Gleich zwei Wanderer stürzen am Dienstag am Äscher in den Tod. Kurz nach 12 Uhr ist eine Deutsche (†66) mit ihrem Mann vom Äscher in Richtung Chobel unterwegs, als sie im Bereich Dürrschrennen den steilen Abhang hinunter und über die Felswand zirka 80 Meter in die Tiefe fällt.
Eine Stunde später kommt es im gleichen Abschnitt des Wanderwegs zur weiteren Tragödie. Ein Berner (†58) fällt in die Tiefe und wird durch den Sturz tödlich verletzt, teilt die Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden mit.
Ende Juni war bereits eine Bernerin (†75) beim Äscher ums Leben gekommen. Auch sie stürzte eine Felswand runter.
Äscher-Wanderweg bei ausländischen Touristen beliebt
Der Dachverband der Wanderwege in der Schweiz, Schweizer Wanderwege, ist bestürzt über die Todesfälle. «Jeder Wander-Unfall ist einer zu viel. Der tödliche Doppel-Absturz macht uns sehr betroffen», sagt Sprecherin Patricia Cornali zu Blick.
Leider seien aber Unfälle beim Wandern Realität «Jährlich sterben über 40 Personen aus der Schweiz und rund 30'000 verletzen sich, davon zirka 5000 schwer oder mittelschwer.»
Im Falle des Äscher-Wanderwegs handle es sich bei ausländischen Gästen um eine sehr beliebte Route. Gerade bei Touristinnen und Touristen fehle aber oft das notwendige Wander-Know-how. Cornali zu Blick: «Die Route wird unterschätzt, die Anforderungen an Fitness, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit werden nicht ausreichend erfüllt, die notwendige Vorbereitung fehlt oder die Ausrüstung ist ungenügend. Dies kann eine mögliche Erklärung für die Unfälle an dieser spezifischen Stelle sein.»
Wanderweg nach gängigen Empfehlungen gesichert
Für die Sicherheitsmassnahmen seien die regionalen Behörden zuständig und dafür verantwortlich, «dass Wanderwege möglichst gefahrlos begangen werden können. Das heisst, dass die Gefahren auf ein vernünftiges, für die Wegkategorie akzeptables Mass reduziert werden.»
Sepp Manser (58), Grossrat des Kantons Appenzell Innerrhoden, der zuständig für die Wanderwege in der Region ist, sagt, dass die Strecke zuletzt am Freitag inspiziert wurde. Der Weg, der nicht besonders gefährlich, aber auch nicht zu unterschätzen sei, wurde nach den gängigen Empfehlungen der Schweizer Wanderwege gesichert, versichert Manser. Und fügt hinzu: «Aber wenn sich die Menschen nicht daran halten, sind uns die Hände gebunden.»
Die ungeübten Wanderer fallen auch dem Gasthaus Ebenalp bei der Bergstation auf. «Die Leute unterschätzen den Weg immer wieder. Es gibt eigentlich genug Informationen und Sicherheitsmassnahmen, aber die Leute halten sich da nicht dran und sind nicht sehr gewissenhaft», sagt ein Mitarbeiter zu Blick. Manche würden mit ihren Turnschuhen kommen und glauben, dass das schon klappen wird. «Andere laufen mit dem Natel vor den Augen und fotografieren und filmen dabei. Das ist schon ein Problem.»
Wandern liegt in der Eigenverantwortung
Patricia Cornali weist darauf hin, dass beim Wandern grundsätzlich immer eine Eigenverantwortung bestehe, «die eine sorgfältige Vorbereitung, ein angepasstes Verhalten und das Bewusstsein von Risiken beinhaltet».
Der Dachverband versuche, die Wanderinnen und Wanderer für das richtige Verhalten und die Risiken zu sensibilisieren, sodass Unfälle möglichst vermieden werden können.
Wichtig sei es in erster Linie, zwischen verschiedenen Schwierigkeitsgraden von Wanderwegen zu unterscheiden. Cornali erklärt: «Gelb markierte Wanderwege stellen grundsätzlich keine weiteren Anforderungen an die Benützer ausser die notwendige Aufmerksamkeit und Vorsicht.»
«Viele Wanderer sind sich der Risiken nicht bewusst»
Anders sieht es dagegen bei weiss-rot-weiss signalisierten Wanderwegen. Der Bergwanderweg vom Äscher in Richtung Chobel und Seealpsee war laut Polizei genau so einer.
Hier sind die Anforderungen höher: Fitness, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sowie stabile Wanderschuhe mit griffiger Sohle sind die minimalen Voraussetzungen.
Es gebe Risiken, denen man sich bewusst sein müsse. «Sie erschliessen teilweise unwegsames Gelände und können steil, schmal und manchmal exponiert verlaufen», so die Dachverband-Sprecherin. «Leider sind sich viele Wanderinnen und Wanderer den Voraussetzungen und Risiken einer Bergwanderung nicht bewusst.»
Ältere sterben eher in den Bergen als Jüngere
Neben den unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sei auch auf die Route zu achten. «Das Unfallrisiko ist beim Abstieg tendenziell höher.» Das sei körperlich anspruchsvoller als der Aufstieg und die Muskeln würden stärker beansprucht. «Zudem ist beim Abstieg die Müdigkeit oft grösser und die Konzentration lässt nach. Das Risiko, zu stolpern oder auszurutschen, ist erhöht», erklärt Cornali.
Bei den drei Todesopfern auf dem Äscher in diesem Jahr handelt es sich allesamt um ältere Personen. Dass ältere Menschen beim Wandern eher tödlich verunglücken als jüngere, zeigt auch die Statistik der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Zwischen 2011 und 2020 starben die meisten Wanderer in den Altersgruppen ab 50 Jahren.
Über die genauen Gründe könne man aber nur spekulieren, sagt Cornali. «Fitness und Trittsicherheit nehmen im Alter tendenziell ab. Zentral für eine sichere Wanderung ist auch die Vorbereitung und die Selbsteinschätzung. Ältere Wanderinnen und Wanderer sind oft erfahrener als jüngere. Genau das kann ihnen aber auch zum Verhängnis werden, wenn die gründliche Vorbereitung und regelmässige Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten mit der Zeit vernachlässigt wird.»