Er versprach seinen blutjungen Männermodels grosse Karrieren. Nur, um sich danach an sie heranzumachen. Die Vorwürfe, die gegen den Zürcher Agentur-Boss James N.** (34) im Juni 2020 ans Licht kamen, wogen schwer. Am Mittwoch wurde der Fall nun vor dem Bezirksgericht Zürich verhandelt.
Das Gericht sprach den Angeklagten am Abend schuldig der mehrfachen sexuellen Nötigung, der Schändung, der sexuellen Handlungen mit Kindern und Abhängigen, der mehrfachen Ausnützung einer Notlage und der sexuellen Belästigung. Einen Freispruch gab es bei sechs Anklagepunkten, wo es um Ausnützen einer Notlage und um sexuelle Nötigung ging. Urteil: Eine Gefängnisstrafe von drei Jahren, zwei davon bedingt.
Statt Fotos wollte er Sex
Das Vorgehen von Agentur-Boss N. wird auf den 14 Seiten Anklageschrift oft ähnlich beschrieben: Viele Opfer sind junge Männer oder Burschen, die von einer Modelkarriere träumen. Viele sind noch nicht volljährig, einer ist sogar erst 15. Immer wieder kommt der Verdacht auf, dass K.o.-Tropfen im Spiel sind.
Die perfide Masche: Der heute 34-Jährige N. soll seine Schützlinge bei Fotoshootings betatscht und unter Druck gesetzt haben, weitere sexuelle Handlungen mitzumachen. Einem der Burschen zog James N. laut Anklage beim Fotografieren die Unterhose runter. Als dieser sich wehrte, wurde der Agenturboss grob, zerriss das Kleidungsstück, und sagte dem jungen Mann «dass er für all dies bereit sein müsse, wenn er ein gutes Model werden wolle».
Manchmal ging der Agentur-Boss laut Staatsanwaltschaft aber noch viel weiter. Das damals 17-jährige Opfer M.H.* berichtet, vom Agentur-Boss 2011 geschändet worden zu sein. Statt dem versprochenen Fotoshooting habe es am Tatabend harten Alkohol gegeben.
«Als ich aufgewacht bin, war er in mir drin»
Später sei er angetrunken gewesen und wollte den Heimweg nicht mehr selbst antreten, erklärte das mutmassliche Opfer nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegenüber Blick: «Ein Freund von ihm hat darum angeboten, dass ich bei ihm auf einer Matratze übernachten könne. Im selben Raum schlief auch James, aber nicht in meinem Bett. Als ich mitten in der Nacht aufgewacht bin, war er in mir drin. Ich war in Schockstarre und konnte nur noch fragen, ob er wenigstens ein Kondom benutzt.»
Auch heute, Jahre später, leidet der Luzerner unter dem Vorfall. Kurz nachdem das Ausmass der Vorwürfe letztes Jahr bekannt wurden, sei er fast in eine Depression verfallen: «Darum habe ich mich in Therapie begeben. Ich habe das Thema zu lange verdrängt.»
Dem Täter vor Gericht ins Gesicht schauen will der heute 27-Jährige nicht. Trotzdem hofft er auf späte Gerechtigkeit: «Ich erhoffe ich mir, dass es James N. die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt.»
Drei Jahre Gefängnis gefordert
In einem weiteren Anklagepunkt wird James N. vorgeworfen, einen angehenden Modefotografen zum Analverkehr gezwungen zu haben. Obwohl der immer wieder gesagt habe, dass er das nicht will. Was bei einer Frau als Vergewaltigung benannt werden würde, wird am Mittwoch vor Gericht als sexuelle Nötigung angeklagt.
Die Vorwürfe gegen den Agentur-Boss wollen gar nicht mehr enden: sexuelle Nötigung, sexuelle Belästigung, Körperverletzung, Ausnützung einer Notlage, sexuelle Handlung mit Minderjährigen, Schändung. Dafür will die Staatsanwaltschaft James N. drei Jahre hinter Gittern sehen, zwei Jahre davon bedingt.
Angeklagter redet viel und sagt nichts
Der Angeklagte selber erschien mit einem zerknitterten Anzug vor dem Richter und fühlt sich offensichtlich als Opfer. Die Schuldigen für ihn: Die Medien, welche die Vorwürfe publik gemacht haben. «Bis all die Mediengeschichten passiert sind, war ich sehr erfolgreich.»
James N. sprach viel und ausführlich über sich selber. Er lebe vom Erbe seines Vaters, laut Steuererklärung 200'000 Franken. Eine Therapie hat er abgebrochen und sei stattdessen nach Barcelona auf einen Sprachaufenthalt gegangen. Ausserdem macht der Angeklagte eine Ausbildung zum Pfleger: «Menschen faszinieren mich», begründete er.
Immer wieder stellt das Gericht Fragen zu den angeklagten Taten. Und biss damit beim gefallenen Model-Agenten auf Granit: «Kein Kommentar», sagte der nur immer wieder und immer genervter. Er unterbrach den Richter teilweise schon während des Stellens der Frage.
«Unbelehrbarer Hochstapler und Sexualstraftäter»
Der Anwalt des einzigen im Saal anwesenden Opfers fand deutliche Worte über den Angeklagten: «Sein Menschenbild ist durchsetzt von Egoismus. Ich sehe weder Reue noch Einsicht. Er ist ein unbelehrbarer Hochstapler und Sexualstraftäter.» Deshalb forderte der Opfer-Vertreter ein Tätigkeitsverbot für den ehemaligen Agentur-Boss.
Der Verteidiger sprach von einer medialen «Hetzkampagne» gegen seinen Klienten und fordert einen Freispruch: «Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist strafbar.» Bei den Ermittlungen sei geschlampt worden. In früheren Interviews forderte der Anwalt noch einen Teil-Freispruch.
**Name geändert
* Name der Red. bekannt