Der diesjährige Weihnachtsmarkt in Montreux VD begann am Donnerstag alles andere als weihnachtlich: Weil Thierry Collomb (53) seinen Standplatz verloren hat, muss er nun auch sein Geschäft dichtmachen. Der Lausanner wirft dem Komitee von Montreux Noël vor, dass es französische Verkäufer den Schweizern vorziehe. «Deswegen muss ich meine Firma schliessen.»
Vor 11 Jahren bringt Collomb zum ersten Mal seine selbst designten Gummistiefel ans Montreux Noël. «Sie waren ein Hit», erzählt der Besitzer des Ein-Mann-Unternehmens «Elvetik». Er baut seine Website aus und geht Partnerschaften mit diversen Westschweizer Festivals ein. «Das Weihnachtsgeschäft war immer rund 30 bis 40 Prozent meines Jahresgeschäfts, darum habe ich es etwa mit Socken, Mützen und Hoodies weiter ausgebaut.» Im Monat am Montreux Noël könne man pro Chalet zwischen 40'000 und 110'000 Franken verdienen.
Überraschende Absage
Direkt nach dem Montreux Noël 2023 meldet sich Collomb für den diesjährigen Markt an und beginnt mit den Vorbereitungen. Als Mitte April die Absage kommt, hat er bereits seine gesamte Herbst- und Winterkollektion bestellt. «Ich war geschockt. Ich wurde nie kritisiert und dann schmeissen sie mich ohne Vorwarnung raus.» Er schickt dem Komitee einen Brief. «Ich habe sie um einen einjährigen Aufschub gebeten, um meine Firma zu retten. Aber sie haben mir nie geantwortet.»
Im Absage-Mail erklärt das Komitee, dass ein nebenan gelegenes Gebäude renoviert werde und man darum den Markt habe verkleinern müssen. Schwachsinn, findet Collomb. «Sie lügen. Der Markt sieht noch genauso aus wie die letzten Jahre.» Auf der Website von Montreux Noëls steht, es seien 150 Chalets – genau wie in den Jahren zuvor. Anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums wurde der Markt sogar auf Nachbardörfer erweitert.
Für Collomb ist klar: Er wird durch einen Franzosen ersetzt. «Das passiert seit Jahren einem Schweizer Verkäufer nach dem anderen. Letztes Jahr gab es in unserem Markt-Teil nur noch 10 Schweizer Chalets, die restlichen 30 wurden von Franzosen betrieben.» Einige von ihnen hätten zwei oder sogar drei Chalets. «Wenn es zu wenig Chalets gibt, verstehe ich nicht, wieso das Komitee sowas zulässt.»
Lokales Image dank Franzosen?
Laut Collomb will das Komitee paradoxerweise mit mehr Franzosen lokaler erscheinen. «Die meisten Verkäufer sprechen offen darüber, was wir im Ausland bestellen. Doch einige der neuen Franzosen tun das nicht.» So sei eine Bekannte von ihm, eine Schweizerin, vor einigen Jahren durch einen Franzosen ersetzt worden, der genau denselben Schmuck aus Asien verkaufe. «Auf seiner Website tut er aber so, als würde er ihn selbst herstellen.»
Tatsächlich hat Montreux Noël auf seiner Website bis vor Kurzem noch mit «lokalen Produkten» geworben. Nachdem Collomb sich an die Medien wandte, verschwand die Zeile plötzlich. Zudem sagt Yves Cornaro, Direktor von Montreux Noël, in einem Interview mit «Be to B», dass Aussteller aus der nahen Region priorisiert würden. Im gleichen Interview sagt er aber auch, dass die Schweizer die Markt-Kultur «weniger haben als die Franzosen». Er lobt: Franzosen wüssten, dass man ein Risiko eingehen und monatelang vorproduzieren müsse. Genau das wird Collomb nun zum Verhängnis.
Komitee: «Der Ablauf des Verfahrens ist bekannt»
Auf Anfrage dementiert das Komitee die Vorwürfe nicht direkt. Stattdessen schreibt Montreux Noël, dass die Privat-Firma Handwerker auswähle, «die mit dem Image, das wir vermitteln wollen, in Verbindung stehen». Das Komitee bedauere die Auswirkungen einer Absage auf Händler wie Collomb. «Aber der Ablauf des Verfahrens ist bekannt.»
Auch eine Liste der diesjährigen Aussteller rückt das Komitee nicht heraus. Stattdessen schreibt es, dass die Firma 136 Chalets besitze, von denen 95 von Schweizern betrieben würden. Dazu kommt eine unbenannte Zahl von weiteren Chalets, die diverse Aussteller selbst mitbringen.
Anfang Woche besuchte Blick den Weihnachtsmarkt in Montreux. Die Chalets standen bereits. Doch nur bei etwa der Hälfte davon waren die Aussteller-Angaben angebracht, beziehungsweise konnten zu einem Standort zurückgeführt werden. 46 dieser 81 Chalets werden von Nicht-Schweizern betrieben, 42 von Ausstellern aus Frankreich. Die restlichen 35 Chalets werden von Schweizern betrieben, 18 von Ausstellern aus dem Kanton Waadt. Zudem gibt es einige Personen, Paare oder Firmen, die mehr als ein Chalet haben. Etwa hat das Komitee Montreux Noël drei Chalets.
Die wenigen Schweizer Verkäufer, die bereits am Aufbauen waren, wollen sich nicht dazu äussern. Nur eine Person lässt sich anonymisiert zitieren: «Wenn wir etwas sagen, verlieren wir unseren Stand als Nächste. Aber ich bin froh, dass endlich jemand diese Geschichte publik macht.» Collomb hat keine Angst mehr. «Was habe ich jetzt noch zu verlieren?» Ganz hat er die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. «Ich hoffe, dass ich entweder einen Investor oder aber einen Käufer finde, damit die Marke Elvetik weiterleben kann.»
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