Die Wege rund um die Aescher-Hütte sind beliebt wie nie. Die Route zum berühmten Gasthaus ist hochfrequentiert. Spätestens nachdem das Magazin «National Geographic» das Juwel zu einem der schönsten Orte der Welt gekürt hat. Seitdem pilgern Ausflügler zur Hütte. Doch manche kehren nicht mehr zurück.
Wandern liegt im Trend und wird immer beliebter. Bereits vor Corona zog es die Schweizer in die Berge – und wie. Rund vier Millionen wandern regelmässig. Doch dieser Boom hat Folgen. Die Zahl der Todesfälle steigt, wie die Zahlen des Schweizer Alpen Clubs (SAC) zeigen. Zum Vergleich: 2017 kamen 54 Menschen beim Wandern in den Bergen ums Leben. 2021 schon 68.
Blick hat deshalb eine Übersicht über zugleich beliebte Wanderrouten zusammengestellt, die zugleich Gefahren bergen.
5-Seen-Wanderung am Pizol, Kanton St. Gallen
Wenn man nach beliebten Wanderwegen im Internet sucht, erscheint sie sofort: Die Fünf-Seen-Wanderung. Kein Wunder: Gleich fünf Seen können Wanderer auf dieser Tour bestaunen. Und mit etwas Glück auch allerhand Bewohner der Bergwelt. Steinböcke, Gämsen und Murmeltiere. Für die etwas mehr als elf Kilometer braucht man um die fünf Stunden. Hoch kommt man mit der Pizolbahn. Bereits auf deren Internetseite wird auf die Schwierigkeit hingewiesen. «Die 5-Seen-Wanderung ist eine hochalpine Wanderung mit drei anstrengenden Auf- und Abstiegen. Im oberen Teil führt sie durch Geröll- und Felspartien, die Wanderschuhe mit gutem Profil voraussetzen.»
Die Route ist als T2 eingestuft. Das bedeutet: Bergwandern. Kein einfacher Spaziergang. Es besteht an manchen Stellen Absturzgefahr.
Wanderung auf der Rigi, Kanton Luzern
Auch diese Route zählt zu den Klassikern und ist sehr beliebt. Eine Wanderung auf der Rigi vom Kurort Rigi-Kaltbad über die Scheidegg bis zum Urmiberg. Der Weg verspricht einen tollen Ausblick. Vom Säntis bis zu den Berner Alpen und zu teilweise fünf Seen gleichzeitig reicht hier der Blick. Darunter der Vierwaldstätter- und Zugersee. Für die zirka 13 Kilometer benötigt etwas mehr als vier Stunden. Die Route ist ebenfalls als T2 eingestuft. Mitte Juni kam ein Wanderer (†78) aus dem Kanton Basel-Landschaft unterhalb der Rigi Kulm ums Leben. Er war vom Weg abgekommen und 20 Meter in die Tiefe gestürzt.
Walensee, Kanton St. Gallen
Die bekannteste Tour führt von Weesen nach Quinten und eignet sich für einen Tagesausflug. Die Route führt entlang des Ufers des Walensees zum malerischen Dorf Quinten, das für sein südliches Klima bekannt ist. Dabei kommt man an Betlis mit seiner berühmten Kapelle und den beeindruckenden Seebachfällen vorbei. Die Strecke umfasst zirka zehn Kilometer und ist gut in etwas mehr als drei Stunden machbar. So entspannt die Tour am See auch klingen mag: Auch diese Route ist als T2 eingestuft und gilt damit als mittelschwer.
Murmelweg, Kanton Wallis
Das klingt doch vielversprechend. Murmelweg. Tatsächlich ist dieser Weg gerade bei Familien beliebt, verspricht er doch jede Menge Murmeltiere. Entlang des Weges wurden Tafeln aufgestellt, die in verschiedenen Sprachen mehr über das Leben der putzigen Tiere verraten. Zudem gibt es entlang der Route verschiedene Skulpturen aus Holz. Der Weg misst nur fast Kilometer und ist gut in etwas mehr als einer Stunde zu bewältigen – je nachdem natürlich, wie viele Murmeltier-Pausen man macht. So nett und harmlos der Weg auch scheinen mag und auch für Familien mit Kindern empfohlen wird: Selbst diese Route ist kein leichter Spaziergang. Der Schwierigkeitsgrad wird als mittel angegeben.
Aletschgletscher-Weg, Kanton Wallis
Er ist einmalig. Der grosse Aletschgletscher ist ein Überbleibsel der letzten Eiszeit vor gut 18'000 Jahren. Der längste Gletscher der Alpen wartet mit atemberaubenden Wanderungen auf. Besonders beliebt ist die Rundwanderung vom Bettmerhorn via Märjelensee zur Bettmeralp. Auf knapp 15 Kilometern wandert man durch das Gebiet des UNESCO-Welterbes und braucht dafür um die fünfeinhalb Stunden. Auch hier gilt: Aufpassen bei Schritt und Tritt. «Die Tour führt durch felsiges Gelände und erfordert etwas Trittsicherheit», heisst es auf der Seite der Bergbahn Aletsch-Arena.
Bärentrek , Kanton Bern
Sie gehört wohl zu den bekanntesten und schönsten Langstreckenwanderung im Berner Oberland: der Bärentrek. Die Strecke führt von Meiringen im Haslital bis nach Gsteig bei Gstaad. Insgesamt 130 Kilometer. Nicht gerade wenig Strecke. Dementsprechend muss man sich hierfür auch Zeit nehmen. Ein Tagesausflug ist nicht drin. Für die ganz besondere Route braucht man rund neun Tage. Belohnt werden Wanderer mit einer atemberaubenden Aussicht und Einblicke in die Schweizer Bergwelt.
Aber: Wer hier unterwegs ist, sollte auf jeden erfahren sein. Für manche Abschnitte gilt die Stufte T3. Bedeutet: anspruchsvolles Bergwandern. Manche Stellen sind schwer einsehbar und mit Ketten und Seilen gesichert. Man sollte schwindelfrei sein. Die Absturzgefahr kann an gewissen Passagen akut sein.
Ende Juni kamen zwei Männer in Grindelwald ums Leben. Ihre Leichen wurden beim Scheideggwetterhorn entdeckt. Kurz zuvor wurde eine als vermisst gemeldete Wanderin (†39) aus dem Kanton Zug im Bänisegg ebenfalls in Grindelwald gefunden. Sie war abgestürzt und ums Leben gekommen.
Ein Restrisiko bleibt immer
Der Verband Schweizer Wanderwege betont in diesem Zusammenhang, dass die Unfall-Risiken minimiert werden können – sofern gewisse Punkte beachtet werden. «Wichtig ist die sorgfältige Planung einer Wanderung im Vorfeld, eine passende Ausrüstung und auch während der Wanderung aufmerksam zu bleiben», sagt Verbandssprecherin Patricia Cornali zu Blick.
Gleichzeitig bleibe jedoch auch immer ein Restrisiko, «insbesondere wenn man sich in der Natur aufhält.» Grundsätzlich sei es schwer allgemein zu sagen, welcher Weg schwierig oder riskant sei. Das hänge jeweils von der Wandererfahrung ab.
«Die Leute unterschätzen die Wege und überschätzen sich selbst»
In der Schweiz gibt es über 65'000 Kilometer Wanderwege. Damit sich Wanderer aber trotzdem orientieren können, welche Anforderungen es für eine bestimmte Route braucht, gibt es drei Kategorien, die sich in «Wanderweg» (gelb markiert), Bergwanderweg (weiss-rot-weiss) und Alpinwanderweg (weiss-blau-weiss) unterscheiden. Jede Route verlange individuelle Anforderungen.
Hierbei nennt Cornali speziell die Eigenverantwortung. Doch gerade das ist schwierig, weiss Guido Rempfler (73), der seit Jahrzehnten im Alpstein unterwegs und seit fast 50 Jahren Bergführer ist. Selbst wenn Wanderer merken, dass sie an ihre Grenzen kommen, würden viele einfach weiter gehen. «Die Leute unterschätzen die Wege und überschätzen sich selbst», sagt er über die tragischen Abstürze am Äscher zu Blick.