Am Montag wanderte eine Familie aus dem Kanton Thurgau vom Äscher in Richtung Altenalp. Auf dem Wanderweg zwischen Weesen und Altenalp, kurz nach der Verzweigung «Füessler» nach dem Weidegebiet, stürzten die 31-jährige Mutter und die 5-jährige Tochter aus noch unbekannten Gründen den steilen Abhang hinunter.
Trotz sofort eingeleiteter intensiver Suche mit sämtlichen verfügbaren Mitteln konnten Mutter und Tochter nur noch tot im steilen Gelände gefunden und durch die Rega geborgen werden, schreibt die Kantonspolizei Appenzell-Innerrhoden in einer Mitteilung. Die Absturzursache wird durch die Kantonspolizei Appenzell I.Rh. im Auftrag der Staatsanwaltschaft Appenzell I.Rh. abgeklärt.
Laut einem Sprecher der Kantonspolizei seien die beiden tödlich Verunglückten rund 50 bis 80 Meter in die Tiefe gestürzt.
«Gewisse Voraussetzungen nötig»
Die Tragödie reiht sich in eine Reihe von tödlichen Unfällen im Alpstein ein. Mitte Juli verunglückten innert einer Stunde zwischen Äscher und Chobel zwei Wanderer tödlich. Schon im Juni stürzte eine Person am Äscher ab.
Bergführer Guido Rempfler (73) ist seit Jahrzehnten im Alpstein unterwegs und seit fast 50 Jahren Bergführer. «Die Leute unterschätzen die Wege und überschätzen sich selbst», sagt er zu Blick. Das Gebiet rund um den Äscher sei seit einigen Jahren unglaublich populär. «Seither gehen Leute hier wandern, die früher nicht gekommen wären.»
Der Weg zum Gasthaus Aescher sei verhältnismässig einfach, die Leute würden mit der Bahn bis in die Ebenalp fahren und dann auf einem einfachen Weg zum Berggasthaus laufen. «Vom Berggasthaus Aescher Richtung Seealpsee oder Altenalp ist der Weg dann aber nicht mehr so einfach – für Berggänger ist das kein Problem, aber für ungeübte Personen wird es schnell gefährlich», sagt Rempfler.
Übung und Erfahrung zwingend
Zu Beginn würden die Wege noch einfach aussehen. Dann aber werde es schnell steil. «Die Leute sehen dann aber nicht ein, dass sie umkehren sollten, sondern überschätzen sich. Das ist sehr gefährlich.»
An der Ausrüstung liege es meist nicht, sagt Rempfler. «Aber gute Ausrüstung alleine hilft nicht – es braucht Übung und Erfahrung.» Rempfler zieht einen Vergleich zum Skifahren: «Wer sich Rennski kauft, kann auch nicht ohne Erfahrung die Lauberhorn-Abfahrt bestreiten.»
Viele Wanderer würden zwar merken, dass sie an die Grenzen kommen. Dann aber würden sie weiter gehen und nicht etwa umkehren. Das könne fatal enden. «Der Entscheid, bei einem schwierigen Weg umzudrehen, kann Leben retten.»
Rempfler könnte sich gerade in der Hochsaison daher zusätzliche Massnahmen vorstellen, um ungeübte Berggänger von einer Wanderung abzuhalten. «Vielleicht braucht es zusätzliche Signaltafeln oder Informationen von den Angestellten an der Bergstation an der Seilbahn. Aber dass fast jede Woche Leute dort abstürzen, geht nicht.»
Über den Weg werden auch Kühe verlegt
Sepp Manser (58), Grossrat des Kantons Appenzell Innerrhoden und zuständig für die Wanderwege in der Region, sagt: «Der jetzige Unfall hat sich nicht am gleichen Ort abgespielt wie die letzten Unfälle. Dieser Bergwanderweg führt durch ein Weidegebiet, sogar Kühe laufen über diesen Weg. Es wäre schon lange bekannt, wenn dieser Weg defekt wäre oder ein Sicherheitsproblem bestünde. Daher sehe ich im Moment gerade keinen Handlungsbedarf.»
Der Weg führe über eine steile Wiese und sei anspruchsvoll. «Aber mit guter Ausrüstung und Kenntnissen ist das kein Problem.» Die Leute würden sich aber zu wenig mit den Wegen befassen, wüssten nicht, wo sie hingehen und was die Voraussetzungen seien. «Man muss sich orientieren und wissen, wo man durchläuft. Das ist die berühmte Thematik der Eigenverantwortung.»
Manser weist auch auf die Tipps hin, die Blick vor einigen Wochen rund um das Thema Wandern veröffentlicht hat. «Wenn man diese Tipps beachtet, hilft das sicherlich. Aber man muss sehen, dass wir noch nichts Genaues über den Unfallhergang wissen. Weshalb die Personen genau abgestürzt sind und ob sie einen Fehler gemacht haben, wissen wir noch nicht.»
30'000 verletzte Wanderer – pro Jahr
Der Verband Schweizer Wanderwege bedauert den tragischen Unfall zutiefst. «Das Unglück macht uns sehr betroffen, insbesondere da ein Kind involviert ist.» Leider seien Unfälle beim Wandern jedoch Realität: Beim Wandern und Bergwandern sterben jährlich über 40 Personen aus der Schweiz und rund 30'000 verletzen sich, davon ca. 5’000 schwer oder mittelschwer. «Wir versuchen mit verschiedenen Massnahmen, die Wanderinnen und Wanderer für das richtige Verhalten und die Risiken zu sensibilisieren, so dass Unfälle möglichst vermieden werden können.»
Bei Wanderinnen und Wanderern, insbesondere auch bei ausländischen Gästen, sei das Alpsteingebiet zum Wandern besonders beliebt und daher im Vergleich ausserordentlich hoch frequentiert. Daher sei auch die Wahrscheinlichkeit für Unfälle proportional höher, sagt Verbandssprecherin Patricia Cornali zu Blick. «Wir beobachten, dass bei vielen Wandernden, insbesondere bei Touristinnen und Touristen, das notwendige Wander-Know-how fehlt: Die Route wird unterschätzt, die Anforderungen an Fitness, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit werden nicht ausreichend erfüllt, die notwendige Vorbereitung fehlt oder die Ausrüstung ist ungenügend.»
Man versuche zwar, mit verschiedenen Massnahmen und Kampagnen zu sensibilisieren, sagt die Verbandssprecherin. «Generell besteht beim Wandern aber eine Eigenverantwortung, die eine sorgfältige Vorbereitung, ein angepasstes Verhalten und das Bewusstsein von Risiken beinhaltet.»