«Ich bin mittellos», sagt Ulrike Eising (64) zu Blick. Die Rentnerin aus Hohtenn VS ist seit Mai pensioniert und steckt in der Armutsfalle. Gerade einmal etwas mehr als 500 Franken hat sie im letzten Monat von der AHV bekommen. «Der Betrag ist deshalb so tief, weil ich erst seit 9 Jahren und 9 Monaten in der Schweiz war, als ich pensioniert wurde», sagt die Deutsche.
Die Minimalrente von 1218 Franken gibt es erst ab zehn Jahren. Pech gehabt. Eising beantragt zwar Ergänzungsleistungen, aber bisher ist noch kein Geld geflossen. Rente aus Deutschland gibt es noch nicht, weil Frauen dort bis 67 arbeiten müssen.
In dieser Situation suchte die Seniorin einen Nebenjob – und fiel auf eine fiese Betrugsmasche herein. Denn der Job, dem sie sieben Tage nachging, war von A bis Z fake!
400 bis 600 Franken pro Woche
Auf Facebook stiess Eising auf ein Jobangebot der Online-Plattform ebretails.com, die sich als italienischer Online-Modehändler ausgibt. Das Versprechen: Die Mitarbeiter sollen zu Hause am Computer Bestellungen kontrollieren und dafür eine Provision erhalten. 400 bis 600 Franken sollen so pro Woche zusammenkommen. «Ich fand das einen fairen Deal», sagt Eising. Das Unternehmen hat im Internet auch gute Bewertungen, ist seit längerem im Geschäft. «Deshalb dachte ich, dass alles seriös ist», sagt Eising.
Primär solle es darum gehen, zu schauen, ob die Aufträge aus aller Welt dem richtigen kontinentalen Versandsystem zugeordnet sind. Trifft dies zu, gibt Eising die Aufträge frei und drückt eine Taste, stimmt etwas nicht, meldet sie dies. Der Aufwand ist minimal und die Tätigkeit repetitiv, doch es fühlt sich nach echter Arbeit an. Weil es sich bei den Bestellungen um Luxus-Modeartikel handelt, wächst der vermeintliche Verdienst an Provisionen stetig. Die Rentnerin freute sich, vor allem, als sie nach dem ersten Arbeitstag tatsächlich eine Provision ausbezahlt erhielt.
Allerdings liess das böse Erwachen nicht lange auch sich warten. Denn plötzlich sollte Eising erst einmal etwas bezahlen, bevor sie weiteres Geld erhält.
Plötzlich sollte sie «Superpakete» kaufen
Als die Rentnerin sich das nächste Mal ihre Provision auszahlen lassen wollte, hiess es plötzlich, dass sie zunächst einmal ein sogenanntes «Superpaket» kaufen müsse. Dafür gebe es aber auch mehr Provision, und erst danach könne sie weiterarbeiten. Über einen Whatsapp-Chat mit einem «Mitarbeiter-Betreuer» – der Austausch liegt Blick vor – wurde Eising erklärt, wie das Ganze zu laufen habe. Die Rentnerin eröffnete ein Konto bei der Digital-Börse Kucoin und zahlte 277 Franken ein.
Doch damit nicht genug. Immer wieder bekam sie neue «Superpakete» zugewiesen, jedes Mal sollte sie wieder bezahlen. Immer wieder wurde ihr per Whatsapp zugesichert, dass sie nach der Zahlung ihre Provision erhalte. Innert einer Woche überwies Eising rund 1200 Franken, dann dämmerte ihr, dass das Ganze eine Abzocke sein könnte. «Da verliert man den Glauben an die Menschheit», sagt sie. Schliesslich hörte Ulrike Eising auf, zu bezahlen, auch weil sie sich die Forderungen schlicht nicht mehr leisten konnte. Zuletzt wollten ihre «Arbeitgeber» über 900 Franken pro Überweisung von ihr. «Dieser Nebenjob hat mich endgültig ruiniert», sagt sie.
Bundesamt warnt
Beim Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) hat man schon öfters mit solchen Betrugsmaschen zu tun gehabt. In diesem Jahr hat das BACS bis jetzt 145 Meldungen zu solchen Fake-Jobs erhalten, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 1116 Meldungen. Mediensprecherin Manuela Sonderegger sagt: «Die Bewerber werden mit aussergewöhnlichen Verdienstversprechen gelockt, die im Vergleich zur Art der zu erledigenden Aufgaben unangemessen hoch sind.» Nach der Rekrutierung würden die Opfer direkt auf eine Plattform weitergeleitet, bei der es sich häufig um eine Nachahmung einer legitimen Website handelt.
Das ist auch bei Ulrike Eising so. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Plattform ebretails.com, auf der sie «gearbeitet» hat, nur als Fassade. Links funktionieren nicht, es gibt keine Kontaktangaben. Dafür, dass sie tatsächlich mit einem italienischen Modeunternehmen in Verbindung stand, gibt es keine direkten Hinweise.
Dass in einer ersten Phase tatsächlich einmal Geld ausbezahlt wird, dann aber für Boni Geld nachgeschossen werden soll, sei ebenfalls gängige Praxis bei dieser Art von Betrug, so Sonderegger. «Die Betrüger haben leider auch Menschen, die finanziell verzweifelt sind, im Visier.»
Im Fall von Ulrike Eising sei das Geld leider wohl weg. «Potenzielle Opfer sollten aber immer, wenn ein finanzieller Schaden entstanden ist, bei der Polizei Anzeige erstatten.» Das will die Rentnerin aus Hohtenn auch tun. «Statt meine Situation zu verbessern, haben mich diese Betrüger in den Abgrund gestossen.»