Das Geschäft mit gutgläubigen Senioren und ihren Angehörigen
Familie kündigt private Spitex – dann folgt der Kosten-Schock

Eine private Spitex-Firma aus dem Kanton Zürich verkauft ihre Dienste mit falschen Versprechungen. Dies kommt eine Familie jetzt teuer zu stehen.
Publiziert: 12.02.2024 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2024 um 16:59 Uhr
Das Messen der Vitalzeichen ist eine gängige Massnahme der Behandlungspflege. Die Krankenkassen leisten auch hier meist einen Beitrag. (Symbolbild)
Foto: Keystone
Fabienne Maag

Seniorinnen und Senioren wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Vor allem die Generation der Babyboomer legt einen hohen Wert auf Eigenständigkeit. Deshalb sind Spitex-Firmen gefragter denn je. Dass diese jedoch meist eigene Absichten mit den Portemonnaies ihrer Patientinnen und Patienten haben, zeigt ein besonders dreister Fall aus Zürich und Bern.

Marie Schmid* hat eine kranke Mutter im Kanton Bern und braucht für die 73-Jährige dringend Unterstützung. Also wendet sie sich an eine private Spitex-Firma aus dem Kanton Zürich, wie die «NZZ» berichtet. Ein palliatives Setting ist notwendig, was insgesamt 14'000 Franken für vier Wochen kosten soll. Doch die Geschäftsführerin der privaten Spitex-Firma beruhigt Schmid. Die Krankenkasse werde die Pflegekosten übernehmen, sie brauche also keine Angst zu haben, dass der zusätzliche Pflegeaufwand teurer würde als die obligatorische Patientenbeteiligung. Die Geschäftsführerin prognostiziert der Familie Schmid lediglich eine Eigenleistung von 1500 Franken pro Monat.

Schmid weiss zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Krankenkasse keinen Rappen zahlen wird. In ihrer Grundversicherung ist nur die Grundpflege abgedeckt, ihre 73-jährige Mutter benötigt jedoch Dienstleistungen der Betreuung und Haushaltshilfe. Dazu gehören unter anderem die Unterstützung bei der Körperhygiene, beim Einkaufen und Putzen. Diese Dienstleistungen werden meist von den Krankenkassen nicht bezahlt, die Patienten müssen selbst dafür aufkommen. Ein wichtiges Detail, das die Geschäftsführerin verschweigt.

Kosten-Schock nach Vertragskündigung

Die falschen Versprechungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Eine ganze Serie an Merkwürdigkeiten prägt die Zusammenarbeit mit dem Zürcher Unternehmen. Die private Spitex-Firma legt der Familie ein Formular einer Hausärztin aus dem Kanton Zürich vor, die die pflegerischen Leistungen angeordnet haben soll. Doch die entscheidende Unterschrift jener Hausärztin fehlt. Selbst mit Unterschrift hätte die Krankenkasse nichts gezahlt, denn die Firma hat keine Betriebsbewilligung für Pflegeleistungen im Kanton Bern.

Zusätzlich ist die Betreuerin, die kurz darauf bei der 73-jährigen Mutter einzieht, gar nicht für diese Art von Betreuung qualifiziert. Sie besitzt eine pflegerische Grundausbildung, kommt aus Polen und hat vorher im Bereich der Gastronomie gearbeitet. Als sogenannte Pendelmigrantin ist sie zudem Teil eines Millionengeschäfts in der Schweiz. Dabei reisen Frauen aus Ostdeutschland, Österreich, Polen, Ungarn, Rumänien oder auch aus der Slowakei für paar Wochen in die Schweiz, um die nötigen Dienstleistungen der Firmen zu übernehmen. 

Familie Schmid merkt schliesslich, dass es bei der privaten Spitex-Firma nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie kündet den Vertrag. Die Mutter stirbt kurze Zeit später. Dann der Schock: Für die sechs Wochen Betreuung verlangt das Zürcher Unternehmen rund 24'000 Franken. Ob die Familie den Betrag bezahlt oder das Ganze vor Gericht ziehen will, ist noch nicht bekannt. Auf Anfrage der «NZZ» weist die Zürcher Firma jegliche Schuld von sich. Man sei in der Kommunikation der Kosten bei allen Patienten offen und transparent, heisst es. Zudem liege es in der Eigenverantwortung der Betroffenen, die ausserkantonalen Spitex-Leistungen durch die Krankenkasse abzuklären.

* Name geändert 

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