Marisa Wunderlin (33) pendelt zwischen den Geschlechterwelten. Im Frauen-Fussball ist sie Nati-Assistenztrainerin und kämpft an der Seite von Headcoach Nils Nielsen am Freitag und Dienstag in den Playoffs gegen Tschechien ums Schweizer Ticket für die EM 2022.
Im Männer-Fussball ist sie Athletiktrainerin bei Challenge-Ligist Kriens. Als einzige Frau in einem Schweizer Profiklub-Staff, die auf dem Platz mit der Mannschaft arbeitet.
«Für mich ist es keine Sonderrolle. Ich habe schon vorher als Athletiktrainerin bei YB und Zürich im Nachwuchs mit Jungs gearbeitet. Aber es freut mich, wenn ich beim Abbauen von Stereotypen mithelfen kann», sagt Wunderlin.
SFV sieht Jobwechsel als Chance
Doch Ende Saison macht sie Schluss in Kriens. Wunderlin übernimmt stattdessen in der Frauen-Super-League den FC St. Gallen-Staad. Den 50-Prozent-Job bei der Nati behält sie – das ist, als würde Petkovic-Assistent Antonio Manicone nebenbei noch den FC Lugano coachen.
Der SFV sieht die heikle Konstellation aber auch als Chance, nicht als Gefahr. Wunderlin wird nicht mehr für Nati-Sichtungen eingesetzt. Sie sagt: «Es geht darum, dass wir gemeinsam im Schweizer Frauen-Fussball vorwärtskommen. Da hilft man sich gegenseitig, ob nun zwischen Klubs oder auch zwischen Verband und den Vereinen.»
Doch warum die Flucht aus dem Männer-Business? An der Akzeptanz kann es nicht liegen, beim Besuch von Blick im Kriens-Training ziehen die Spieler Wunderlins fünfzigminütiges Athletikprogramm voll durch.
«Es ist keine Flucht aus dem Männer-Fussball»
«Ich bin Kriens sehr dankbar für die Möglichkeit, ich durfte einiges anpacken. Aber ich habe gemerkt, dass ich wieder mehr Trainings mit Ball machen möchte. Von Flucht aus dem Männer-Fussball kann keine Rede sein», sagt die Ostschweizerin.
Unverhofft ergibt sich die Chance, als Cheftrainerin zu ihrem Stammklub St. Gallen-Staad zurückzukehren. Ein Job mit neuer Perspektive: denn erst seit diesem Jahr ist es möglich, die Uefa-Pro-Lizenz auch als Chefin eines Frauen-Super-League-Teams zu machen. Diese haben mit Ex-Nati-Trainerin Bea von Siebenthal (56) und Nora Häuptle (37), die Bundesligist SC Sand coacht, erst zwei Schweizerinnen erworben.
Rückkehr nach Kriens denkbar
Strebt Wunderlin dann mit der Pro-Lizenz im Sack wieder den Männer-Fussball an? «Mir gehts nicht um Männer oder Frauen, es geht um das Projekt und die Menschen darin. Vielleicht bin ich in fünf Jahren immer noch in St. Gallen. Oder vielleicht wieder hier in Kriens!»