Für viele gehören sie zum Highlight der Adventszeit: die Weihnachtsmärkte. In Zürich ist es das Wiehnachtsdorf, das seit 2015 die Menschen in Scharen anzieht. Hier trifft man sich nach Feierabend auf einen Glühwein oder geniesst zwischen den vielen Lämpli und festlich geschmückten Chalets ein Raclette.
Mit jedem Jahr scheint der Glühwein aber auch finanziell mehr einzuschenken. Satte 11.90 Franken bezahlt man inzwischen für einen herkömmlichen roten Glühwein beim Bellevue. Dieses Jahr liegt das jedoch nicht nur an der Inflation, sondern auch am sogenannten Mehrweg-Konzept, das seit diesem Jahr im Wiehnachtsdorf grossflächig umgesetzt wurde.
«Wir haben uns von Einweggeschirr und Pappbecher verabschiedet», sagt Katja Weber, Mitgründerin des Wiehnachtsdorfs, zu Blick. Stattdessen erhalte man neu an sämtlichen Essens- und Getränkeständen richtiges Geschirr mit Depot. Bei einem Glühwein beträgt dieses fünf Franken. Ihr eigener Entscheid sei das aber nicht gewesen. «Das Mehrweg-Konzept ist eine Auflage der Stadt Zürich», erklärt Weber.
30 Mitarbeitende mehr
Wer gedacht hat, dass die Veranstalter aus den hohen Depot-Preisen Profit schlagen, hat sich aber mächtig geschnitten. Weber zufolge verursacht die Umsetzung des Mehrweg-Konzepts massive Mehrkosten. «Wir wissen noch nicht genau, wie viel, aber eins ist klar: Das wird uns richtig viel Geld kosten.» Dass sich also Leute über die Preise – inklusive Depot – beschweren, stösst bei Weber deshalb auf Unverständnis.
So hätten sie nicht nur die Rückgabestellen, sondern auch neu Waschstrassen schaffen müssen. «Wir benötigen dadurch sehr viel mehr Mitarbeitende. Wir brauchen nicht nur Leute, die das Geschirr einsammeln, sondern auch welche, die es abwaschen und andere, die es polieren.»
Insgesamt hätten sie 30 Mitarbeitende mehr als in den Vorjahren einstellen müssen. «Man hat eine Tasse zirka sechsmal in der Hand, bis sie wieder da ist, wo sie vorher war.» Trotz des Mehraufwands fällt Webers Bilanz bisher positiv aus. «Die Leute machen richtig gut mit und bringen das Geschirr praktisch immer zurück.»
Auch für die Mitarbeitenden sei das Mehrweg-Konzept eine Umstellung gewesen. «Hinter dem Ganzen steckt eine riesige Organisation und eine Menge Aufwand», sagt die Italienerin Chiara Capizzi (27), die bereits das dritte Jahr in Folge im Wiehnachtsdorf arbeitet, zu Blick.
Trotz des Mehraufwands sind die Mitarbeitenden auch stolz, bei dem Projekt mitwirken zu dürfen: «Es ist das erste Mal, dass ich für ein Festival arbeite, das praktisch komplett plastikfrei ist», sagt die Brasilianerin Vânia Vieira Da Silva (36) zu Blick.
Stadt Zürich bietet keine Hand
Auf Anfrage von Blick bestätigt die Stadt, dass für die Weihnachtsmärkte auf dem Münsterhof und dem Sechseläutenplatz eine Mehrweg-Pflicht gilt. Dadurch sollen die Abfallmengen reduziert und auch die Sauberkeit verbessert werden.
Obwohl die Initiative nicht von den Veranstaltern selbst kam, hilft die Stadt aber nicht bei der Finanzierung mit. «Finanzielle Unterstützung für privat durchgeführte Festveranstaltungen bietet die Stadt nicht», sagt Tobias Nussbaum, Mediensprecher von Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ), zu Blick. ERZ biete aber Beratungen für die Umsetzung und vermittle Kontakte zu Anbietern von Mehrwegsystemen.
Der Entscheid, dass der Bellevue-Wiehnachtsmärt auf Mehrweg umsatteln muss, sei im Stadtrat gefällt worden. «Da die Veranstaltung eingezäunt ist, bietet sie sich für das Mehrweg-Konzept an», sagt Nussbaum. Bei Grossveranstaltungen wie der Street Parade oder dem Züri Fäscht sei es dagegen kaum möglich, komplett auf Mehrwegsysteme umzusteigen.
Während das Zürcher Wiehnachtsdorf wegen des Wetters und des Mehrweg-Konzepts dieses Jahr wohl nicht den Mega-Gewinn einfahren wird, klingelt bei anderen Weihnachtsstand-Betreibern mächtig die Kasse. So beispielsweise beim Berner Glühweinkönig Hanspeter Ramseier (61), der am elsässischen Weihnachtsmarkt von Riquewihr Glühwein ausschenkt. Er macht pro Tag bis zu 20'000 Franken Umsatz.