Die Nati anfeuern – und zwar nicht einfach vor dem Bildschirm von zu Hause aus, sondern live im Stadion. Dieses Erlebnis wollte Patrick Kuhn (49) seiner Familie schenken. Schliesslich findet die Europameisterschaft in Deutschland statt. Also quasi um die Ecke. Was der Zürcher allerdings nicht hat, sind Tickets. Kein Wunder: Karten für die EM sind heiss begehrt und waren schon vor Beginn ausverkauft.
Also machte sich Patrick Kuhn im Internet auf die Suche und wurde fündig. «Auf Facebook gibt es mehrere Gruppen, in denen Tickets gehandelt werden», sagt der 49-Jährige zu Blick. Sie machten auf ihn einen guten Eindruck. Die Gruppen heissen zum Beispiel «UEFA EURO 2024 Germany tickets for Sale/Trade» oder «Tickets for sale UEFA EURO 2024 GERMANY» und haben Tausende Mitglieder. Manche sogar fast 200'000.
«Es war alles Fake. Und die Masche ist immer die Gleiche»
Auch Tickets für das Spiel der Nati gegen England werden angeboten. «Ich habe mehrere angeschrieben. Die Profile waren schon älter, viele Fotos von der Familie und Freunden. Es sah so echt aus und nicht nach Betrug.» Und so überwies Kuhn schliesslich einem Mann 300 Euro. «Ich sollte erst einen Teil des Geldes schicken, dann würde ich die Tickets bekommen. Danach sollte ich den Rest zahlen. Ich habe bis heute keine Tickets bekommen», so Kuhn weiter. Erst da verstand er: Er wurde betrogen.
«Es war alles Fake. Und die Masche ist immer die Gleiche, wie ich dann gemerkt habe.» Die Ticketverkäufer erklären, dass sie aus familiären oder beruflichen Gründen nicht zu dem EM-Spiel können. «Um das Vertrauen zu gewinnen, schicken sie auch Fotos von der eigenen ID und erklären, dass man ja nur die Hälfte zahlen müsste und dann schon die Tickets bekommen würde.»
Einer schickte Kuhn sogar vorab ein angeblich echtes Ticket – mit seinem Namen drauf. «Alles nur, um mein Vertrauen zu gewinnen.» Dann senden die Betrüger einen Paypal-Link. «Und sie verlangen, dass man die Zahlung als Freundschaftsüberweisung deklariert. Dann kann man das Geld nicht mehr zurückfordern. Der Käuferschutz greift dann nicht.» Das bedeutet für Kuhn: Die 300 Euro sind weg.
«Die Betrugsmasche war dabei so professionell»
«Es war vielleicht naiv, zu glauben, dass ich so spontan noch Tickets kriege. Aber es sah wirklich alles authentisch und nicht nach Abzocke aus», versichert der Zürcher. Die Betrüger gehen raffiniert vor. Und so fallen viele Fussball-Fans auf die Masche rein. Nicht nur Kuhn meldet sich bei Blick. Mehrere Leser berichten von der Ticket-Abzocke. Die Masche: Die Betrüger erstellen vertrauenswürdige Accounts mit vielen Fotos von Freunden und Familie. Und zweitens: Nur ein Bruchteil vom Geld wird verlangt.
So erging es auch einem weiteren Leser. Er schreibt: «Die Betrugsmasche war dabei so professionell, dass ich, der seit sieben Jahren in einer Bank arbeitet, dies mit Scham zugeben muss.» Kuhn und die anderen Opfer wollen andere Fussball-Fans warnen. Für den Zürcher ist klar: «Diese Betrüger sollen keinen einzigen Rappen mehr kriegen.» Er hat versucht, das Geld zurückzufordern. Bisher ohne Erfolg.
Alle EM-Spiele sind schon seit langem ausverkauft
Die Uefa warnt derweil ausdrücklich vor Betrug oder dem Kartenkauf über den Zweit- oder Schwarzmarkt. Nicht offiziell erworbene Tickets garantieren keinen Eintritt zu den Spielen.
Alle EM-Spiele sind schon seit Langem ausverkauft. Sollten nach dem Ende der Gruppenphase etwa wegen des Ausscheidens von Mannschaften Karten für die weiteren Partien zurückgegeben werden, will die Uefa diese später auf ihrem offiziellen Ticketportal anbieten. Bei der EM gibt es nur noch rein digitale Tickets. Karten in Papierform oder Ausdrucke sind sicher gefälscht.
«Es ist schade, dass die EM von solchen Betrügern missbraucht wird», sagt Kuhn. Der Frust ist gross. Nichtsdestotrotz freut er sich auf den Match der Nati gegen England – auch, wenn er ihn mit seiner Familie zu Hause verfolgen muss.