Wenn die Bergidylle trügt
Wie gefährlich ist Wandern?

Fünf Menschen verloren in den letzten Wochen bei Wanderungen im Alpsteingebiet ihr Leben. Wurden die Freizeit-Alpinisten zu wenig für Gefahren sensibilisiert?
Publiziert: 07.08.2022 um 11:18 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2022 um 17:04 Uhr
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Das berühmte Berggasthaus Aescher lockt viele Touristinnen und Ausflügler an.
Foto: Shutterstock
Dana Liechti

Wer auf Instagram den Hashtag «Aescher» eingibt, findet mehr als 15'000 Beiträge zum berühmten Berggasthaus in Appenzell Innerrhoden. 76'500 sind es bei «Seealpsee». Und sogar 145'000 bei «Alpstein»: malerische Bilder einer beeindruckenden Bergwelt. Der Hype um das Alpsteingebiet ist gross.

Nun aber haben sich dunkle Wolken über die Idylle gelegt. Seit Ende Juni verunglückten beim Wandern am Alpstein fünf Menschen tödlich, zuletzt eine 31-jährige Frau und ihre fünfjährige Tochter. Aus bisher ungeklärten Gründen stürzten sie auf dem Wanderweg vom Äscher in Richtung Altenalp einen Abhang hinunter.

Das gilt es beim Wandern zu beachten

Sorgfältige Planung ist wichtig. Dazu gehören Route, Schwierigkeiten, Fähigkeiten, Zeitbedarf, Wegverhältnisse und Wetter. Wanderschuhe mit griffigem Profil, warme und wetterfeste Kleidung, Karte und Proviant sind Voraussetzung. Es wird empfohlen, Pausen zu machen. Zentral ist, dass man die Wegkategorien kennt. Gelb steht für Wanderwege. Diese verlaufen oft auf breiten Wegen, steile Passagen werden mit Stufen überwunden. Vorsicht ist Pflicht, ansonsten gibt es keine besonderen Anforderungen. Bergwanderwege sind weiss-rot-weiss markiert und verlaufen überwiegend steil, schmal und teilweise exponiert. Zur Grundvoraussetzung gehören Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und gute körperliche Verfassung. Ausserdem sollte man Gefahren im Gebirge wie Steinschlag, Absturzgefahr oder Wetterumsturz kennen. Weiss-blau-weisse Alpinwanderwege führen teilweise über Schneefelder, Gletscher oder Geröllhalden und durch Fels mit kurzen Kletterstellen. Benützerinnen müssen trittsicher, schwindelfrei und in sehr guter körperlicher Verfassung sein sowie die Gefahren im Gebirge sehr gut kennen. Kompass, Seil, Pickel und Steigeisen können vonnöten sein.

Sorgfältige Planung ist wichtig. Dazu gehören Route, Schwierigkeiten, Fähigkeiten, Zeitbedarf, Wegverhältnisse und Wetter. Wanderschuhe mit griffigem Profil, warme und wetterfeste Kleidung, Karte und Proviant sind Voraussetzung. Es wird empfohlen, Pausen zu machen. Zentral ist, dass man die Wegkategorien kennt. Gelb steht für Wanderwege. Diese verlaufen oft auf breiten Wegen, steile Passagen werden mit Stufen überwunden. Vorsicht ist Pflicht, ansonsten gibt es keine besonderen Anforderungen. Bergwanderwege sind weiss-rot-weiss markiert und verlaufen überwiegend steil, schmal und teilweise exponiert. Zur Grundvoraussetzung gehören Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und gute körperliche Verfassung. Ausserdem sollte man Gefahren im Gebirge wie Steinschlag, Absturzgefahr oder Wetterumsturz kennen. Weiss-blau-weisse Alpinwanderwege führen teilweise über Schneefelder, Gletscher oder Geröllhalden und durch Fels mit kurzen Kletterstellen. Benützerinnen müssen trittsicher, schwindelfrei und in sehr guter körperlicher Verfassung sein sowie die Gefahren im Gebirge sehr gut kennen. Kompass, Seil, Pickel und Steigeisen können vonnöten sein.

Tödlichstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Ein Blick in die Statistik des Schweizer Alpen-Clubs zeigt: Tödliche Bergunfälle haben schweizweit zugenommen. 68 Personen kamen 2021 beim Bergwandern ums Leben – so viele wie seit Beginn der Aufzeichnungen 1984 nicht.

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Doch was sind die Gründe? Ist Wandern gefährlicher geworden? Zuallererst sei es wichtig, die Zahlen in Relation zu setzen, sagt Patricia Cornali, Sprecherin des Verbands Schweizer Wanderwege, der sich um Planung und Qualitätssicherung der Weginfrastruktur kümmert. «Die Zahl der Todesfälle ist über die Jahre relativ konstant geblieben, obwohl es gleichzeitig eine markante Zunahme der Anzahl Wanderinnen und Wanderer gibt.» 2007 seien rund ein Drittel aller Schweizer über 15 Jahren gewandert, 2013 waren es 44 Prozent, 2019 bereits 57 Prozent. «Wir gehen davon aus, dass die Zunahme der Unfälle vor allem auf die zunehmende Beliebtheit des Wanderns zurückzuführen ist», so Cornali. «Somit sind auch mehr Leute mit ungenügendem Wander-Know-how unterwegs, was unter Umständen zu Unfällen führen kann.»

Bei der aktuellen Häufung spielt auch das Wetter eine Rolle, sagt Monique Walter von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (Bfu). Die Zahl tödlicher Unfälle beim Bergwandern war auch in anderen schönen Jahren hoch, etwa 2015. Damals starben 64 Menschen.

Gute Vorbereitung ist das A und O

Einer, der sich mit dem Wandern auskennt, ist Thomas Widmer. Der Autor schreibt seit Jahrzehnten über den Volkssport. Vor einer Wanderung gebe es einiges zu beachten: «Ich schaue auf ein gutes Profil bei den Schuhen, habe Stöcke dabei und studiere im Voraus das Gelände anhand von Karten und Videos sehr genau, um zu sehen, wo es gefährlich werden könnte.» Wer sich hingegen über soziale Medien für den nächsten Ausflug inspirieren lässt, hat oft ein falsches Bild vom anspruchsvollen Bergwandern. Eigentlich sei es erfreulich, dass durch die spektakulären Bilder mehr Leute zum Wandern animiert würden, sagt Patricia Cornali. Nur: «Daraus lässt sich eben nicht schlussfolgern, dass jede und jeder diese Gebiete erwandern kann.»

Das Wissen über die Anforderungen der Wanderwege ist oft lückenhaft

Eine bessere Sensibilisierung tut not. Denn: Obwohl das Wandern die beliebteste Freizeitaktivität der Schweizerinnen und Schweizer ist, kennen laut einer Befragung der Bfu längst nicht alle die Anforderungen der verschiedenen Wege. Auf rot-weiss markierten Bergwanderwegen etwa muss man trittsicher, schwindelfrei und fit sein. 26 Prozent der Befragten, die auf entsprechenden Wegen unterwegs sind, gaben jedoch an, nur mittelmässig oder überhaupt nicht fit zu sein. Fast jeder fünfte gab zu, nicht besonders trittsicher zu sein – und mehr als einem Drittel war nicht bewusst, dass es auf diesen Wegen Stellen mit Absturzgefahr geben kann.

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Das sorgt bei Fachleuten für Kopfschütteln: Lückenhaftes Wissen und Selbstüberschätzung gehören zu den Hauptgründen dafür, dass Wanderer in Gefahr geraten, sagt Monique Walter. Den einen Grund für Unfälle gebe es aber nicht. «Es ist oft eine Verkettung von Umständen: Da ist dann vielleicht der Weg nass, man trägt Sandalen, muss sich beeilen, weil die letzte Gondel bald fährt und hat in der Nacht vorher schlecht geschlafen.»

Gibt es zu wenig Warnhinweise?

Aber ist es nicht zu einfach, die Verantwortung auf die Wanderer zu schieben? Schliesslich gab es in den letzten Tagen auch Stimmen, die gefährliche Wege am Alpstein monieren und kritisierten, es gebe zu wenig Warnhinweise. Auf einem Bergweg habe fälschlicherweise sogar eine gelbe Markierung gestanden.

Letzteres bestätigt Guido Buob, der Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus. An einem Weg hatte man provisorisch einen gelben Richtungswegweiser montiert, weil die Leute oft in die falsche Richtung gelaufen seien. «Das war sicher nicht ideal, aber nicht matchentscheidend, weil die Hauptwegweiser weiter oben auf der Strecke die richtigen Farben für eine Bergwanderung tragen.» Mittlerweile habe man den Wegweiser aber ausgetauscht. Dass die Wege gefährlich seien, weist Buob hingegen zurück. Sie entsprächen den schweizerischen Qualitätsanforderungen.

«Absolute Sicherheit gibt es in den Bergen einfach nicht.»

Aber: «Absolute Sicherheit gibt es in den Bergen einfach nicht.» Dennoch überlege man sich, wie man Wanderer noch besser sensibilisieren könnte.

Tatsache ist, dass auch eingefleischte Bergtouristen hie und da in brenzlige Situationen geraten. So auch Thomas Widmer: «Einmal stand ich auf einer Wanderung im Luzernischen plötzlich im Nebel und kam vom Weg ab.» Die Freude am Wandern ist ihm dadurch aber nicht vergangen. Widmer glaubt auch nicht, dass die aktuell gehäuften Unfälle – so tragisch, unnötig und unbegreiflich sie auch sind – der grossen Wanderlust im Land Abbruch tun werden. Eine Konsequenz daraus erhofft er sich aber: «Dass die Leute beim Wandern künftig noch mehr Vorsicht walten lassen.»

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