Das sind Playoffs für den dreifachen Meister Thomas Rüfenacht
«Tabletten oder Spritzen – ich habe alles fürs Spielen getan»

Provokateur, Reizfigur – und dreifacher Meister. Thomas Rüfenacht war bekannt für seine Emotionen. Ohne sie wäre er nicht der unverzichtbare Spieler gewesen. Der 39-Jährige über die Faszination Playoffs, seine Lieblingsgegner für Trashtalk und seine Verletzungen.
Publiziert: 17.03.2024 um 16:07 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2024 um 16:15 Uhr
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Thomas Rüfenacht beendete nach der letzten Saison seine Spielerkarriere.
Foto: TOTO MARTI
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Nicole VandenbrouckReporterin Eishockey

Thomas Rüfenacht, Sie bekamen als Spieler viele Bezeichnungen: Provokateur, Reizfigur, Bösewicht, Strafenkönig, Trashtalk-Meister, Hitzkopf. Welche hat Ihnen am besten gepasst?
Thomas Rüfenacht:
Provokateur oder Reizfigur. Ich habe einfach nie lockergelassen. Als ich aus Nordamerika kam, wollte ich es allen beweisen, dass ich es schaffen kann. In jedem Spiel wollte ich zeigen, was ich kann, mit Härte, Unberechenbarkeit und Entertainment. Ich wollte das Gesamtpaket bieten und ein Spieler sein, der unverzichtbar ist.

Schon in den USA als Junior?
Ja, an der Highschool. Da kamen alle Freunde an die Spiele und heizten uns noch an. Hockey ist einfach ein emotionsgeladenes Spiel. Es geht um Ehrlichkeit und Respekt. Das ist faszinierend. Aussenstehende denken vielleicht, dass Spieler in manchen Szenen überreagieren. Dabei steckt hinter den meisten Scharmützeln eine längere Geschichte über mehrere Duelle. Wie zum Beispiel damals bei Maxim Lapierre und mir.

Das können Sie jetzt auflösen. Was war bei Ihrem Rencontre 2017 mit dem damaligen Lugano-Kanadier los?
Das fing alles schon viel früher an. Ich wollte 2014 eigentlich in Lugano bleiben, wir fanden uns aber nicht, und ich wechselte nach Bern. Das hat mich immer getriggert. 2016 gewannen wir den Final gegen Lugano, 2017 wollte ich auch den Halbfinal unter keinen Umständen verlieren. Ich versuchte, diese Emotionen zu meinen Gunsten zu nutzen. Da kam ein Spieler mit der Art von Lapierre natürlich wie gerufen. Diese Geschichte zwischen uns hat sich aufgebaut. Auch gegen Chiesa und Walker goss ich immer wieder Öl ins Feuer. Gewisse Spieler waren auf meiner Liste.

Ihre Liste interessiert mich natürlich.
Als ich für Zug spielte, waren es die Wieser-Brüder beim HCD. Mal war es Biels Nüssli. Es sind stetige Nebenschauplätze. Die weckten das Feuer in mir, um in jedem Spiel Vollgas zu geben. Ohne das wäre ich nicht der gleiche Spieler gewesen und hätte ich nicht die zusätzlichen zehn Prozent aus mir herausholen können. Manchmal haben Fans vielleicht gedacht, jetzt hat es ihm wieder den «Nuggi» rausgehauen, dabei steckte immer viel mehr dahinter. Ich hatte viele solcher Storys laufen, darum haben mich die Mitspieler und eigenen Fans wohl immer geliebt.

Bei wem rieben Sie sich besonders die Hände?
Schon bei Lapierre, ihm konnte ich damals unsere Berner Erfolgswelle so gut unter die Nase reiben. Oder auch bei meinem guten Kollegen Timo Helbling. Wir hatten einige Kämpfe miteinander. In meinem ersten Jahr in Lugano hat er mich als Zug-Verteidiger mal fast k.o. geschlagen. Eine gesunde Härte gehört auf dem Eis dazu. Aber weg vom Eis konnte ich das vergessen, und die Freundschaften dauern an.

Wie hat man es geschafft, Sie aus der Reserve zu locken?
Wenn man mir weh gemacht hat. Mit Stockschlägen auf die Handgelenke oder Crosschecks in die Rippen. Dann wurde ich richtig hässig. Oder wenn sich ein Teamkollege meines Gegners in meine Schlägerei eingemischt hat, wie es Johann Morant gerne tat. Sobald einer diese unter uns Spielern ungeschriebenen Gesetze gebrochen hat, hat es mich geärgert.

Die ungeschriebenen Gesetze lauten?
Nicht weiter auf ihn einschlagen, wenn ein Spieler am Boden liegt. Nicht die Handschuhe fallen lassen, wenn es der andere wirklich nicht möchte. Sich nicht in eine laufende Schlägerei einmischen. Und sich nicht fallen lassen. Bei Schwalben bin ich durchgedreht. Erst recht, wenn die Schiris darauf reingefallen sind oder wir ein Tor kassierten im Boxplay. Es mag vielleicht «oldschool» oder nordamerikanisch klingen, aber die Spieler regeln ihre Angelegenheiten auf dem Eis immer selbst. Diese Ehrlichkeit im Hockey ist schön. Dafür brauchts ein paar taffe Spieler und nicht noch mehr Regeln.

Thomas Rüfenacht persönlich

Thomas Rüfenacht kam 1985 in Meggen LU zur Welt, ein halbes Jahr später wanderten seine Eltern mit ihm in die USA aus. Erst mit 18 wechselte der Stürmer in die Schweiz und spielte für Langnau. Anschliessend stand er für Visp, Lausanne, Zug, Lugano und Bern auf dem Eis, ehe er 2023 nach einer schweren Knieverletzung noch acht Spiele für Ambri absolvieren konnte.

Rüfenacht wurde mit dem SC Bern dreimal Schweizer Meister (2016, 2017, 2019), war 2017 der MvP der Playoffs mit sieben Treffern. Auf seine Karriere wie auch seinen Ruf ist der Doppelbürger stolz. In 114 Playoffspielen schoss er 19 Tore und fasste 220 Strafminuten.

Der einstige Nati-Spieler ist Vater von drei Kindern. Mit seiner Frau Romana (41), den Töchtern Lia (10) und Elli (8) sowie Sohn Nolan (6) lebt er in Worb BE. Seit kurzem arbeitet er als Spieleragent bei der Firma 4sports. (N.V.)

Ex-Stürmer Thomas Rüfenacht hatte seine erfolgreichsten Jahre in Bern: Mit dem SCB wurde er dreimal Schweizer Meister.
Claudio De Capitani/freshfocus

Thomas Rüfenacht kam 1985 in Meggen LU zur Welt, ein halbes Jahr später wanderten seine Eltern mit ihm in die USA aus. Erst mit 18 wechselte der Stürmer in die Schweiz und spielte für Langnau. Anschliessend stand er für Visp, Lausanne, Zug, Lugano und Bern auf dem Eis, ehe er 2023 nach einer schweren Knieverletzung noch acht Spiele für Ambri absolvieren konnte.

Rüfenacht wurde mit dem SC Bern dreimal Schweizer Meister (2016, 2017, 2019), war 2017 der MvP der Playoffs mit sieben Treffern. Auf seine Karriere wie auch seinen Ruf ist der Doppelbürger stolz. In 114 Playoffspielen schoss er 19 Tore und fasste 220 Strafminuten.

Der einstige Nati-Spieler ist Vater von drei Kindern. Mit seiner Frau Romana (41), den Töchtern Lia (10) und Elli (8) sowie Sohn Nolan (6) lebt er in Worb BE. Seit kurzem arbeitet er als Spieleragent bei der Firma 4sports. (N.V.)

Sie haben sich diesen Ruf erarbeitet. Gestört hat er Sie nie?
Nein, ich habe einfach immer alles dafür gemacht, um Spiele zu gewinnen. Wenn das dann mal Provozieren war, war es das. Mittlerweile sieht man es ein bisschen weniger. Es fehlen Spieler wie Lapierre.

Haben Sie in der Öffentlichkeit nie unter Ihrem Ruf gelitten?
Nein. Beim Einkaufen hat mich nie jemand schräg angemacht oder so. In gegnerischen Stadien war das schon anders. Da hat man oft versucht, mich anzuspucken. Schlimm fand ich auch, wenn mir kleine Kinder den Stinkefinger gezeigt haben. Da hoffte ich jeweils, dass ihnen die Eltern sagen, dass Spieler auch Menschen sind.

Welche Playoff-Erinnerung löst bei Ihnen immer Gänsehaut aus?
Der Playoff-Run 2016, der mit meinem ersten Meistertitel endete. Jeder meiner Titel hat seine eigene Geschichte. Die von 2019 war eine emotionale. Mein Vater war schwer krank. Ich flog kurz nach dem Halbfinal nach Hause, um mich von ihm zu verabschieden. Deshalb verpasste ich das erste Final-Duell. Nur meine Mitspieler wussten Bescheid, sie unterstützten mich. Nicht viele Spieler hätten das so gemacht, wären einfach wieder Hockey spielen gegangen. Aber es war sein Wunsch. Er starb eine Woche später.

Ihre schmerzhafteste Erinnerung?
Im Olympia-Jahr 2018 hätten wir eigentlich ein Team für den Titel gehabt. Doch alle Spieler waren angeschlagen. Ich kämpfte mit Hirnerschütterungen. Wir verloren den Halbfinal gegen Zürich und verpassten den Titel-Hattrick. 2013 spielte ich mit einem gerissenen Innenband, spritzte mich für die Spiele fit und konnte am nächsten Tag kaum laufen.

Die Härte, trotz Verletzungen zu spielen, wird praktisch vorausgesetzt. Wie hielten Sie das?
Es stand für mich immer ausser Frage. Ich habe alles dafür getan, um spielen zu können. Ob mit Tabletten oder Spritzen. Manchmal wars schon crazy.

Warum ist es so selbstverständlich?
Nur wenn man so aufopferungsvolle Typen im Team hat, kann man gewinnen. Wenn man wegen jedem Wehwehchen pausieren muss, sind plötzlich nur noch drei Linien übrig. In den Playoffs gehts manchmal nur so. Es braucht diese Krieger, die bereit sind, zu leiden fürs Team. Gebrochene Rippen oder ein kaputter Fuss nach einem geblockten Schuss? Egal. Man macht es fürs Team und den «Chübel».

Wie nehmen Sie heute Ihren Körper wahr?
Weich (lacht). Ich jogge noch ein bisschen und stemme ein paar Gewichte. Dem Knie gehts trotz der langjährigen Belastung und nach so vielen Operationen wieder gut. Wenn ich meine Verletzungsliste durchgehen würde, dafür gehts mir ziemlich gut, und ich kann froh sein.

Dann gehen wir die Liste doch durch.
Das Innenband an beiden Knien hatte ich gerissen, die AC-Gelenke an beiden Schultern waren kaputt, Rippenbrüche, das linke Fussgelenk gebrochen und operiert, das rechte Knie viermal operiert, Oberschenkel- und Bauchmuskel gerissen, zweieinhalb Zähne rausgeschlagen, den Kiefer gebrochen, Handgelenk gebrochen, Nase gebrochen, beide Ellbogen operiert, den Rücken gespritzt, das Syndesmoseband gerissen. Mehrere Hirnerschütterungen. Den kleinen Finger gebrochen, trotzdem weitergespielt, bis das vorderste Glied fast abgestorben ist und mir ein Knochenteil aus dem Handgelenk implantiert werden musste. Das Schlimmste war aber die letzte Knieverletzung mit dem Meniskus- und Knorpelschaden.

Krass.
Ich habe mich immer wieder zurückgekämpft. Das Schwierige dabei war, sich zu überwinden und nicht gehemmt zu spielen nach einer Verletzungspause. Und wieder voll in die Ecken zu gehen. Erst nach der letzten Knieverletzung hatte ich weniger Power.

Haben Sie Frieden damit geschlossen, dass Sie deswegen Ihre Karriere beenden mussten?
Ja, ich war 38. Viele dürfen gar nicht so lange spielen. Ich bin mega dankbar, vor allem auch Ambri, dass man mir nochmals die Chance gegeben hat und ich ein Tor vor den Augen meines jüngsten Sohnes schiessen konnte. Jetzt ist er Ambri-Fan.

Wie stellen Sie es sich nun vor als Zuschauer bei Playoff-Duellen?
Ich kann das gute, ehrliche, faire, harte Hockey jetzt richtig geniessen. Erst recht, wenn ich Spieler mit Leidenschaft und Emotionen sehe, denen es wirklich etwas bedeutet.

Was macht für Sie den Playoff-Zauber aus?
Emotionen, Vollgas. Das Herz auf dem Eis lassen. Es muss dir etwas bedeuten, wenn du gewinnen willst. Wenn du meinst, du bist an der Grenze, gehst du noch einen Schritt weiter. Du willst durch die Wand.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
31
12
59
2
ZSC Lions
ZSC Lions
28
31
58
3
HC Davos
HC Davos
32
25
58
4
SC Bern
SC Bern
31
18
55
5
EHC Kloten
EHC Kloten
32
-1
54
6
EV Zug
EV Zug
30
20
49
7
SCL Tigers
SCL Tigers
30
4
44
8
EHC Biel
EHC Biel
30
2
42
9
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
32
-11
42
10
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
31
-18
41
11
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
31
-12
39
12
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
28
-3
36
13
HC Lugano
HC Lugano
30
-23
36
14
HC Ajoie
HC Ajoie
30
-44
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