Hier läuft der Somalier Aman K. ins Gericht
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Freundin zu Tode geprügelt:Hier läuft der Somalier Aman K. 2022 ins Gericht

Verurteilt zu 14 Jahren und trotzdem auf freiem Fuss – Anwalt André Kuhn erklärt
So überlistete Tot-Prügler Aman K. unsere Justiz

Aman K. (28) prügelte seine Freundin zu Tode und wurde zu 14 Jahren Knast verurteilt. Doch der Somalier ist auf freiem Fuss. Auch Lachgas-Fahrer Jay F. sollte vier Jahre und neun Monate sitzen, ist jedoch draussen. Wie ist das möglich? Strafrechtler André Kuhn erklärt.
Publiziert: 09.04.2025 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2025 um 17:25 Uhr
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Aman K.* (heute 28) erscheint im November 2022 am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland.
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Aman K.* (heute 28) tötete seine Jugendliebe, die Mutter seiner Tochter. Über Monate hinweg prügelte er immer wieder auf seine Freundin Lorena P.* (†22) in Buchs SG ein – bis diese im Februar 2021 ihren schweren Verletzungen erlag.

Im November 2022 musste sich der Somalier vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland verantworten. Die Vorwürfe unter anderem: vorsätzliche Tötung und mehrfache schwere und mehrfache einfache Körperverletzung. Aman K. wurde zu 14 Jahren Freiheitsstrafe und einem Landesverweis von fünf Jahren verurteilt – und spazierte als freier Mann aus dem Gerichtsgebäude!

Am Dienstag sollte der Somalier zu seiner Berufungsverhandlung vor dem Kantonsgericht St. Gallen antraben. Doch die wurde abgesagt. Aman K. ist abgetaucht. Jetzt wird per internationalem Haftbefehl nach ihm gesucht.

«Ein Justizskandal sondergleichen»

Blick-Leser sind empört. Und sie fragen sich: Warum wird ein verurteilter Killer nicht hinter Gitter gesetzt? In den Kommentaren heisst es etwa: «Ein Justizskandal sondergleichen. Das muss Konsequenzen haben. Eine Kuscheljustiz sondergleichen – da muss man einmal mehr von massivem Versagen sprechen» und «Unsere Behörden sind abgrundtief naiv».

Warum wurde Totprügler Aman K. bis zur Berufungsverhandlung auf freien Fuss statt in Sicherheitshaft gesetzt? Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland erklärte auf Blick-Anfrage, dass es schlicht keine gesetzliche Grundlage für eine solche Sicherheitshaft gegeben habe. Doch selbst Strafrechts-Fachanwalt André Kuhn von der Kanzlei Penalisti zeigt sich überrascht: «Es kommt selten vor, dass jemand zu so einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird und dann nicht in Sicherheitshaft kommt.» Für Juristen gelte: «Je höher die Strafe, desto grösser die Fluchtgefahr. Je stärker jemand in der Schweiz verwurzelt ist, umso tiefer die Fluchtgefahr.»

«Verhalten spielt zentrale Rolle»

Kuhn erklärt, dass für eine Sicherheitshaft während eines Gerichtsverfahrens oder nach Urteilsfällung die gleichen Voraussetzungen wie für die Untersuchungshaft gelten. «Es muss der dringende Tatverdacht und zusätzlich die Gefahr der Flucht, der Verdunkelung oder der Wiederholung vorliegen.»

Nach einer Verurteilung gelte die Voraussetzung des Tatverdachts immer als erfüllt. «Dann macht das Gericht eine Einzelfallabwägung, ob eines der drei genannten Elemente vorliegt. Tut es dies nicht, ist keine Grundlage für eine Sicherheitshaft gegeben», erklärt Kuhn und führt weiter aus: «Hier spielt das Verhalten des Beschuldigten an der Gerichtsverhandlung eine zentrale Rolle. Also: Ist er aufgetaucht, wie hat er sich gegeben, welche Aussagen hat er gemacht und so weiter.»

Heisst: Dadurch, dass Aman K. an seiner ersten Verhandlung aufgetaucht ist, die Tat zugab und in seinem Schlusswort die Reue-Karte zog («Ich schäme mich wirklich für das, was ich getan habe»), hat er sich den Freifahrtschein in die Freiheit erschlichen.

Keine Sicherheitshaft, keine Massnahmen

Speziell: Die Staatsanwaltschaft hat vor Gericht keine Sicherheitshaft beantragt. Der Grund: Bereits eine Verlängerung der U-Haft wurde zuvor zweitinstanzlich von der verantwortlichen Anklagekammer abgeschmettert – sie sah seltsamerweise keine Fluchtgefahr beim Somalier. Aman K. wurde fünf Monate vor Anklageerhebung aus der U-Haft entlassen – rund ein Jahr vor der erstinstanzlichen Verhandlung. Die Chance, vor Gericht eine Sicherheitshaft durchzubringen, erschien für die Staatsanwaltschaft somit sehr tief.

Auch wurden keine Ersatzmassnahmen wie etwa eine elektronische Fussfessel ausgesprochen.

Statt Sicherheitshaft greifen Massnahmen

Neben Aman K. sorgte auch der Lachgas-Unfallfahrer Jay F.* in den vergangenen Tagen für Empörung. Trotz einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten ist auch er auf freiem Fuss. Hier beantragte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer eine Sicherheitshaft. Der Grund: Obwohl Jay F. Schweizer ist, war eine mögliche Fluchtgefahr erkennbar. Der junge Mann gab vor Gericht eben selbst an, dass er seine Zukunft in Kroatien sieht.

Dass Jay F. stattdessen mit einer Kaution und Begleitmassnahmen bis zu einem rechtsgültigen Urteil davonkommt, sei dem Schweizer Gesetz zuzuschreiben, so Kuhn: «Sicherheitshaft kann nur angeordnet werden, wenn es keine milderen Mittel – in diesem Fall die Ersatzmassnahmen – gibt.»

* Namen geändert 

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