Die Tür des Klublokals der Zürcher Hells Angels ist vergittert, ein muskulöser Mann in Rockerkutte lässt Blick hinein – eine grosse Ausnahme, normalerweise bleibt Nichtmitgliedern der Zutritt verwehrt. Es ist relativ dunkel, Zigarettenrauch hängt in der Luft. Männer stehen an der Bar, die Stimmung ist gemütlich. Die Einrichtung des Lokals erinnert an ein amerikanisches Diner. Unzählige Schilder hängen an der Wand, aber auch ein Totenschädel findet hier seinen Platz.
Patrick «Hemi» Hermetschweiler (52), Präsident der Zürcher Höllenengel, sitzt gemeinsam mit «Pit» (56) auf einem roten Polstersofa. «Ich bin der Präsident von Riverside, den Hells Angels in der Ostschweiz», stellt sich Pit vor, seinen richtigen Namen verrät er nicht. Die beiden Rocker bitten Blick zu Tisch und sind bereit für ein Interview vor laufender Kamera. Die einzige Spielregel: Über den Rockerkrieg von Belp BE wird nicht gesprochen, da dazu ein Verfahren läuft.
Immer wieder gibt es Schlagzeilen im Zusammenhang mit Töffklubs – oftmals bleiben die Umstände mysteriös. Gibt es einen Grund für die Geheimniskrämerei in der Szene?
Hemi: Wir sind ein exklusiver Klub. Wenn man uns nicht auf die Füsse tritt, muss man keine Angst haben. Aber wenn man es sucht, dann kann es sein, dass da mal ein richtiger Tritt zurückkommt.
Pit: Die untere Schublade können wir dann natürlich schon öffnen. Das ist kein Problem, aber meistens wirklich nicht nötig.
Was ist denn in der untersten Schublade?
Pit (lacht): Das kann vieles sein. Weiter zur nächsten Frage. Oder erzähl du, Hemi.
Hemi: Das kann von sanft bis kräftiger sein. Bei uns kommt das zurück, was wir kriegen. Wenn wir mit Respekt behandelt werden, sind auch wir respektvoll, und wenn uns jemand Ärger macht, bekommt er Ärger zurück.
Pit: Es gibt einen Spruch: Behandelst du einen Hells Angel gut, dann behandelt er dich besser. Behandelst du ihn schlecht, behandelt er dich schlechter.
Womit ärgert man euch?
Pit: Mit Respektlosigkeit. In der heutigen Zeit reden viele Leute von Respekt, die meisten können es aber nicht einmal buchstabieren. Sagen wir mal, wir gehen irgendwo in den Ausgang und einer reisst mir an der Kutte herum, als wäre ich ein Ausstellungsstück im Museum – dann hat er relativ schnell ein Problem. Aber sonst sind wir eigentlich ganz umgängliche Typen.
Für Aussenstehende wirkt dieser Klub streng hierarchisch.
Pit: Bei uns gilt «One man, one vote». Punkt.
Hemi: Also, es ist so: Wie auch in anderen Vereinen gibt es bei uns Funktionen. Präsident, Vizepräsident, Kassier und Sekretär – das ist einfach für die Organisation. Aber sonst bestimmen wir alles gemeinsam.
Pit: Darum funktioniert das ja auch so gut.
Gibt es denn Regeln bei euch?
Pit: Ja, es gibt viele Regeln. Lügen soll man nicht, das ist die wichtigste – das hatten wir ja schon. Die anderen sind interne Regeln, auf die ich nicht näher eingehen will.
Hemi: Wir sind ein weltweiter Verein, da braucht es Regeln. Dass man nicht klauen soll, zum Beispiel. Man soll keinem Bruder etwas wegnehmen.
Pit: Sei es ein Gegenstand oder einem anderen die Frau ausspannen (lacht). Das geht nicht. Also einfach normaler Menschenverstand. Mit den Jahren haben sich diese Regeln verändert, der Klub musste sich immer wieder ein bisschen anpassen.
Ihr seid beide über 20 Jahre dabei. Wie haben sich die Schweizer Hells Angels in dieser Zeit verändert?
Hemi: Der Klub ist gewachsen – nicht nur in der Schweiz, auch weltweit. Wir kriegen auch viel Zuwachs durch junge Mitglieder.
Pit: Wir haben alles andere als ein Nachwuchsproblem, es ist wirklich krass. Der Andrang ist richtig gross.
Was ist denn die Faszination, was zieht die Jungen an?
Hemi: Es ist eine Familie, ein eigener Lebensstil. Es ist ein ehrliches Miteinander, und das findest du heutzutage in dieser Gesellschaft eher weniger.
Oder lockt das kriminelle Image?
Pit: Was sie anlockt, ist schwer zu sagen. Aber sie gehen dann durch unsere Schule durch und lernen früher oder später, was «real» ist und was nicht.
Ein Stück weit wollt ihr ja aber genau dieses Image und dass ihr als schwere Typen wahrgenommen werdet.
Pit: Das sind wir ja auch. Beide über 100 Kilo (lacht). Nein, Chorknaben sind wir sicher nicht. Aber dieser kriminelle Scheiss, den sie uns da immer anhängen wollen – das stimmt garantiert nicht. Das Image hat sich so ergeben, weil wir so sind. Wir sind Männer und wollen unsere Männlichkeit auch bewahren. Und davon haben wir unsere eigene Vorstellung.
Hemi: Wir sind die, die wir sind. Mit all unseren Ecken und Kanten, im Guten und im Schlechten.
Sind denn die Hells Angels kriminell?
Hemi: Der Klub selber ist ganz sicher nicht kriminell. Es kann mal sein, dass vielleicht einer eine gewisse Freiheit ein wenig zu stark ausreizt, aber das ist schlussendlich sein eigenes Problem. Dafür muss er ganz alleine geradestehen. Dass man immer pauschalisiert und alles auf den Klub abwälzen will, das haben sie schon ein paarmal versucht, und das hat noch nie funktioniert.
Pit: Jeder muss den Grind selber hinhalten. Aber ganz sicher.
Und ihr als Klub befürwortet das auch nicht?
Pit: Hm, wir leben schon in unserer Freiheit. Aber ich muss einfach noch einmal sagen: Wenn ein Pfarrer pädophil ist, ist dann jeder Pfarrer pädophil? Ich weiss es nicht.
Die Machenschaften mit grossen Drogendeals, welche die Staatsanwaltschaft euch schon vorgeworfen hat – alles nur Märchen?
Hemi: Dann hätten wir das Klubhaus nicht hier um den Friedhof herum, sondern unten am See, wenn wir solche Deals machen würden.
Pit: Nein, Jösses Gott. Weit weg von diesem Seich.
2004 gab es eine grosse Razzia bei den Hells Angels in Zürich, viele Jahre später lösten sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft jedoch mehrheitlich in Luft auf. Ihr selbst seid nicht dabei gewesen – aber was haben andere Klubmitglieder von diesem Grosseinsatz der Polizei berichtet?
Hemi: Im Nachhinein können wir drüber lachen, aber das war damals relativ krass. Unsere Leute, die da involviert gewesen sind, hatten eine sehr schwere Zeit. Die Familien haben gelitten. Es wurden Konten blockiert, und zwar nicht nur von den eigenen Leuten, sondern auch von den Familien. Teilweise wurden sogar Sparbüechli von den Kindern beschlagnahmt. Da wurde vom Staat ein Programm gefahren, unglaublich.
Pit: Das hat den Staat Millionen gekostet, und am Schluss hat man ja gesehen, was dabei rausgekommen ist. Die sind in Privathäuser rein, haben Türen gesprengt und so – einfach völlig sinnlos.
Hemi: Das Charter (Ortsgruppe; die Red.) in Zürich war zum Zeitpunkt gerade beim Abendessen, dann gab es einen Chlapf, und auf einmal haben sie Besuch gekriegt. Die Letzten sind dann erst nach anderthalb Monaten wieder aus der Kiste rausgekommen.
Ihr wart zwar der erste Motorradklub, unterdessen seid ihr aber lange nicht mehr der einzige. Stimmt es, dass neue Klubs euer Einverständnis brauchen, um sich hier niederzulassen?
Hemi: Man muss bei der Schweizer MC-Szene antraben. Die gibt es seit 50 Jahren, die ersten Klubs waren wir und danach sind die Broncos gekommen. Dann hat es sich so ergeben, dass mehr und mehr Klubs dazugekommen sind. Und mit der Zeit hat man dann gesehen: Bevor es ein Durcheinander gibt, braucht es Regeln und eine gewisse Struktur. Wir haben dann regelmässig mit den anderen Klubs Ausfahrten gemacht und Meetings abgehalten. Irgendwann haben wir dann beschlossen, dass neue Klubs sich bei uns vorstellen kommen. Sie sollen ihr Zeichen präsentieren und sagen, wer sie überhaupt sind. Dann wird von den existierenden Klubs entschieden, ob ja oder nein.
Und wenn es ein Nein gibt und sie sich trotzdem ansiedeln?
Pit: Das können sie machen, ist jedem freigestellt. Wir leben hier in der freien Schweiz.
Aber?
Pit (lacht): Nichts aber, es ist so.
Hemi (lacht auch): Dann kommt eben dieser Tritt wieder ...
Pit: Aber darum funktioniert hier auch alles. Wenn du in andere Länder gehst, dieses Theater da – das wollen wir in der Schweiz nicht. Das ist seit Jahren so und das klappt.
Also dann gibt es keinen Klub, der sich ohne das Okay der MC-Szene hier angesiedelt hat?
Pit: Es gibt überall immer wieder so Dinger. Versuchen kann man es ja. Wir leben ja in einer freien Schweiz. Aber dann müssen wir halt nochmals mit diesen reden.
Bei den Bandidos war das ja der Fall, oder? Die wollten sich ohne euer Einverständnis ansiedeln.
Hemi: Wir reden nicht über andere Klubs.
Aber mit den Broncos seid ihr befreundet.
Hemi und Pit: Ja, genau.
Man hört, dass derzeit Klubs mit Mitgliedern ausschliesslich aus Ex-Jugoslawien wie Pilze aus dem Boden schiessen.
Pit: Ja, seit einigen Jahren gibt es eine neue Kategorie. Wir nennen sie Ballerklubs. Unter diesen Deckmantel fallen ziemlich viele Leute. Früher hat es schon geheissen, wir können mit diesen Ausländern nicht zusammenarbeiten. Aber die sind nun einmal da, und darum arbeiten wir auch miteinander. Unser oberstes Ziel ist, dass Ruhe herrscht in der Schweiz.
Hemi: Auch wir haben ja Mitglieder mit Migrationshintergrund. Die machen den Weg wie alle anderen auch und verdienen sich so den Respekt. Wie gesagt, es hat nie etwas mit Politik oder Religion zu tun.
Wie funktioniert denn das genau, wenn sich solche neue Klubs formieren?
Hemi: Es gibt Gross-Patch-Klubs, die sind schon eine gewisse Zeit lang dabei. Und wenn eine Gruppe neu als MC anfangen will und das gutgeheissen wird, dann beginnt der als Klein-Patch-Klub. Das bedeutet, dass die nur ein kleines Zeichen hier auf der Brust haben und sich zuerst einmal bewähren sollen. Wir schauen, ob das Bestand hat und die als Klub zusammen existieren können. Und nach einer gewissen Zeit können sie einen Antrag stellen, damit sie zum Gross-Patch-Klub werden und ein grosses Logo hinten auf der Kutte tragen dürfen. Wenn das abgenickt wird, dann machen sie auch so eine kleine Anwärterzeit, gehen sich überall vorstellen – und wenn es für alle in Ordnung ist, dann werden sie zum offiziellen Gross-Patch-Klub.
Die Kutte scheint bei euch generell ein sehr zentrales Thema zu sein.
Hemi: Das ist unsere zweite Haut.
Pit (lacht und zeigt sein Tattoo, ein «Hells Angels»-Schriftzug auf der Brust): Das stimmt, aber ich habe es zusätzlich auch noch auf der Haut.
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