Konsumieren die Jugendlichen hier Lachgas?
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Video wirft Fragen auf:Konsumieren die Jugendlichen hier Lachgas?

Lachgas-Fahrer Jay F. hat Schlusswort vor Gericht
«Mir tut alles leid»

Der Fall erschütterte im Herbst 2021 die Schweiz: Eine Partyfahrt von fünf Jugendlichen mit Lachgas endete in einem schlimmen Unfall. Einer der Insassen: tot. Jetzt steht Jay F., der Lenker des Unfall-Autos, vor Gericht.
Publiziert: 20.03.2025 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2025 um 07:42 Uhr
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Kurz nach Mitternacht ist es am Samstag, dem 13. November 2021, auf der A2 bei Arisdorf BL zu einem schweren Unfall gekommen.
Foto: POLIZEI BASEL-LANDSCHAFT

Darum gehts

  • Lachgas-Unfall: Fahrer vor Gericht wegen vorsätzlicher Tötung
  • Fahrer entsorgte laut Anklage Gasflasche und rauchte nach Crash eine Zigarette
  • Ein junger Mann starb beim Unfall
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Qendresa LlugiqiReporterin News
20.03.2025, 12:05 Uhr

Schluss

Die Verhandlung ist geschlossen.

20.03.2025, 11:50 Uhr

Das letzte Worte

Nun gibt die Richterin Jay F. das letzte Wort. «Haben Sie etwas zu sagen?», fragt sie. Er sagt kurz und klar: «Nur, dass mir alles leid tut»

Das Gericht hat sich entschieden, das Urteil nicht am 27. März zu verkünden. Laut der Richterin brauche es mehr Zeit. Die Urteilsverkündigung soll in der ersten Aprilhälfte stattfinden.

20.03.2025, 11:10 Uhr

Prozess läuft

Die Verhandlung wird aufgenommen. Alle Parteien dürfen replizieren.

In der Pause wird unter Journalisten über das Plädoyer des Verteidigers diskutiert. So etwa, dass sein Hinweis bezüglich der Lachgas-Angelegenheit wichtig war. Sie sollte mit den Augen von damals betrachtet werden – bevor diese national kontrovers diskutiert wurde. 

Gleichzeitig fällt es aus Laien-Sicht schwer, die vorliegenden Elemente klar zu kategorisieren: Handelt es sich um Vorsatz? Oder war es doch Fahrlässigkeit – vielleicht aber gröbst-fahrlässig? Wie sieht es wohl das Gericht? Das Urteil ist eigentlich für den 27. März angesetzt. Dass ein Entschied in diesem Fall schwierig ist, betonte auch die Richterin gestern. Sie erklärte, dass sich das Gericht hier gerne genug Zeit nehmen will – auch wenn die Urteilsverkündung dadurch eventuell verschoben werden muss.

20.03.2025, 10:51 Uhr

Pause bis 11 Uhr

Das Gericht legt eine kurze Pause ein. Um 11 Uhr geht es weiter. 

20.03.2025, 10:38 Uhr

Radikale Kürzung

Als Gibor auf die Forderungen der Privatkläger kommt, spricht er zuerst die Familie des Toten an. Über den Opfer-Anwalt forderten die Angehörigen insgesamt 315'000 Franken. Gibor findet jedoch: Die Forderungen sind zu hoch angesetzt. Hier muss radikal gekürzt – über 50 Prozent – werden, da das Opfer nicht korrekt angeschnallt war. 

20.03.2025, 10:37 Uhr

«Er ist mehr als genug bestraft»

Gibor spricht sich in seinen Eventualanträgen dafür aus, dass lediglich eine zehnmonatige Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von zwei Jahren ausgesprochen wird. 

Gibor erklärt, welche Folgen der Unfall für Jay F. hatte: «Er war sieben Monate arbeitsunfähig, rutschte in eine Lebenskrise, die er gestern beschrieb. Er ist depressiv verstimmt und leidet jeden Tag. Er ist durch den Selbstunfall mehr als genug bestraft.»

20.03.2025, 10:24 Uhr

Verteidiger spricht seit zwei Stunden

Bisher hat sich Gibor rund zwei Stunden zu seinen Hauptanträgen geäussert. Nachdem er jetzt – «rein aus der anwaltlichen Sorgfaltspflicht» – auf seine Eventualanträge eingehen will, schnaufen zwei Vertreter der Privatkläger hörbar auf. Einer von ihnen hatte sich am Mittwoch noch kurz darüber geärgert, dass sie noch am gleichen Tag ihre Plädoyers halten mussten.

20.03.2025, 10:17 Uhr

«Wäre er angeschnallt gewesen, wäre sein Tod vermeidbar gewesen»

Laut Gibor kann Jay F. nicht einmal wegen Fahrlässigkeit schuldig gesprochen werden. Hier führt der Verteidiger unter anderem die Gurt-Situation ein. Der Tote war zwar angeschnallt, aber nur im Beckenbereich, ohne Schultergurt. «Wäre er angeschnallt gewesen, wäre sein Tod vermeidbar gewesen.»

Die beiden anderen Mitinsassen hinten waren laut dem verkehrstechnischen Gutachter nicht angeschnallt, obwohl die Freunde vor Gericht behaupteten, sie wären angeschnallt gewesen. Gibor betont hier, wie ihr Aufprall endete: In die vorderen Sitze, die sich stark deformierten. 

20.03.2025, 09:57 Uhr

«Er nahm Unfall nicht in Kauf»

Gibor erklärt mit intensiver Betonung, sorgfältiger Wortwahl und mit lauter Stimme: «Jay F. kann keines Falls der Vorwurf der vorsätzlichen Tötung und der versuchten vorsätzlichen Tötungen gemacht werden!» 

Gibor erklärt: «Er wusste nicht, dass er durch den Lachgas-Konsum bewusstlos werden kann. Er kannte sich mit dem Konsum ja gut, gar sehr gut, aus. Die eigene, ständige Erfahrung ist hier ein starkes Kriterium!» Jay F. gab gestern an, vor dem Unfall 30–40 Mal Lachgas konsumiert und nie einen Bewusstseinsverlust erlebt zu haben. 

Gibor findet: «Er durfte damit auch davon ausgehen, dass es nicht zu einer unkontrollierbaren Situation kommt. Er handelte ja nicht einmal bewusst fahrlässig.» Weiter betont Gibor: «Es zeigt sich, dass er den Unfall nicht in Kauf nahm, wie ihm hier vorgeworfen wird. Er schaltete beim Hantieren alle Assistenz-Systeme ein, damit sich eben keine Sicherheitslücken ergeben.»

Gibor wiederholt immer wieder: «Es gibt keine Beweise, dass er das Bewusstsein aufgrund des Lachgases verlor.» 

Während Gibor spricht, macht er immer wieder eine Pause, blickt zum Fünfer-Gericht und stellt hin und wieder rhetorische Fragen in ihre Richtung.

20.03.2025, 09:46 Uhr

Drei Packungen Zigis pro Tag

Gibor geht weiter auf das Verhalten von Jay F. ein. Er habe sich im Schockzustand befunden, als er etwa eine Zigi rausnahm und rauchte. Jay F. selbst sagte gestern aus, dass er ein starker Raucher sei und so etwa drei Packungen pro Tag rauche. 

Der Verteidiger fragt in die Runde: «Was machen wir im Schock? Wir greifen auf bekanntes, automatisieren Verhalten zurück. In seinem Fall: Auf das Rauchen.» 

Jay F.* (heute 21) muss sich seit Mittwoch vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz wegen vorsätzlicher Tötung und mehrfacher schwerer Körperverletzung verantworten. Im November 2021 hatte er unter Lachgas-Einfluss die Kontrolle über sein Auto verloren. Bei dem Crash kam einer seiner Freunde – Volkan T.* (†18) – ums Leben.

Jay F. gab vor Gericht an, sich nicht an den Hergang des Unfalls erinnern zu können. Auch habe er nicht gewusst, dass man durch das Lachgas das Bewusstsein verlieren kann – trotz seines regelmässigen Lachgas-Konsums seit dem Jahr 2020. Heute wisse er jedoch, dass es ein Fehler war, in diesem Zustand Auto zu fahren. Er gab vor Gericht an: «Ich war jung, dumm und naiv.»

Schwere psychische und physische Folgen

Seine Angaben wertete der Staatsanwalt als reine Schutzbehauptung. Alle seine Kollegen hätten von der Wirkung gewusst, es wäre «lebensfremd», wenn Jay F. diese nicht gekannt hätte. Für den Staatsanwalt stand fest, dass das Lachgas die Ursache für den Crash war bzw. der Grund für Jay F.s Bewusstseinsverlust war. Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahre und neun Monaten.

Auch die drei Freunde, die im Auto sassen und den Unfall überlebten, wurden als Zeugen vor Gericht befragt. Sie alle gaben sich eine Teilschuld, sahen die Verantwortung aber bei Jay F. als Fahrer. Ausserdem sei die Idee zum Kauf und Konsum des Lachgases von Jay F. ausgegangen. Sie alle haben noch heute unter den Folgen des Unfalls sowohl psychisch als auch physisch zu kämpfen. Der grösste Schmerz: der Verlust des Freundes. So meinte einer: «Ich schaue unsere Fotos an und gehe an sein Grab.»

Als der Vater des Toten sprach, nahm es die drei Mitinsassen enorm mit. Sie brachen in Tränen aus. Der Vater sagte: «Innerhalb von einer Sekunde hat sich unser ganzes Leben verändert. Es gibt nichts mehr von unserem alten Leben.»

Emotionaler Auftakt: Tränen im Gerichtssaal

Der Anwalt der Opferfamilie schilderte die verheerenden Folgen des Unfalls für seine Mandanten. Die kleine Schwester des Verstorbenen, erst neun Jahre alt, zeichne ihren toten Bruder immer wieder in ihren Bildern, oft in Zusammenhang mit weinenden Gesichtern. Auch die beiden Brüder kämpfen mit dem Verlust ihres Bruders. Der Vater habe den Glauben an das Gute verloren, die Mutter leide unter Todessehnsucht. Er forderte für die Eltern eine Genugtuung von je 90'000 Franken sowie 45'000 Franken für jedes der drei Geschwister – zuzüglich fünf Prozent Zinsen. Zudem soll Jay F. die Bestattungskosten übernehmen.

Auch die beiden Anwälte der drei Mitfahrer forderten Genugtuungen. Die Summen: 10'000 Franken für den Beifahrer und mindestens 30'000 bzw. 60'000 Franken für die hinteren Mitinsassen. Auch hier werden Zinsen von fünf Prozent gefordert.

Am Donnerstag wird der Prozess mit dem Plädoyer von Jay F.s Verteidiger fortgesetzt. Das Urteil wird für den 27. März erwartet. Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

*Namen geändert

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