Vor fast einem Monat passiert Unglaubliches: Christian Eriksen bricht während des EM-Startspiels Dänemarks gegen Finnland zusammen, erleidet einen Herzstillstand und muss auf dem Spielfeld wiederbelebt werden.
Einer, der dieses Drama scheinbar gut handhaben kann, ist Dänemarks Nationalcoach Kasper Hjulmand. Besonnen und bestimmt beschützt er seine Spieler, tröstet sie, führt wichtige Gespräche. Der 49-Jährige meistert die Situation europameisterlich, moderiert das Drama überragend und gewinnt damit nicht nur die Herzen der dänischen Fans.
Psychologische Hilfe für Hjulmand und ganzes Team
Dabei ist der Eriksen-Horror nicht spurlos an Hjulmand vorbei gegangen. Im Vorfeld des EM-Halbfinals gegen England offenbart der Trainer, erst seit letztem August im Amt, im dänischen Camp seine Gefühle: «Ich spreche mit den Spielern offen über Gefühle. Ich habe auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen.»
Nach dem Vorfall kümmern sich vier Krisen-Psychologen um das ganze Team. «Wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten. Wir haben dem Tod ins Auge gesehen, wir haben fast unseren besten Freund, unseren besten Spieler, das Herz unserer Mannschaft verloren», sagt Hjulmand.
Die prägenden Bilder rufen beim Coach selber schreckliche Erinnerungen hervor. Sein Onkel ist auf dem Fussballplatz an einer Herzattacke gestorben. Eine Erfahrung, die Hjulmand wohl hilft, Eriksens Mitspielern zur Seite zu stehen.
«Dankbar, ihn als Trainer zu haben»
Captain Kjaer sagt beispielsweise: «Er ist aussergewöhnlich, er denkt rund um die Uhr an Fussball. Aber jetzt hat er auch gezeigt, dass er viel mehr als das ist. Ich bin tief beeindruckt und dankbar, ihn als Trainer zu haben.»
Bei anderen Spielern tönt es gleich. Es ist wohl das beste Arbeitszeugnis, das Hjulmand kriegen kann. Weil er so bescheiden ist, sind ihm die Lobeshymnen fast peinlich: «Das bin nicht ich allein. Wir geben uns gegenseitig Rückendeckung.»
«Emotionen reichen für ein ganzes Leben»
Hjulmand und die Dänen haben sich sensationell für den EM-Halbfinal qualifiziert und wollen nach 1992 das nächste Märchen schreiben. Ein ganz besonderes nach den Ereignissen im Startspiel.
«Die Emotionen der letzten vier Wochen reichen für ein ganzes Leben», lächelte Hjulmand in einer Medienrunde. «Wenn ich in 15 oder 20 Jahren auf die Zeit zurückblicke, werde ich sagen: ‹Es war verrückt.›»
Hjulmand sah Wembley-Rückkehr voraus
Noch verrückter wird es, wenn Dänemark am Mittwoch gegen England die nächste Sensation schafft und den EM-Finaleinzug klar macht. Dann ist Hjulmands Platz in den Geschichtsbüchern noch prominenter.
Wie er seine Mannen schon vor Monaten heiss machte? Hjulmand: «Das erste, was ich den Jungs zeigte, als wir uns trafen, war ein Bild von Wembley, als wir im Herbst dort waren. Ich habe gesagt, dass wir zurückkommen werden.»
Sie sind zurück. Bereit für Unglaubliches – diesmal im positiven Sinn. (leo)