekords. Darunter auch ein Europarekord.» Dieser stammt von Ditaji Kambundjis Fast-Weltrekord-Lauf.
«Man darf nicht vergessen: Ditaji Kambundji ist über 60 Meter Hürden die Nummer zwei aller Zeiten der Welt. Simon Ehammer im Siebenkampf die Nummer fünf. Das ist ein unglaubliches Niveau. Die internationale Leistungsentwicklung ist über die letzten Jahre da – die Schweizerinnen und Schweizer können hier aber mithalten. So kann man sagen: Wenn man es über die Jahre anschaut, ist es historisch und eine Steigerung gegenüber Istanbul von vor zwei Jahren.»
Spitze ja – aber ist das Schweizer Team auch in der Breite so stark wie nie zuvor? Bandi: «Die definitive Auswertung steht noch an. Aber auffällig ist zum Beispiel, dass über die Mittelstrecken von sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern fünf weitergekommen sind, drei in den Final. Eine starke Bilanz.» Auch abseits der Medaillen der Stars. 21-köpfig war das Aufgebot diesmal. Damit etwas kleiner als zuletzt – aber stärker.
Fünf Medaillen gibt es auch jetzt, 41 Jahre später in Apeldoorn. Doch der Glanz ist mit zweimal Gold (Moser, Ditaji Kambundji) und dreimal Silber (Mujinga Kambundji, Kälin, Ehammer) diesmal noch heller. Auch als bei der letzten Hallen-EM 2023, als es durch Jason Joseph (60 m Hürden) und Mujinga Kambundji (60 m) ebenfalls zweimal Gold und Ditaji Kambundji (60 m Hürden) Bronze gab.
Schon in zwei Wochen ist wieder ein Grossanlass: die wegen Covid von 2020 mehrmals verschobene Hallen-WM in Nanjing (China). Moser, Kälin, Ehammer, die Kambundjis und weitere Aushängeschilder planen alle ihre Teilnahme.