Er ist der schillerndste Strafverteidiger der Schweiz: Valentin Landmann (71), der Mann mit der Uhrenkrawatte, Liebling der Medien. Das Attribut «Milieu-Anwalt» hat er sich als Rechtsvertreter unzähliger Ganoven aus der Halbwelt zu eigen gemacht. Zwar betreut Landmann auch grosse Wirtschaftsdelikte, aber Bekanntheit erlangte er als Fürsprecher der Schläger, Diebe, Zuhälter und Puffmütter.
Sechs Abgänge in kurzer Zeit
Nun sorgt er für einmal nicht mit seinen Klienten für Gesprächsstoff, sondern mit seinem eigenen Büro. Dort scheint der Haussegen gewaltig schief zu hängen. Zum Bruch kam es im Sommer, als Landmann seinem Mitarbeiter Ivo Harb kündigte. Mit ihm verliessen zwei weitere Juristen die Firma. Zu dritt haben sie eine neue Kanzlei gegründet: Felchlin Harb Schenkel startet im September. Wie SonntagsBlick weiss, bereitet eine weitere Landmann-Anwältin einen Übertritt vor, auch zwei Beschäftigte aus der Administration gingen.
Sechs Abgänge in kürzester Zeit bei einer Kanzlei mit einem knappen Dutzend Leute – das ist ein Exodus. Besonders pikant: Ivo Harb galt in der Szene als Landmanns wichtigster Mann, als sein «Kronprinz», der im Hintergrund den Laden schmiss und fleissig Plädoyers schrieb. Der 53-Jährige hat den Langstrasse-Stallgeruch, er begann einst als Töffmechaniker der Zürcher Hells Angels, ehe er auf dem zweiten Bildungsweg ein Jurastudium absolvierte. Der Bikerklub ist das Lieblings-Habitat Landmanns, der seine Rocker stets zärtlich «Angels» nennt.
Aber wie kam es zum Eklat mit Harb? Wer sich umhört, erfährt von zunehmenden Irritationen, für die der Big Boss, – der seit 2019 für die SVP im Zürcher Kantonsparlament politisiert – bei manchen seiner Getreuen sorgt. So wird immer wieder Landmanns originelle Art der Fallführung erwähnt. Andere berichten von Differenzen in Finanzfragen. Und von seinen Abwesenheiten.
«Verändertes Arbeitsklima»
Die Entfremdung gipfelte 2020 in der Ernennung eines knapp 70-jährigen Landmann-Intimus zum Geschäftsführer der Kanzlei. Einige Mitarbeiter monierten den fehlenden juristischen Hintergrund des Mannes, Landmann hingegen unterstreicht die Kompetenz des ausgewiesenen Pensionskassenexperten.
In Juristenkreisen reden Beobachter von einem Knall. Ivo Harb gibt sich auf Anfrage diplomatisch. «Wir hatten unterschiedliche Auffassungen», sagt er. Dazu komme, «dass sich das Arbeitsklima zunehmend verändert hat».
Und was meint Valentin Landmann? Es sei alles paletti, alles in Butter, teilt er mit. Von Bruch könne keine Rede sein, es handle sich um eine «sachgerechte» Trennung. Das Wort «sachgerecht» wiederholt er mehrmals. «Es ist gut, wenn es jetzt zwei Kanzleien gibt.» Und die Abgänge? Kein Problem, so Landmann. Die Lücken habe er bereits gefüllt. Man sei weiterhin in bestem Einvernehmen mit den Ex-Kollegen.
E-Mail-Adresse bereits aufgehoben
Seltsam bloss: Landmanns Büro hat Harbs E-Mail-Adresse bereits aufgehoben. «Ivo Harb arbeitet seit 1. September 2021 nicht mehr bei der Landmann Rechtsanwälte AG», heisst es in der automatischen Antwort bereits jetzt. «Ihre Nachricht wird nicht weitergeleitet.»
Und Harb lässt auf der Website seiner neuen Kanzlei den Namen seines ehemaligen Arbeitgebers unerwähnt, für den er 17 Jahre lang arbeitete. «Rechtsanwalt in einer Zürcher Strafrechtskanzlei, 2004–2021», schreibt er in seinem Lebenslauf lapidar.
Das alles tönt eher nach Eiszeit als nach Eintracht zwischen den neuen Konkurrenten. Ziemlich sicher ist nur, dass Landmann an seiner bewährten Prozesstaktik festhalten wird: Er rät seinen Mandanten gerne zu einem Geständnis und peilt damit eine tiefe Strafe an.
Bezeichnend ist, dass Ivo Harbs Arbeitsplatz nur einen Steinwurf vom demnächst eröffnenden Polizei- und Justizzentrum im Zürcher Kreis 4 entfernt liegt: Die Abtrünnigen fischen im selben Teich wie ihr ehemaliger Chef. Ob der Teich für beide gross genug ist, wird sich weisen.