Brian Kellers Leben in Freiheit dauerte gerade einmal 171 Tage. Der Abend des vergangenen Mittwochs brachte den «berühmtesten Häftling der Schweiz» aber vorerst wieder hinter schwedische Gardinen. Keller – früher bekannt als «Carlos» – griff in jener verhängnisvollen Nacht den Tiktoker Giorgio L.* alias Skorp808 hinterrücks an und zertrümmerte ihm das Jochbein.
Die gewalttätige Begegnung zwischen den beiden Streithähnen kam nicht aus dem Nichts. Seit Monaten liegen sich L. und Keller in den sozialen Medien in den Haaren. Am Freitag erreichte die Fehde aber ungeahnte Dimensionen, als plötzlich zwei Unterstützer Brians vor L.s Tür auftauchen – der Tiktoker streamt zu diesem Zeitpunkt live. Das Video zeigt, wie er unvermittelt angegriffen wird. Er zieht eine rund 20 Zentimeter lange Klinge und dreht den Spiess um. Der Rest des Videos zeigt den Tiktoker, wie er seine Angreifer mit gezücktem Buschmesser verfolgt und unaussprechliche Flüche in deren Richtung schreit.
Erst Ende 2023 kam Keller nach rund sieben Jahren aus der Sicherheitshaft frei. Kein halbes Jahr danach sitzt er wieder in Haft. Wie es überhaupt dazu kommen konnte, zeigt eine Blick-Chronik aus den Untiefen der sozialen Medien.
Sonntag, 14. Januar 2024 – Keller sorgt für Polizeieinsatz
Bereits bei seiner Entlassung melden sich zahlreiche Kritiker zu Wort, die Keller eine schlechte Prognose ausstellen. Schon im Januar fühlen sie sich ein erstes Mal bestätigt. Zwei Monate nach seiner Entlassung sorgt Keller für den ersten Polizeieinsatz, seitdem er in Freiheit lebt.
Damals drohte und beschimpfte der Ex-Häftling den Tiktoker L. in einem Video und zückte vor der Kamera ein Messer. Dann zieht er an jenem Sonntag los und taucht vor dem Wohnhaus seines Rivalen auf und beschimpft ihn lauthals. Der Grund ist simpel: L. habe seit kurzem mit einem anderen Tiktoker Ärger. Dieser habe sich jetzt mit Keller zusammengetan und ihn gegen L. aufgewiegelt. «Er hat behauptet, ich hätte mich negativ über Brian geäussert», sagt der Tiktoker, der selber genügend Erfahrungen mit Gefängnisaufenthalten hat. Auch er verbrachte Jahre hinter Gittern.
Im Anschluss eröffnet die Zürcher Staatsanwaltschaft wegen der Bedrohung am 14. Januar ein Verfahren gegen Brian Keller. «Die Staatsanwaltschaft hat gestützt auf die polizeilichen Ermittlungen ein Strafverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit eröffnet.» Keller kontert später im Blick: «Alles nur Show, mit Gewalt habe ich nichts zu tun!» Und: «Brian schlägt nur im Ring zu.»
Dienstag, 20. Februar 2024 – Polizeieinsatz bei L.
Ein grösseres Polizeiaufgebot fährt abermals bei L. auf. Es habe einen Streit mit seiner Freundin gegeben, weswegen Nachbarn die Polizei gerufen hätten, behauptete er gegenüber Blick. Und betonte: «Mit Brian hat das nichts zu tun.»
Montag, 4. März 2024 – Keller postet Vorladung der Staatsanwaltschaft
«Im nachgenannten Strafverfahren werden Sie als Beschuldigter vorgeladen», steht in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft, das Brian Keller auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht. Als Straftatbestand wird «öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit» genannt.
Donnerstag, 2. Mai 2024 – Die Ereignisse überschlagen sich
Auf einem Video ist zu sehen, wie Keller den Tiktoker mehrmals ins Gesicht schlägt. L. habe einen dreifachen Jochbeinbruch erlitten, gibt er an. Er habe Anzeige gegen Brian Keller erstattet. Keller wird noch am selben Abend festgenommen.
Einen Tag danach wird Kellers Festnahme auch für die Öffentlichkeit publik – L. fühlt sich in seinem Livestream bestätigt und jubiliert: «Er soll für immer drinbleiben!» Während des Streams lässt er sich aber in den Kommentaren seines Profils provozieren und steht bereit für eine Schlägerei auf die Strasse. Plötzlich kommt es zu einem Handgemenge während des Livestreams. L. zieht ein Messer und verfolgt die zwei Angreifer, von denen einer im Umfeld von Brian Keller vermutet wird. Die Stadtpolizei Zürich bestätigt zwei Festnahmen und eine leicht verletzte Person. Wer genau festgenommen wurde, ist bisher unbekannt.
Brian Keller, früher bekannt als «Carlos», hatte eine turbulente Jugend mit mehreren Inhaftierungen. Bereits mit zehn Jahren wurde er fälschlicherweise wegen Brandstiftung verhaftet. Mit 15 folgte eine Haftstrafe von neun Monaten wegen eines Messerangriffs in Zürich.
Er durchlief ein teures Betreuungsprogramm, das nach öffentlichem Druck abgebrochen wurde. Während seiner Haftzeit kam es zu Konflikten mit Sicherheitskräften, darunter ein Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies, bei dem er nach einem Angriff auf das Personal erneut in Sicherheitsverwahrung genommen wurde. Die Uno kritisierte mehrmals die Haftbedingungen und forderte eine Beendigung seiner langen Isolationshaft.
Trotz Versuchen, sein Leben zu stabilisieren, folgten weitere Verurteilungen, zuletzt 2023 zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren für verschiedene Delikte, einschliesslich Körperverletzung und Sachbeschädigung. Im November letzten Jahres kam Brian dann vorerst frei, zumindest bis zu seiner erneuten Verhaftung am vergangenen Mittwoch.
Brian Keller, früher bekannt als «Carlos», hatte eine turbulente Jugend mit mehreren Inhaftierungen. Bereits mit zehn Jahren wurde er fälschlicherweise wegen Brandstiftung verhaftet. Mit 15 folgte eine Haftstrafe von neun Monaten wegen eines Messerangriffs in Zürich.
Er durchlief ein teures Betreuungsprogramm, das nach öffentlichem Druck abgebrochen wurde. Während seiner Haftzeit kam es zu Konflikten mit Sicherheitskräften, darunter ein Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies, bei dem er nach einem Angriff auf das Personal erneut in Sicherheitsverwahrung genommen wurde. Die Uno kritisierte mehrmals die Haftbedingungen und forderte eine Beendigung seiner langen Isolationshaft.
Trotz Versuchen, sein Leben zu stabilisieren, folgten weitere Verurteilungen, zuletzt 2023 zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren für verschiedene Delikte, einschliesslich Körperverletzung und Sachbeschädigung. Im November letzten Jahres kam Brian dann vorerst frei, zumindest bis zu seiner erneuten Verhaftung am vergangenen Mittwoch.
In der Zwischenzeit sitzt Keller weiterhin in Polizeihaft, ohne zu wissen, wie es weitergeht und ob er in Haft bleiben muss. Am Freitagabend verkündet die Staatsanwaltschaft dann, dass sie beim Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft beantragt habe. Ob Keller nach nur 171 Tagen in Freiheit tatsächlich wieder in die verhasste U-Haft muss, entscheidet sich am Sonntagabend. Bis dahin wird das Gericht über die mittelfristige Zukunft von Brian Keller entscheiden.
*Name bekannt